„Maybrit Illner: Trump, Corona und die Weltwirtschaft – wie hart trifft es Deutschland?“ ZDF, Donnerstag, 9.Juli 2020, 22.15 Uhr.
Der Virologe Prof. Hendrick Streeck hat in der ZDF-Talkshow mit der Erklärung geschockt, er halte weitere große Ausbrüche des Virus für sehr wahrscheinlich.
Wörtlich sagte der Wissenschaftler: „Wir müssen uns von diesem Gedanken verabschieden, dass wir das Virus irgendwie komplett austreiben können. Es ist da, es wird bleiben, und es wird auch Teil von unserem Alltag werden.“
Mehr noch: „Ich rechne damit, dass es eine zweite, eine dritte Welle geben wird“, warnte der Virologe. „Wir haben so ein dauerndes Auf- und Abwabern, wie wir das bei allen Corona-Viren kennen. Mit Hotspots wie in Gütersloh werden wir immer wieder rechnen müssen.“
Bitterste Erkenntnis
„Wir können nicht auf ein Allheilmittel, auf einen Impfstoff oder ein Medikament warten“, machte Prof. Streeck zum Schluss klipp und klar. „Sondern wir müssen die Souveränität erlangen, dass unser Alltag nicht ‚nach Corona‘ ist, sondern ‚mit Corona‘ sein wird. Hoffnung ist angebracht, aber Vorhersage unseriös.“
Das verheerende Virus und der wilde US-Wahlkampf sind die Mega-Themen in der zweiten Jahreshälfte. Maybrit Illners Gäste:
- Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist die coolste Beruhigungspille in der deutschen TV-Talk-Therapie.
- Die Linke-Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sah ihr Amt zuletzt nur noch als Last, kann jetzt endlich freischwebend losknallen.
- Die Juristin und Finanzberaterin Sandra Navidi ist eine ausgewiesene Anti-Trump-Expertin.
- Die Wirtschaftsforscherin Prof. Monika Schnitzer fordert: „In der EU muss Geld von reichen zu armen Ländern fließen!“
- Die Transatlantikerin Sudha David-Wilp stellt fest: „Trump versucht, von der Pandemie abzulenken!“ Streeck muss sich wegen seiner Heinsberg-Studie viel Kritik anhören, bleibt aber tapfer im Meinungskampf aktiv.
Hier tagte und talkte der Verein für deutliche Aussprache, und Zoff gehört zum Standardprogramm!
Zum Start ein dickes Eigenlob
Der CDU-Minister wollte die Linke-Politikerin gleich abblocken, noch bevor sie die erwartbaren Attacken reiten konnte: „Wir haben es geschafft, parteipolitischen Streit beiseite zu stellen“, lächelte er listig.
Wagenknecht nahm dafür erst mal den US-Präsidenten aufs Korn: Trump stelle mit seinen riesigen Staatshilfen nur die Lobby zufrieden, die seinen Wahlkampf finanzieren solle, schimpfte sie. Ihr scharfer Vorwurf: „Das Geld kommt nicht dort an, wo es gebraucht wird!“
Interessanteste Perspektive
Prof. Schnitzer gab Trumps Abschottungspolitik sogar Recht: Ein großes Land brauche nicht so viel Außenhandel wie ein kleineres, meinte sie.
Doch dann kam ein dickes Aber: „Die USA waren in den letzten Jahren so unglaublich erfolgreich, weil sie aus der ganzen Welt die klügsten Köpfe angezogen haben“, erklärte die Expertin. Das werde sich jetzt durch Trumps Politik ändern.
Vorschlag und Vorwurf
Ihre Hoffnung: „Das ist unsere Chance“, sagte Prof. Schnitzer. „Wir müssen jetzt Werbung machen, um die Besten nach Deutschland zu holen!“
Da war auch Wagenknecht dabei, denn: „Das Problem ist, dass wir seit Jahren technologisch zurückfallen“, klagte die Linke-Politikerin, „und dass viele Unternehmen bequem geworden sind in einem Umfeld, das für sie sehr vorteilhaft war.“
Wichtigste Forderung
„Es gab im Bereich der Industrieproduktion, vor allem im Automobilbereich, im letzten Jahr deutliche Ermüdungserscheinungen“, gab Altmaier zu. „Wir haben deshalb einen Reformbedarf, der weit über das Thema Pandemie hinausreicht!“
Seine Hoffnung: „Wir müssen viel innovativer werden! Wir müssen bei den neuen Technologien vorne mit dabei sein!“
Listigster Seitenhieb
„Da würde ich mir wünschen, dass das, was die Kollegin Wagenknecht sagt, von ihrer Partei mit vollem Herzen mitgetragen wird“, meinte der Minister. Denn: „Oftmals haben wir es mit Einwänden und Widerständen zu tun.“
„Das Problem ist, dass wir viele Jahre verschlafen haben, weil die Regierung in ihrer Marktgläubigkeit auf eine konsistente Industriepolitik völlig verzichtet hat!“ keilte die Linke-Politikerin zurück.
