„Maybrit Illner: „Bis zur letzten Stimme – bleibt Trump an der Macht?“ ZDF, Donnerstag, 5.November 2020, 22.39 Uhr.
Showmaster Thomas Gottschalk hat in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ sowohl den republikanischen Präsidenten Donald Trump als auch dessen voraussichtlichen demokratischen Nachfolger Joe Biden heftig kritisiert.
Wörtlich sagte der Entertainer, der seit 25 Jahren auch in den USA wohnt, über die beiden Bewerber: „Wenn das die Spitze der amerikanischen Politik sein soll, dann gute Nacht!“
Nach dem Wahltag ist noch lange nicht Schluss, denn dann kommen Klagen, Nachzählen und Urteile bis zur höchsten Instanz. Maybrit Illners Gäste:
Die Grüne-Parteichefin Annalena Baerbock klagte über das Gezerre in den USA: „Da ist ein mulmiges Gefühl!“
Entertainer Gottschalk sieht in typischer Ironie Trump als besonders fähigen Berufskollegen.
Die Politologin Constanze Stelzenmüller erkennt „ein heftig gespaltenes Land“.
Martin Richenhagen, Chef des drittgrößten Landmaschinenherstellers der Welt, ist der einzige deutsche Top-500-Manager der USA.
Die Politologin Sudha David-Wilp analysiert: „Trump hat es geschafft, die Demokraten als radikale Linke zu brandmarken!“
Der Trump-Unterstützer Benjamin Wolfmeier ist Pressesprecher der „Republicans Overseas“ in Deutschland.
Trumps gefeuerter Sicherheitsberater John Bolton wird jetzt ständig in Talkshow zugeschaltet, erst gestern bei „maischberger. die woche“.
Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, das volle Programm! Die Talkmasterine startet mit einem ganz eigenen Ton: „Trump ist ein Gewinner dieser Wahl“, stellte sie fest, „selbst wenn er nicht gewonnen hat!“ Hm – sowas war im deutschen Fernsehen nach der heiß umkämpften Wahl bisher noch nicht zu hören.
Gottschalk wollte sich auch nicht lumpen lassen und assistierte: „Für viele Amerikaner ist Trump immer noch der Selfmade-Millionär, der das Land wieder groß macht.“
Danach hieß es in einem ZDF-Einspieler auch noch: „Der Trumpismus wird seinen Erfinder überleben, so oder so“. Nanu? Was ist denn hier los?
Coolste Prognose
Bolton, aus Washington zugeschaltet, setzte den Talk wieder ins gewohnte Gleis. „Es gibt keine Hinweise auf Wahlbetrug“, bilanzierte er ziemlich unaufgeregt. „Es mag vielleicht vereinzelte Unregelmäßigkeiten gegeben haben, wie sie bei jeder Wahl geschehen. Wir werden nicht im Chaos versinken!“
Sein therapeutischer Rat: „Wenn die Leute einmal tief durchatmen, wird ihnen klar werden, dass man einfach die Regeln und Prozeduren befolgt.“
Schlüssigste Strategie
Über Trumps wütende Reaktion sagte der Ex-Sicherheitsberater: „Ich war nicht überrascht. Aber ich glaube, dass viele Republikaner überrascht waren. Es ist ihnen unangenehm, zu sehen, wie wenig dieser Präsident in der Lage ist, sein eigenes Interesse vom Interesse dieses Landes zu trennen.“
Auch für Bolton war die Wahl an diesem Abend noch nicht durch, aber: „Ob Trump nun gewinnt oder verliert, nach den Wahlen werden wir eine ernsthafte Unterhaltung in unserer Partei haben müssen!“
Gretchenfrage des Abends
„Glauben Sie, das Trump freiwillig das Weiße Haus verlässt?“ wollte Illner wissen.
Da macht sich Bolton keine Sorgen: „Unser verfassungsmäßiges Gerüst ist ein sehr stabiles!“ antwortete er. Notfalls müssten wie einst bei Nixon führende Politiker der eigenen Partei den Präsidenten hinauskomplimentieren.
Wichtigste Feststellung
„Es muss klar sein, dass jede Stimme gezählt wird!“ forderte Baerbock. „Amerikas ist nicht Donald Trump, und Donald Trump ist nicht Amerika“, sagte Gottschalk.
Trump-Unterstützer Wolfmeier trug einen Schlips wie von seinem Präsidenten geborgt und ließ sich wie er auch nicht vom Kurs bringen: „Im Gegensatz zu der Berichterstattung in den deutschen Medien ist es nicht so, das Donald Trump die Auszählung von Stimmen stoppen will“, sagte er.
