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Überraschung bei Illner. Kühnert: Das Kanzler-Basta war gar nicht nötig

Maybrit Illner: Energie, Krise, Inflation – trifft es Deutschland am härtesten?“ ZDF, Donnerstag, 20.Oktober, 22.15 Uhr.

Die Wirtschaft geht am Stock: Atomstreit vertagt, Gas superteuer, galoppierende Geldentwertung, explodierende Zinsen, Arbeitskräfte-Alarm! Maybrit Illner macht sich große Sorgen. Ihre Gäste:

Jens Spahn (42, CDU). Der Unionsfraktionsvize wettert: „Grüne lassen lieber mehr vom gesundheitsschädlichen Klimakiller Kohle ans Netz als klimaneutrale, emissionsfreie Kernkraftwerke!“

Kevin Kühnert (33, SPD). Der Generalsekretär versprach vor drei Wochen bei „Anne Will“: „Die Menschen werden das, was sie jetzt an Betriebskosten in den Briefkasten kriegen, am Ende nicht zahlen müssen.“

Sara-Lee Heinrich (21). Die Bundessprecherin der Grünen Jugend hantiert locker mit schwersten Kalibern: „Es gibt keine Wirtschaft auf einem toten Planeten!

Siegfried Russwurm (59). Der Industrie-Präsident warnte vor fünf Wochen bei Illner: „20 Prozent der Mittelständler haben schon entschieden oder überlegen, die Produktion aus Deutschland wegzuverlagern!“

Prof.Gabriel Felbermayr (46). Der Ökonom twittert: „Deutschland rutscht 2023 in die Rezession!“

Helene Bubrowski (41). Die Journalistin (FAZ) empfiehlt: „In Krisenzeiten gilt es, sich von eigenen ideologischen Schranken freizumachen.“

Das Zoff-o-Meter staunt: Das Meinungskarussell dreht sich immer um das gleiche Thema, aber trotzdem immer schneller!

Bedenklichste Erklärung

Der SPD-General will erst mal das autoritäre Kanzler-Basta etwas niedriger hängen: „Es gibt nicht wenige, die bei dem Machtwort von Olaf Scholz sagen: Streng genommen hätte es gar nicht einer Richtlinienkompetenz bedurft“, behauptet er.

Denn, so Kühnert über die Streithähne Habeck und Lindner: „Die Protagonisten, die über Wochen darum gerungen haben, haben ja nun beide am Ende gesagt, damit können sie gut leben. Hier musste nur einer das aussprechen, was zwei andere vielleicht vorher schon im Kompromisssinne im Kopf hatten, aber nicht aussprechen konnten.“ Alles Theater oder was?

Gründlichste Kanzlerschelte

„In 16 Jahren Angela Merkel hätte es das nie gegeben“, schimpft Fraktionsvize Spahn über das Scholz-Basta. „Die nächste Ausfahrt ist die Vertrauensfrage! Mehr kann ja ein Kanzler nicht mehr machen, um den Laden zusammenzuhalten. Und dann noch in so einer kleineren Lösung! Das sagt etwas über den Zustand der Koalition mitten in einer schweren Krise.“

„Es wäre stärker gewesen, hätte er diesen Machtwort nicht gebraucht“, assistiert FAZ-Journalistin Bubrowski. „Man wusste bis zum Ende nicht, was Olaf Scholz eigentlich will.“

Eindringlichste Warnungen

„So günstig werden wir nicht mehr an Energie kommen“, sagt BDI-Chef Russwurm voraus. „Damit ändert sich etwas für die Grundfesten dieses Industrielandes, für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit.“

„Es geht bergab mit Deutschland“, prophezeit ein ZDF-Einspieler, „weil wir aus allen Energien aussteigen wollten, bevor wir in neue richtig eingestiegen sind.“

Was jetzt verlorengeht, kommt nicht mehr wieder“, ahnt Prof. Felbermayr. „Diese Reduktion des Wohlstandes wird Deutschland lange erhalten bleiben. Es ist ein Stück weit der perfekte Sturm!“

Sportlichste Klarstellung

Kühnert erläutert ein anderes Kanzlerwort: „‘You never walk alone‘ heißt nicht: Wir bauen dir ein Himmelbett, und da fallen alle auf Federn“, spottet er.

Begründung des SPD-Generals: „Man kann den Satz als Fußball-Chant-Entlehnung mehr oder weniger originell finden, aber was soll denn die Alternative sein?“

Nüchternste Erkenntnis

Wir werden nicht alle so stellen können, als gäbe es diese Krise nicht“, macht Spahn klar. Finanziell überfordert seien „viele bis weit in die Mitte hinein“, etwa „Familie mit 2500 Euro netto, zwei, drei Kinder, und die Gasrechnung vervierfacht sich. Da geht’s nicht nur um Urlaub streichen!“

Seine Sorge: „Ich weiß, bei mir in meinem münsterländischen Dorf, wenn da der Bäcker zumacht, der wird nie wieder aufmachen.“

Süffigster Vergleich

„Wir wissen bis heute nicht: Was ist eigentlich der Vorschlag der Bundesregierung konkret? Mit was können die Bürger planen, mit was kann die Industrie, die Wirtschaft planen?“, murrt der CDU-Mann dann. Kühnert fixiert ihn mit zusammengekniffenen Augen: Jetzt geht’s ans Eingemachte!

Und dann zieht Spahns vom Leder: „Morgen soll abgestimmt werden, im Bundestag, ein 200-Milliarden-Blanko-Wumms-Scheck. Keiner weiß wofür. Die Ampel wird morgen neue Schulden beschließen. Das ist, wie wenn man in der Kneipe den Bierdeckel bezahlt, bevor überhaupt klar ist, wieviel Bier getrunken wird.“ Prost Mahlzeit!

