Die in Sachsen-Anhalt eskalierten Auseinandersetzungen um die geforderte Erhöhung der Rundfunkbeiträge wecken ungute Erinnerungen an die Beiträge der ARD und ihrer Unterstützer zu politischen Themen. Eine ARD-Sendung zum Tag der Deutschen Einheit aus dem Jahr 1987 bietet exemplarische Beispiele.
Am Mittwoch, 17.Juni 1987 um 20.15 Uhr strahlte die ARD die Sendung „Deutschland – heute abend“ aus. Kostproben zeigen, wie dickfellig linke Politiker, Schriftsteller und Journalisten die Realität im Mauerstaat auch noch viele Jahre später leugneten oder beschnigen wollten.
- Moderator Hansjürgen Rosenbauer im Studio: „Deutschland – ein Märchen, ein Traum, eine fixe Idee …“
- ARD-Reporter Wolfgang Korruhn an der Mauer in Berlin-Kreuzberg: „Ich war gestern Abend schon einmal da, kam mit einem alten Herrn ins Gespräch, plötzlich sagt er: „Wat, Mauer, wat is’n det? Ach so, die Mauer, det is det, was immer im Westfernsehen gezeigt wird.‘ Sie sehen, in Berlin nimmt man das gelassen.“
- Rosenbauer stellt als Studiogäste den SPD-Abrüstungsexperten Egon Bahr und den DDR-Autor Stefan Heym vor. Heym: „Es hat etwas Groteskes an sich, dass ein deutscher Staat die Staatskrise des anderen deutschen Staates zum Nationalfeiertag ernannt hat…“ – Bahr: „Ich finde es im Grunde verrückt, dass wir in der Bundesrepublik einen Tag feiern, den wir überhaupt nicht gemacht haben …“
- Ein „Rückblick auf 1953″ zeigt Ausschnitte aus einer „Wochenschau-West“ (23 Sekunden) voller Empörung und einer „Wochenschau-Ost“ (37 Sekunden) voller Dankbarkeit gegenüber der Roten Armee. Danach eine ungenannte Sprecherin: „Der Tag der Einheit wurde in der Bundesrepublik zu einer Demonstration politischer Hilflosigkeiten. Von den Parolen und vom Wiedervereinigungspathos der 50er Jahre blieb schließlich eine Feierstunde im Parlament, während neonationalistische Gruppen den Tag für ihre Zwecke zu nutzen versuchten …“
- Moderator Rosenbauer verliest ein Zitat des DDR-Autoren Heym vom 21. Juni 1953 aus der „Berliner Zeitung“: „Welchen ehrlichen Arbeiter, welchen anständigen Menschen blutet nicht das Herz, wenn er die Zerstörungen sieht, wenn er die Ausschreitungen des Mobs von fanatischen Stoßtrupplern in Ringelsöckchen und Cowboyhemden miterlebt hat, so dass die Ordnung eines Staates, in dem die Arbeiter die führende Rolle haben, trotz aller Schwächen und Fehler, dass diese Ordnung durch die reifere, größere, erfahrenere Arbeitermacht der Sowjets verteidigt werden musste.“ Dazu Heym ohne jeden Anflug von Reue: „Das ist ein sehr schönes Zitat.“
- ARD-Reporterin Randi Crott im Kölner Lokal „Stadtgarten“ bei einem Rock-Konzert: „Weißt du, was das für ein Feiertag ist?“ – Junger Zuhörer: „Der 17. Juni ist der Tag der deutschen Einheit, das sollte man schon wissen.“ – Crott: „Sollte man das wirklich wissen?“
- Moderator Rosenbauer verliest aktuelle Meldungen: „In Bonn zogen etwa 800 CDU-Aktivisten zur DDR-Vertretung, wo dann zehn rechtsradikale Jugendliche wegen nationalistischer Parolen festgenommen wurden.“
- ARD-Reporter Korruhn im „Altberliner Wirtshaus“ von Berlin-Kreuzberg: „Wenn Sie aus dem Fenster gucken, ist die Mauer nur fünf Meter entfernt. Was für Gefühle haben Sie da? “ – Wirtin: „Garnischt…“ – Korruhn: „Aber das ist doch schrecklich, wenn man diesen Todesstreifen sieht!“ – Wirtin: „Das ist ein schönes, ruhiges Feld, das beruhigt meine Wohnung …“ Die Wirtin lacht, Korruhn ebenfalls.