Massivste Vorwürfe
Sondern? „Uns geht es darum, juristisch klären zu lassen, ob es sein kann, dass Wahlzettel, die nach Schließung der Wahllokale eintreffen, gültig sin“, erläuterte der Republikaner.
Außerdem gebe es, so Wolfmeier weiter, noch andere Ungereimtheiten: In Wisconsin etwa bestehe der Verdacht, dass in mehreren Bezirken mehr Leute wählten, als Wähler registriert sind. Anderswo wiederum seien republikanische Wahlbeobachter rausgeschmissen worden.
Schönster Vergleich
Die Talkmasterin staunte: „Dass Sie in manchen Staaten nach der Halbzeit stoppen wollen, weil Sie schon gesiegt haben, in anderen aber für eine Nachspielzeit plädieren, weil Sie noch nicht vorne liegen, das gibt’s nicht mal im Fußball!“
Doch der Trump-Lobbyist verzog keine Miene: „Das ist falsch“, erwiderte er. „Wir sagen nur, dass bestimmte Stimmzettel, die nach der Schließung gekommen sind, nicht zählen sollten. Ob wir vorne oder hinten liegen, spielt dabei keine Rolle!“
Interessanteste Erklärung
„Fünf Monate vor der Wahl haben die Demokraten die Spielregeln für die Briefwahl verändert“, fügte Wolfmeier noch hinzu. „Zu ihren Gunsten, und auch nur in sechs Swing-States, wo sie die Gouverneure stellen.“
„Herrn Richenhagen kann es kaum noch auf den Stuhl halten!“ beobachtete die Talkmasterin. Und tatsächlich, schon polterte der Landmaschinenhersteller los.
Zornigste Attacken
„Ich bin ganz verwundert, dass wir einen Gast haben, der nicht Amerikaner ist, der nicht in Amerika lebt und hier die großen Sprüche macht“, schimpfte Richenhagen. „Ich finde das unangenehm und unanständig! Das ist alles Blödsinn!“
Auch Grüne-Chefin Baerbock lederte los: „Kampagnen mit Lügen! Menschen zu diskreditieren!“ wetterte sie. „Minderheiten unterdrückt! Menschen ihre Rechte genommen! Was Trump dieser großartigen Demokratie angetan hat!“
Vernichtendstes Urteil
„Ich bin entsetzt, dass eine Figur wie Trump die größte Nation der Welt vertreten soll!“ donnerte dann auch Gottschalk aus seinem Monitor in die Runde. „Trump ist kein Mensch, der Komplexes intellektuell begreift, um es dann zu vermitteln!“
Aber, so der Entertainer weiter: „Biden ist ein rechtschaffener, freundlicher alter Herr, dem ich das genauso wenig zutraue.“ Uff!
Konstruktivster Vorschlag
Baerbock ist bloßes Trump-Bashing zu wenig: „Wir sollten nicht mit dem Finger auf die USA zeigen“, meinte sie, „sondern uns fragen: Wie können wir auch in Deutschland Menschen in allen unterschiedlichen Facetten erreichen?“
Ihr Rat: Angesichts der komplizierten Probleme dürfe Politik „nicht in Schwarz-Weiß-Reden verfallen“, sondern es gehe darum, „komplexe Fragen deutlich und einfach mit den Menschen zu diskutieren.“
Sonderbarstes Statement
Dass Trumps überraschendes Wahlergebnis großenteils auf seine Wirtschaftspolitik zurückzuführen sei, wollte Unternehmer Richenhagen auf keinen Fall zugeben: „Wir haben uns trotz Trump ganz prächtig enzwickelt können“, behauptete er stattdessen.
Trotz Trump? In der Runde wird gekichert und gelacht, doch der Landmaschinenhersteller machte unbeirrbar weiter: „Der Trump hat uns nicht besonders gestört, aber es gibt verschiedene Dinge, die er ganz schlecht gemacht hat.“
Dickstes Eigenlob
Allerdings, das gab der Unternehmer denn doch zu: „Die Steuerreform war positiv für die Wirtschaft.“ Aber: „Nicht Trump hat Arbeitskräfte geschaffen, sondern die Wirtschaft. Weil wir uns sehr bemüht haben.“ Tja.