Parteiischste Attacke

Prompt springt das Zoff-o-Meter an. „Ich finde es wirklich sehr gut, dass die CDU gerade in Zeiten der Opposition ihr soziales Gewissen nach der langen Groko-Zeit wieder entdeckt hat“, motzt Grüne-Jugend-Chefin Heinrich.

„Die Groko war eine ziemlich soziale Veranstaltung“, wehrt sich Spahn.

„Das lag übrigens selten an euch“, ätzt Kühnert.

Trotzdem geht es mir total auf die Nerven, wie das plötzlich zu einem parteitaktischen Hin und Her wird“, beschwert sich Heinrich. Wie bitte? Ausgerechnet die Grünen mosern über Parteitaktik? Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche!

Giftigster Vorwurf

Kühnert stimmt noch mal die Fußball-Hymne an und bewertet dabei die Staatshilfen. „Ist das alles Oscarpreisverdächtig? Nein!“, gibt er mit unschuldig ausgebreiteten Armen zu. „Hätte man mit allem auch zwei oder drei Monate früher anfangen können? Ja.“

Nach diesem Eingeständnis fällt der SPD-General gleich wieder in alte Muster zurück und kritisiert die Kritiker: „Interessant, dass das von denen kommt, die vor sechs Monaten wie Herr Spahn noch beim Gasembargo waren“, blafft er den CDU-Mann an. „Da sehen Sie mal, wie schnell Sie die Bäumchen wechseln!“

Wichtigste Ankündigung

„Wir werden spätestens Anfang nächsten Jahres über einen Industriestrompreis in Deutschland zu sprechen haben“, erklärt Kühnert dann, „weil es hier um internationale Konkurrenzfähigkeit geht.“ Hosianna!

Rasantester Salto

Der Gegenwind für den Scholzschen 200-Milliarden-Wumms bringt den SPD-General in Rage: „Was sind wir denn bereit, an volkswirtschaftlicher Substanz preiszugeben, wenn wir jetzt so kleinkrämerisch anfangen, über diese Summen zu sprechen!“, empört er sich.

Wie bitte, kleinkrämerisch? Flugs funktioniert Kühnert den Lapsus in einen Vorwurf um gegen Spahn um: „200 Milliarden sind viel, aber in der Großen Koalition hatten Sie weniger Hemmungen, mit uns größere Pakete zu schnüren. Und da hatten wir auch nicht auf dem Bierdeckel alles bis auf den Cent desklariert.“ Heidewitzka!

Wichtigste Voraussetzung

Der Industrie-Chef stellt den umgekippten Talk wieder auf die Räder. „Ich halte es wirklich für wichtig, schnell zu helfen“, beruhigt er. „Aber wir kommen nicht weiter, wenn wir nicht die Langfristperspektive aufmachen.“

Entscheidende Frage, so Russwurm weiter: „Was ist denn der neue Normalzustand? Denn wenn wir den nicht erreichen, und mit dem nicht umgehen können, dann können wir Jahr für Jahr dreistellige Milliardenbeträge verteilen, aber damit nur die Schulden erhöhen. Ich habe gelernt, dass man Schulden irgendwann auch wieder bezahlen muss!“

Erschreckendste Zahl

„Durch schwierige Krisen durchzutauchen, auch mal den Hintern zusammenzuklemmen, das schaffen viele Leute“, führt Russwurm hinzu. „Aber wenn keine Perspektive da ist?“

Seine aktuelles Problem: „40 Prozent der Mittelständler, die auf unsere Umfrage geantwortet haben, sagen: in der aktuellen Situation können wir es uns nicht leisten, die Investitionen zu machen, die wir inhaltlich schon geplant haben.“ Uff!

Drastischster Appell

Zum CO2-Ziel verspricht der Industrie-Chef mit energischen Handkantenhieben auf die Tischplatte: „Dazu stehen wir. Aber wir müssen dazu jetzt einen konkreten Plan machen: Wer macht was bis wann? Wer baut’s? Wer plant’s?  Wer finanziert’s? Und wer betreibt’s? Und ja, für welchen Profit? Denn Unternehmen arbeiten nur, wenn sie damit Geld verdienen!“

„Diese Hausaufgaben müssen wir schnell machen!“, fordert Russwurm. „Vorher ist jede Diskussion über ein Zieljahr Kokolores. Wer finanziert denn die Backup-Kraftwerke, die am Oktoberabend, wo weder Solar noch Wind uns hilft, trotzdem dafür sorgen, dass hier die Scheinwerfer gehen?“

Letzte Mahnung

„Wir können noch so viel Wind und Solar ausbauen in den nächsten drei, vier fünf Jahren, da bin ich sofort dabei“, meldet sich Spahn, und Kühnert zieht überrascht die Augenbrauen hoch.

Zu früh, denn der CDU-Mann hat noch nicht fertig: „Bis die Speicherkapazitäten da sind, und die kosten übrigens Geld, werden noch mindestens zehn, 15 Jahre vergehen“, fügt Spahn hinzu. „Und da rate ich, jetzt nicht überall schon wieder Tabus aufzubauen. Wir brauchen bis 2030 bis zu 40 neue Gaskraftwerke. Ich sehe nicht, dass die irgendjemand baut.

Sein Schlusswort: „Es baut keiner ein Kraftwerk, nur weil Herr Scholz einen Brief schreibt.“

Zitat des Abends

Es kann sich nur eine Wirtschaft transformieren, die noch am Leben ist. Eine Raupe, die tot ist, wird nicht mehr zu Schmetterling.“ Kevin Kühnert

Fazit

Weites Feld, aber nur wenig frisches Gras: Das war eine Talkshow der Kategorie „Wiederkäuer“.

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