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Vor dem SPD-Parteitag: Riesen-Zoff beim Illner-Talk

„Maybrit Illner: „Fordern, drohen, feilschen – Last Christmas für die GroKo?“ ZDF, Donnerstag, 5.Dezember 2019, 22.15 Uhr.

Einen Tag vor Beginn des SPD-Parteitags zum Nikolaus hat sich der Ex-Parteichef Kurt Beck in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ mit der RTL-Chefredakteurin Tanit Koch ein erbittertes Rededuell geliefert.

Der Wutausbruch des einst an der eigenen Partei gescheiterten Möchtegern-Kanzlerkandidaten wuchs sich dabei zu einer groben Medienschelte aus.

Bitterste Erinnerung

Talkmasterin Illner hatte den Köder dazu ausgeworfen: „Die Urwahl sollte eigentlich bei der SPD für Klarheit sorgen“, sagte sie gleich zu Beginn. „Hat sie aber nicht. Warum soll das jetzt gelingen?“

„Weil es notwendig ist, das Gelingen wieder in den Mittelpunkt zu stellen“, antwortet Beck poetisch und fordert vor allem „Loyalität gegenüber dem Führungspersonal“. Denn: „Das haben wir allzu oft vermissen lassen“ – etwa 2008, als er im Kampf um die Kanzlerkandidatur gegen Frank-Walter Steinmeier unterlag und dann von den Genossen aus dem Amt gemobbt wurde.

Und schon ging der Zoff los

RTL-Chefredakteurin Koch, zuvor BILD-Chefin, machte prompt gleich mal die neue SPD-Spitze nieder: „Ich frage mich nur, wie man Kandidaten aus Reihe 3 jetzt erfolgreich für die Reihe 1 positionieren möchte“, spottete sie.

Ihr Vorwurf nach dem Rückzieher der GroKo-Killer: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans seien „die ersten Politiker weltweit, die ihre Wahlversprechen schon vor der Wahl gebrochen haben!“

Klügste Analyse

Zum SPD-Leitantrag für den Parteitag ab morgen sagt Journalistin: „Die Revolution wurde abgeblasen. Kevin Kühnert hat ja schon die erste Kehrtwende von der Kehrwende verkündet, und wir fragen uns, wie viele da noch folgen werden!

Beck wiegte den Kopf, doch der RTL-Spottgesang ging weiter: „Das Interessante ist ja, dass die beiden designierten Parteivorsitzenden von Kevins Gnaden sind“, lästerte Koch.

Und dann rieb die Journalistin dicke Salz in die Wunde: „Kevin Kühnert selber hat ja wahrscheinlich hochgradig politische Erfahrung“, stichelte sie. „Ob das reicht, diese beiden Drittwahlkandidaten in eine Regierungskompetenz zu führen, die sie ja eigentlich gar nicht wollen…“

Wütendster Konter

Das war mehr als Beck ertragen konnte. Innerlich brodelnd hatte sich alles angehört, jetzt brach es aus ihm heraus: „Erlauben Sie mir zu sagen, dass ich es schwer erträglich finde, dass, wenn jemand neu antritt, man von Drittklassigkeit redet!“ beschwerte er sich. „Das finde ich ungehörig!“

Die Journalistin ließ sich aber nicht einschüchtern: Walter-Borjans habe drei verfassungswidrige Haushalte vorgelegt…

Extrem unfair!“ zürnte Beck.

Das Traurige ist für die SPD, dass es erstklassige Kandidaten gegeben hätte“, sagte Koch gelassen, und die Talkmasterin assistierte: „Manuela Schwesig, Franziska Giffey“…

Wutanfall des Abends

Jetzt war Beck so richtig angepisst und rief sein bekannt hohes Empörungspotential ab: „Ich finde es furchtbar, wie Sie argumentieren!“ schnauzte er die RTL-Journalistin an. Walter-Borjans sei „ein exzellenter Finanzfachmann“.

„Sie behaupten hier Dinge in der Öffentlichkeit, die kein Mensch so belegen kann!“ warf er Koch dann im Trump-Stil vor. „Äußerst unfair, und unsauber in der Argumentation!

„Drei verfassungswidrige Haushalte!“ wiederholte die RTL-Journalistin genüsslich.

Das ließ sich allerdings nicht bestreiten, und Beck musste sich mit einem ärgerlichen „Ach!“ begnügen. Aber nur vorerst.

