„Hart aber fair: „Schulden, Sparen oder Steuern hoch: Wer redet im Wahlkampf ehrlich übers Geld?“ ARD, Montag, 6.September 2021, 21.30 Uhr.
Die einen quälen sich mit angezogener Handbremse bergauf, die nehmen in rasender Schussfahrt sogar noch den Fuß vom Bremspedal.
Die Gäste
Carsten Linnemann (CDU). Der Fraktionsvize der Union fordert jetzt mehr Power auf der Zielgeraden.
Lars Klingbeil (SPD). Der Generalsekretär verhöhnte die CDU-Konkurrenz: „Kandidat kommt nicht an, Kampagne ist chaotisch!“
Jörg Meuthen (AfD). Der Bundessprecher warnte vor einer „Explosion des Spritpreises auf über 2 Euro“.
Tarek Al-Wazir (Grüne). Der hessische Wirtschaftsminister will mal einen Bundesverkehrsminister, „der nicht von der CSU ist“.
Cerstin Gammelin (56). Die Journalistin („SZ“) glaubt, die Kanzlerin wisse, dass Olaf Scholz „eher einen G-20-Gipfel in HH riskieren würde als eine Koalition mit der Linken“.
Merkwürdig: AfD statt FDP, und das bei einem Finanzthema! Aber im Wahlkampf wundert bei den Öffis gar nichts mehr.
Zum Start hängte Linnemann den Unionsfahrplan raus: „Wir wollen den Hunger das Staates nach immer mehr Steuereinnahmen begrenzen. Keine Steuererhöhungen! Keine neuen Schulden!“
Vernünftigste Analyse
„Wenn wir auf eine rezessive Phase stoßen, sind auch keine Steuersenkungen drin“, stellte der Fraktionsvize dazu fest. „Wir brauchen jetzt Wachstum! Einen Aufbruch! Eine Staatsreform! Verkrustete Strukturen aufbrechen! Erst Entfesselung, dann Steuersenkungen!“
Höhnischster Zwischenruf
Dem Talkmaster kam ein legendärer Entfesselungskünstler in den Sinn: „Wer hat denn eigentlich dieses Land in den letzten 16 Jahren gefesselt, dass ausgerechnet von Ihnen jetzt Houdini bemüht wird?“ spottete er.
„Die Politik der Schwarzen Null von Wolfgang Schäuble war wohltuend für dieses Land“, konterte Linnemann und wies ohne falsche Bescheidenheit auf die riesigen Corona-Hilfen hin: „Das war Unionspolitik! Wie jeder normale Bürger mit seinem Geld auskommen muss, müssen auch wir das tun, und das haben wir gezeigt!“
Unverblümteste Gefälligkeitsfrage
Klingbeil vollführte wieder seinen bewährten Polit-Spagat: Wo es gut läuft, sitzt die SPD in der Regierung, wo nicht, ist sie in der Opposition.
Plasberg rollte ihm dafür auch noch den Teppich aus: „Die Forderung nach Steuergerechtigkeit war eine zentrale Forderung von Olaf Scholz“, rühmte der Talkmaster. Seine nur scheinbar kritische Frage: „War er in der vergangenen Legislaturperiode zu schwach, um das durchzusetzen?“
Klingbeil wusste die Steilvorlage zu nutzen: „Wir haben ja sogar Erfolge von Olaf Scholz!“ feierte er seinen Finanzminister. „Die Abschaffung des Soli ist die größte Steuersenkung für die breite Mitte der Gesellschaft, die es seit vielen Jahren gegeben hat!“
Fieseste Unterstellung
Dann holzte der SPD-General wild drauflos: „Immer wenn ein Christdemokrat etwas von Entfesselung der Wirtschaft sagt, muss man Angst haben um Arbeitnehmerrechte, um Arbeitsschutz und Mitbestimmung!“ wetterte er.
Im Unionsprogramm stehe „nichts über den Klimaschutz“, schimpfte Klingbeil weiter, stattdessen „30 Milliarden Entlastung für die Topverdiener, und das wird hier verheimlicht!“
Flotteste Sprüche
Das fand nun sogar Plasberg einen Tacken zu viel: „Ich traue inzwischen Olaf Scholz auch zu, dass er die absolute Mehrheit holt!“ sagte er sarkastisch. Heiterkeit in der Runde!
AfD-Meuthen haute ein paar griffige Parolen raus, z.B. „Wir haben kein Steuersystem, wir haben ein Steuerchaos!“
Tendenziösester Einspieler
Als Zeugen für die besonderen Vorzüge rot-grüner Steuerpolitik rief Plasberg dann den umstrittenen Sozialökonomen Prof. Achim Truger auf. Der Wissenschaftler sitzt auf Vorschlag der Gewerkschaften im Rat der Wirtschaftsweisen und kam jetzt in einem ARD-Kurzfilm zu Wort. Sein erwartbares Urteil nach Durchsicht der Parteiprogramme: „Union, FDP und AfD wollen Besserverdienende und Reiche entlasten.“ Heidewitzka!
Seltsamste Anwürfe
„Man kann die Union jetzt ganz offiziell als Partei der Besserverdienen bezeichnen“, freute sich der Talkmaster.
Linnemann tröstete sich mit dem Hinweis, dass der umstrittene Soli sowieso bald vom Bundesverfassungsgericht gestrichen werde.
„Ich finde es interessant, dass Sie das immer so sagen“, patzte ihn die „SZ“-Journalistin an. „Ich weiß nicht, ob Sie die Richter schon vorab kennen…“ Uff!