Dann lederte sie los: „BMW schüttet in diesem Jahr eine dicke Dividende aus!“ wetterte sie. „Allein zwei Leute, das Geschwisterpaar Quandt und Klatten, kriegen 770 Millionen! Mitten in der Krise!“
Wagenknechts populistische Rechnung: „Allein von diesem Geld hätten sie die Gehälter ihrer Kurzarbeiter problemlos bezahlen können! Wir subventionieren indirekt Dividendenzahlungen!“
Härtester Vorwurf
Und die Linke legte noch mal nach: „Sie haben noch Anfang des Jahres Unternehmen gestützt, die Dividenden ausgezahlt haben, TUI zum Beispiel“, hielt sie dem Minister vor. „Adidas hat in den letzten Jahren seine Anleger mit riesigen Ausschüttungen verwöhnt und dann natürlich keine Reserven gehabt!“
Wichtigste Klarstellung
„Das Kurzarbeitergeld wird nicht an Unternehmen gezahlt, sondern an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, damit diese ihren Arbeitsplatz behalten“, hielt Altmaier gegen.
Sein Versprechen: „Wenn es Stützungsmaßnahmen für Unternehmen gibt, dann dürfen keine Dividenden gezahlt werden, dann müssen die Vorstände Einschnitte bei ihren Vergütungen hinnehmen.“
Und, auch das brachte der Minister noch unter: „Wenn Unternehmen zu einem Zeitpunkt, wo es noch gar keine Einschränkungen durch Corona gab, Dividende ausgezahlt haben, dann kann das kein Grund dafür sein, dass wir jetzt Arbeitsplätze vor die Hunde gehen lassen!“
Lautester Alarmruf
Wagenknecht setzte noch mal zu ihrem geliebten USA-Bashing an: „Was Donald Trump seit Jahren macht, mit einer enormen Aggressivität, ist ja, die Interessen seiner Volkswirtschaft, seiner Unternehmen zu vertreten“, schimpfte die Linke-Politikerin. Hm – ein Präsident, der die Interessen seine Wirtschaft vertritt? So ganz verwerflich klingt das eigentlich nicht.
„Ich sehe auch mit großer Sorge unsere Abhängigkeit im Digitalbereich“, wetterte Wagenknecht weiter. „Unsere Daten werden alle in den USA ausgewertet. Es gibt eine ganz enge Liaison zwischen diesen Silicon-Valley-Unternehmen und den amerikanischen Geheimnisdiensten. Das ist bedrohlich!“
Kühlster Konter
Auch Trumps Kampf gegen Putin und Xi passt Wagenknecht nicht. Expertin David-Wilp sah das ganz anders: „Sanktionen gegen Russland und ein harter Kurs gegen China, ja, das machen die USA“, bestätigte sie ungerührt, „aber das ist gut für die Welt!“
Denn, so die knappe Begründung der Transatlantikerin: „Amerika macht die Schmutzarbeit, und Deutschland profitiert davon.“ Rumms!
Klarste Feststellung
„Ich denke nicht, dass Firmen wie Google und Microsoft Daten an die US-Regierung schicken“, fügte die Amerikanerin noch hinzu. „Sie sind auch involviert, die Privatsphäre zu schützen. Und sie wollen Geld verdienen. Wir haben eine Free-Market-Wirtschaft, und das ist gut so!“
Über sich selbst sagte Sudha David-Wilp: „Ich bin froh, dass meine Eltern aus Indien ausgewandert sind und die USA gewählt haben. Man kann den amerikanischen Traum in Amerika leben. Aber wir müssen das System reformieren: Bessere Gesundheitsversorgung, Ende von Rassismus und Diskriminierung…“
Fazit: Die Paradethemen der Talk-Szene wirken inzwischen ziemlich ausgelutscht, denn den Experten fehlen neue Erkenntnisse, und den Politikern geht der Dampf aus. Das war eine Talkshow der Kategorie „Flasche leer“.