Letztes Gefecht

Illner wollte es damit nicht gut sein lassen, sondern pustete eifrig auf den glimmenden Docht: Wenn man Walter-Borjans zum neuen Finanzminister machen würde, sinnierte die Talkmasterin, dann könnte er sich ja als der exzellente Finanzfachmann bewähren…

Wir haben einen exzellenten Bundesfinanzminister!“ sagte Beck sauer und legte noch mal los: „Ich erwarte ein bisschen Respekt vor Menschen, dass sie nicht so runtergemacht werden, bevor sie eine Chance hatten…“

Doch mit dieser Art Moral kam er nicht durch: „Dann hätten Sie ihnen (Esken und Walter Borjans) mal sagen sollen, dass sie einen anderen Kandidaten wie Herrn Scholz auch nicht so hätten runtermachen sollen“, konterte Koch und macht den Punkt.

SPD und Union beim Koalitions-Mikado: Wer als erster zuckt, verliert. Die neuen SPD-Führungsfiguren kannte vorher kaum jemand, aber alle wissen, wer in den Kulissen an den Fäden zieht: Kevin Pokerface, der Liebling der linken Funktionäre.

Witzigstes Zwischenspiel

Aus dem Berliner „Tipi“ meldete sich ZDF-Hauptstadtstudioleiter Theo Koll: Der Ort habe eine „bizarre Doppelfunktion“, meinte er. Das „Tipi“ liege „ganz nahe am Kanzleramt“, aber „es ist auch der Ort, wo ansonsten Kabarett gespielt wird.“ Darauf allgemeine Heiterkeit im Studio!

Spannend fand der ZDF-Mann nach dem weichgespülten Leitantrag  eigentlich nur noch die drohende Kampfabstimmung zwischen Hubertus Heil und Kevin Kühnert um den Posten des dritten Stellvertreters. Allerdings, so Koll: „Es wird schon darüber spekuliert, dass man auf vier Stellvertreter geht…“ Halleluja!

Klarste Kante

Beck pumpte seine Position noch mal mit Allgemeinplätzen auf: „Die Welt ist voller Probleme … Ich möchte ein handlungsfähiges Deutschland mit einer handlungsfähigen Regierung … Es geht um die Zukunft der Menschen in Deutschland…

Doch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) ließ ihm gleich die Luft aus der Liege: „Wir erwarten, dass die SPD sehr klar sagt, wo sie hin will!“ Dafür gab es Beifall.

Und gleich wieder Zoff

„Das ist mir wirklich zuwider, dass die CDU die Grundrente jetzt für taktische Spielchen nutzte“, kommentierte Ex-Juso-Chefin Johanna Uekermann die Warnung, das parlamentarische Verfahren zu dieser wichtigsten SPD-Errungenschaft könne nur beginnen, wenn die Koalition intakt bleibe. Uekermanns Vorwurf: „Politik auf dem Rücken von 1,5 Millionen Menschen, die die Respektrente kriegen für ihre Lebensleistung…“

„Wir haben gemeinsam vereinbart, dass wir ins parlamentarische Verfahren gehen, wenn die SPD weiß, ob sie zu dieser Koalition steht!“ stellte Hans klar. „Wir werden mit der neuen SPD-Führung genauso reden wie mit der alten. Aber das geht nur auf der Basis des Koalitionsvertrages!“

Gretchenfrage des Abends

Illner nahm sich den Vertrag daraufhin nochmal vor. „Hat Olaf Scholz schlecht verhandelt?“ fragte sie. „Würde Norbert Walter-Borjan das jetzt besser machen?“

Doch die Ex-Judo-Chefin mochte sich nicht den Mund verbrennen, lieber setzte sie auf Bewährtes: „Wir wollen nachschärfen, vor alle beim Klimaschutz!“ Irgendwas geht da bekanntlich immer.

Gewagteste These

Wann ist die GroKo retro? RTL-Koch hatte eine interessante Vermutung dabei: Die SPD-Fraktion werde einem Koalitionsbruch nicht tatenlos zusehen, meinte sie. Denn allzu viele Abgeordnete müssten bei Neuwahlen um ihr Mandat fürchten.

Und wenn die Bundeskanzlerin tatsächlich die Vertrauensfrage stelle, so die Journalistin weiter, könnte es sogar sein, dass Merkel eine geheime Abstimmung mit Stimmen aus der SPD-Fraktion gewinne.

Dramatischster Ausruf

Beck witterte parteitaktische Manöver und präsentierte sich geschockt: „Hier wird gespielt mit der Zukunft des Landes!“ empörte er sich.

Hans dagegen wollte das Ganze niedriger hängen: „Denken Sie mal an die Facharbeiter, die Sie immer gewählt haben!“ empfahl er dem SPD-Urgestein.

„An die denke ich schon!“ verteidigte sich Beck schwer genervt.

„Das freut mich“, erwiderte Hans. „Meine Hoffnung ist, dass Sie sich damit auf Ihrem Parteitag auch durchsetzen…“ Rumms!

Toxische Debatte, Argumente aus der Schrottpresse und immer wieder Reinfälle in selbst gegrabene Frustlöcher: Das war ein Talk nach dem Motto „Not kennt kein Gebot“.

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