Schlauester Trick
„Sollte das Bundesverfassungsgericht so entscheiden wird der Soli natürlich abgeschafft“, gab Al-Wazir zu. „Aber – Achtung, Herr Plasberg! – dann müssten wir natürlich überlegen, wie wir ihn in den Einkommensteuertarif integrieren, weil wir am Ende auf dieses Geld nicht verzichten können.“ Hosianna!
Klingbeil und Linnemann tuschelten und grinsten. Was lief hier denn eigentlich?
Ungewöhnlichster Vorschlag
Meuthen möchte die Mehrwertsteuer auf 15 Prozent senken, weil das die kleinen Leute am besten entlaste, denn „die haben eine hohe Konsumquote“.
Zur Gegenfinanzierung könnten, so der AfD-Bundessprecher, „unsinnige Subventionen“ gestrichen werden. Elon Musk etwa erhalte für ein Batteriezellenwerk in Brandenburg 1,1 Milliarden Euro. Dabei seien Tesla eins der am höchsten notierten Börsenunternehmen und Musk 140 Milliarden Euro schwer.
Verblüffendstes Beispiel
Dann drosch Meuthen auch noch auf die EU ein: „In dem sogenannten Green Deal bekommen Italiener, wenn sie sich eine neue Heizung anschaffen, Subventionen von –Achtung, das ist der sogenannte italienische Superbonus – von 110 Prozent!“ behauptet er. „Aus EU-Mitteln!“
„Eine Milchbubirechnung!“ zweifelt der Grüne.
„Ihr habt schlicht keine Ahnung von Finanzen!“ ärgerte sich Meuthen.
„Kinners!“ mahnt der Talkmaster und verspricht, das Exempel im Faktencheck zu prüfen.
Dann ging der Zoff an die Decke
Klingbeil zog noch mal über das Programm der Union her: „Die wollen Steuern senken, Schulden abbauen, Investitionen“, sagte er heftig gestikulierend, „aber es ist nicht durchgerechnet.“
Seine giftige Frage: „Wie will die Union das finanzieren? Indem man Renten kürzt? Andere Sozialleistungen kürzt? Das verheimlicht die Union!“
Klügster Konter
Linnemann blieb trotzdem gelassen. „Sie bringen immer die Wörter rein, um für sich Werbung zu machen“, rügt er. „Wir wollen keine Renten kürzen. Uns geht es nur darum, dass wir jetzt die Situation nutzen, um nicht umzuverteilen. Wir können doch nicht mit neuen Schulden aus dieser Krise!“
Sein Credo: „Wir brauchen eine Mentalität des Machens! Dass Gründer mal wenig bis gar keine Bürokratie haben! Einfach mal loslaufen können!“
Unfairster Zwischenruf
„Steht Friedrich Merz, das Finanzgesicht der 90er Jahre, für eine Kultur des Machens?“ ätzte Plasberg. „Ist er der Mann, der Aufbruchsstimmung verbreiten soll, auch für junge Leute?“
„Wir müssen jetzt erst mal die Wahl gewinnen“, stellte Linnemann klar. „Die Lage ist ernst, die Zeit ist knapp, und wir müssen deutlich machen, wofür die Union steht!“
Ironischste Idee
Plasberg-Assi Brigitte Büscher fischte einen „kreativen Vorschlag“ zu den Corona-Kosten aus der Post: „Warum hat man nicht den Mut gehabt, dafür den Soli beizubehalten“, hatteeine Zuschauerin gefragt. „An diese einkommensabhängige Abgabe war man doch gewöhnt. Vielleicht hätte man ihn jetzt ‚Krisi’ nennen sollen…“
Heikelstes Thema
Zur vielkritisierten „Steuer-Stasi“ des grünen Finanzministers von Baden-Württemberg fand Kollege Al-Wazir lobende Worte: „Ich glaube, dass Steuergerechtigkeit und der Kampf gegen Steuerhinterziehung am Ende Gesellschaft zusammenführt.“ Ui!
Die Formulierung aus einer Überschrift in BILD nannte den Minister streng „eine ziemliche Verharmlosung der DDR“.
„Hier ist jetzt eine unglückliche Debatte entstanden“, klagte Klingbeil.
„Was die Grünen hier vorschlagen, ist Blockwart-Mentalität!“ grollte Meuthen. „Anonyme Anzeige von Nachbarn! Die können sich jetzt gegenseitig denunzieren. Wir werden zu einem wirklichen Schnüffelstaat!“
Und noch mal Zoff
Einmal in Fahrt, legte der AfD-Mann gleich nach: „Genau das ist der tiefe Geist der Unfreiheit, der durch ihr komplettes Programm wabert!“ schnauzte er seinen grünen Sitznachbarn an. „Wir werden zu einem Aushorch-Staat, zu einem Umerziehungs-Staat. Und die SPD macht da voll mit! Es liegt im Kern an Ihrem sozialistischen Denken!“
„Jetzt haben Sie gerade die Schrotflinte ausgepackt!“ bemerkte Plasberg.
„Jesus, Maria und Josef!“ rief Al-Wazir und reckt die gefalteten Hände zur Decke. „Diese Briefe, diese Anrufe, diese E-Mails gehen ja heute schon bei jedem Finanzamt jeden Tag ein! Und eine Steuerfandung wird erst dann tätig, wenn es ein begründeter Verdacht ist.“ Amen!
Fazit
Heftige Attacken entlang der Parteilinien mit hektischem Empörungsgedöns, routinemäßiger Niveauverweigerung und einem Talkmaster im Steckenpferdgalopp. Das war eine Talk-Show der Kategorie „Meinungskrampf“.