- Danach befragt der Reporter Gäste. Antworten: „Die in der DDR mokieren sich darüber, dass wir auf ihre Kosten einen Feiertag haben.“ – „Die Wiedervereinigung möchte ich persönlich nicht haben…“ – „Ich bin der Meinung, dass wir die DDR-Staatsbürgerschaft anerkennen sollten…“ Ein einziger Befragter erklärt: „Ich bin der Meinung, dass wir in einem freien Land viel mehr tun müssen, dass der 17. Juni immer wieder wachgerufen wird und dass die Leute wissen, wo die Freiheit…“ – Korruhn zieht ihm das Mikrophon weg: „Das tun wir ja gerade.“
- Egon Bahr: „Lieber Stefan Heym! Ohne die Sowjets hätten wir damals vielleicht die Einheit gehabt – ich setze das in Fragezeichen…“ – Heym: „Das war acht Jahre nach dem Krieg, die ganzen Nazis waren noch alle da und sie haben natürlich sofort Morgenluft gewittert…“
- ARD-Amerika-Korrespondent Fritz Pleitgen fragt: „War der 17. Juni ein Putsch, vom Westen gesteuert, oder war es ein Volksaufstand?“
- Der aus der DDR ausgewanderte Schriftsteller Erich Loest: „Stefan Heym hat es gesagt, wir dürfen auch die Nazis nicht vergessen, und jeder Geheimdienst in West-Berlin hat seine Jungs rübergeschickt…“
- ARD-Pleitgen: „Reagan hat ja von der Wiedervereinigung gesprochen …“ – Liedermacher Wolf Biermann: „Ach, der dachte, er spielt in einem Film mit…“
- ARD-Reporter Friedrich Lange befragt einen DDR-Teilnehmer am Evangelischen Kirchentag in Frankfurt: „Verbinden Sie mit dem 17. Juni irgendetwas?“ -Besucher: „Ja – man sollte ihn abschaffen …“
- Der Kabarettist Hanns-Dieter Hüsch trägt vor: „Es war ein schöner Tag und meine Tochter fragte mich: ,Vati, warum hängen denn die Fahnen aus den Häusern?‘ Ich sagte nichts, denn ich hatte mit meinem Frühstück zu tun. Der Kaffee war gut, die Eier waren gut, alles war in Butter… Ich ging auf die Terrasse, um die Geranien zu gießen. Wir haben zwei große Blumenkästen und in jedem Kasten Geranien, wegen der Einheit. Wir haben keine Fahnen, sondern Geranien, zum Glück.“
- ARD-Reporterin Elke Herrmann fragt den SPD-Oberbürgermeister von Saarlouis, Richard Nospers: „Es gab ja für die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft auch schon die erste Bewährungsprobe: vor zehn Tagen ist ein Musiker aus der DDR hiergeblieben. Belastet das Ihr Programm, Ihr Vorhaben?“ – Nospers: „Natürlich ist es nicht besonders angenehm. Aber wir mussten damit rechnen, dass so etwas passiert…“
- Egon Bahr: „Lasst uns aufhören, über die deutsche Einheit zu reden. Es geht nicht um Einheit…“ – Stefan Heym: „Es geht um den Frieden!“ – Egon Bahr: „… damit wir beide überleben.“
- Moderator Rosenbauer: „,Deutschland heute Abend‘ hieß die Sendung. Sollten Sie auch heute Nacht, wie es in einem alten Lied von Heinrich Heine heißt, schlecht schlafen beim Nachdenken darüber – schlafen Sie nicht allzu schlecht!“
Anmerkungen
Hansjürgen Rosenbauer brachte es 1991 als ARD-Moderator („Weltspiegel“) und Talkmaster zum Intendanten des neuen ORB und blieb es bis zur Fusion mit dem Sender Freies Berlin (SFB) im Mai 2003. Im September 2003 wählte ihn der Brandenburger Landtag in den Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg gewählt, allerdings erst im zweiten Wahlgang und nach massivem Druck der SPD auf ihren Koalitionspartner CDU.
Wolfgang Korruhn (1937-2003) kam 1969 zum WDR, wo er u.a. den „ARD-Ratgeber Recht“ moderierte und für den „ARD-Brennpunkt“ arbeitete.
Die Journalistin Randi Crott arbeitet als Redakteurin, Reporterin und Moderatorin beim WDR. Im Fernsehen moderierte sie etwa die „Aktuellen Stunde“, das „ARD-Morgenmagazin“, den „Mausclub“ und „3 nach 9“. Als Fan von Borussia Dortmund moderierte sie zudem „Borussia TV“ im DSF.
SPD-Mitglied Fritz Pleitgen war 1970-1977 ARD-Auslandskorrespondent in Moskau. 1977 ging er nach Ostberlin, nachdem ARD-Korrespondent Lothar Loewe wegen seiner kritischen Berichterstattung am SED-Regime des Landes verwiesen worden war. Bei Pleitgen hatte die ARD Ähnliches nicht zu befürchten, er blieb fünf Jahre auf diesem Posten. 1982 wechselte Pleitgen nach Washington, wo er ganz im Sinne seiner Partei die Politik US-Präsident Ronald Reagans scharf kritisierte. 1987 kehrte er zum WDR nach Köln zurück. 1988 wurde er Chefredakteur des WDR-Fernsehprogrammbereichs „Politik und Zeitgeschehen“. Besonders seine ARD-Kommentare gefielen den Genossen, und 1995 wurde er zum WDR-Intendanten gewählt. Später entzweite er sich mit seiner Partei und näherte sich den Positionen der CDU an, was ihn prompt die Wiederwahl kostete.
Elke Herrmann (1942-2009) wurde 1964 Fernseh-Ansagerin und 1984 Moderatorin der ARD-„Tagesthemen“. Seit 1991 leitete sie die SR-Hauptabteilung Politik und Zeitgeschehen wurde Chefredakteurin Fernsehen und damit auch „Tagesthemen“-Kommentatorin. 2000-2002 war sie auch Stellvertreterin des Programmdirektors.