Richenhagens Ärger: „Im Handelskrieg mit China hat Trump vor allem meine Kunden massiv geschädigt. Er war ein schlechter Schachspieler. Die Chinesen haben aufgehört, in Amerika Sojabohnen, Korn, Mais, Hühnchen- und Schweinefleisch zu kaufen.“
Persönlichste Beschwerde
Schlecht für die Landmaschinenbranche! „Mein Geschäft ist 30 Prozent runtergegangen!“ klagte Richenhagen. Sein nächster Vorwurf: Zwar habe Trump der Ölindustrie und dem Bergbau geholfen, aber zu Lasten der Umwelt.
„Die Steuersenkungen haben Sie aber gerne mitgenommen“, vermutete die Talkmasterin.
„Steuersenkungen sind immer gut“, gab der Unternehmer zu. „Für Herrn Gottschalk, und auch für mich. Das finden wir toll. Wir freuen uns auch – das hat Trump auch angepackt -, wenn der Staat effizienter ist.“ Immerhin!
Interessanteste Anekdoten
Einmal in Fahrt, ließ Richenhagen sich launig über Privates aus: „Ich habe denselben Schneider wie Trump“, erzählte er. „Das ist ein Libanese. Ich sage: Ali, kannst du nicht mal mit ihm reden? Da hat der gesagt: Ne, das geht nicht, der hört nicht auf mich.“
Obwohl die Pointe eher flau, lachte sich die Runde schlapp, und Richenhagen war zu weiterem motiviert: „Trump hat massiv zugenommen, will das aber nicht wahrhaben“, schilderte er. „Wenn das Maßband angelegt wird, korrigiert er die Zahlen!“
Schwerster Fall von Eitelkeit
Dann aber redete sich der Erzähler plötzlich in Rage: „Der Trump kann seinen Immobilienkram machen, aber sonst hat er nichts drauf!“ wetterte er. „Ich habe ihn mehrfach getroffen. Ich kann das beurteilen.“ Ujujui!
Einmal, so Richenhagen, habe Trump sein Privatflugzeug neben dem seinen geparkt, ihm eine große Dose Haarspray geschenkt und gesagt: Das wirkt wie Glasfaser. Kommentar des Landmaschinenprofis: „Also der Mann hat einen an der Waffel!“
Mutigste Lobrede
Wolfmeier wollte seinen Präsidenten nicht im Regen stehen lassen: „Die Europäer sind insgeheim dankbar, dass einer es jetzt mal gewagt hat, sich mit China so anzulegen“, meinte der treue Republikaner.
Aber auch die Talkmasterin sah Positives: Die Welt sei durch Trump friedlicher geworden, es gebe eine neue Nahostpolitik, dazu Iran, Nordkorea…“
Doch Politologin Stelzenmüller machte da nicht mit: „Ein amerikanischer Präsident, der Diktatoren und Autokraten umarmt, und Demokraten von sich stößt, oder bestraft, ist für die friedliche Weltordnung eine Gefahr!“ moserte sie.
Wutanfall des Abends
Zum Schluss versuchte es der zähe Trumpianer mit einer Entlastungsoffensive: Die Demokraten wollten Abtreibungen bis zur Geburt erlauben, behauptete er.
Da ging Richenhagen hoch wie eine Rakete: „Das ist wieder eine Unwahrheit!“ wütete er. „Schwachsinn! Halten Sie doch mal den Mund! Nein, ich lasse Sie nicht ausreden! Das ist unmöglich, dass Sie überhaupt eingeladen worden sind!“
Politischstes Schlusswort
Gottschalk brach eine Lanze für die Kampfgruppe 70+: „Grundsätzlich ist es so, dass ich in meinem fortgeschrittenen Alter es natürlich gut finde, wenn ältere weiße Männer, die einzige Zielgruppe, die man ungestraft diskriminieren darf, in irgendeiner Form zeigen, dass sie es drauf haben“, witzelte er.
Aber, so der Showmaster: „Ich glaube, dass ein Land, das Hoffnung braucht, das eine Zukunft braucht, bräuchte eine andere Lichtgestalt an der Spitze.“
Für Gottschalk hat Biden „nichts von dieser Strahlkraft, die Obama hatte, von der Kraft, die ich von einem Politiker verlange, wenn er in eine solche Position kommt.“
Sein Credo: „In Amerika kannst du Pleite gehen und wieder von vorne anfangen. Du kannst politischen Unsinn verzapfen und hinterher sagen: War alles nicht so gemeint. In Deutschland kriegst du das nicht so verziehen.“
Fazit: Trubel ohne Jubel, Härte statt Heiterkeit, dazu viel Lippenlärm, wilde Attacken und Schnelldreher ohne Konsensklebstoff: Das war ein Talk der Abteilung „Schleudertraining“.