„Hart aber Fair: Die letzten Tage des Donald Trump. Gelingt ein Machtwechsel ohne weitere Gewalt?“ ARD, Montag, 18.Januar, 21 Uhr.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Grüne-Chefin Annalena Baerbock haben sich in der ARD-Talkshow „Hart aber Fair“ am Montag heftig über die Ostsee-Pipeline „Nordstream 2“ von Kreml-Chef Wladimir Putin und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestritten.
Eigentlich sollte sich in der Sendung alles um die letzten Amtstage des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump drehen. Doch nach der Hälfte der Sendung ging es vor allem um Zoff zwischen deutschen Politikern besonders aus der CDU. Die Gäste:
Altmaier möchte mit den Amerikanern rasch eine neue Klimaallianz schmieden.
Baerbock warnt nach dem Sturm aufs Kapitol vor der AfD: „Rechtspopulisten nutzen die Macht, um die Demokratie von innen auszuhöhlen!“
Die US-Politologin Cathryn Clüver Ashbrook schimpft über Trump: „Man kann ihm kein einziges Wort glauben!“
Der US-Journalist Matthew Karnitschnig(„Politico“) nennt das Impeachment-Verfahren gegen Trump „unausweichlich“.
Der „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni wanderte einen schmalen Grat: Sein amerikanischer Schwiegervater lobt Trumps Agenda.
Viel los! Der Wirtschaftsminister hört plötzlich Sägegeräusche an seinem Stuhl, und der Lockdown wird noch härter. Plasberg wollte aber trotzdem über Trump reden. In Washington haben sie sich allerdings jetzt lange genug gefetzt. Höchste Zeit, dass dort mal wieder Politik gemacht wird!
Ein ARD-Einspieler brachte den Talk auf Betriebstemperatur: Trump sei, so Plasberg, als „Lachnummer“ gestartet, doch zum Schluss kam der Sturm aufs Capitol.
Unerwartetste Antwort
„Wenn man mitbekommen hat, wozu dieser Mann am Ende fähig war“, sagte der Talkmaster leicht beklommen, „kann man da fast sagen, Amerika hat noch Glück gehabt, und die Welt auch, dass in den vier Jahren nichts Schlimmeres passiert ist?“
„Er wird wahrscheinlich nach Jahrzehnten der erste republikanische Präsident sein, der keinen Krieg oder Waffengang größerer Art angezettelt hat“, antwortete Zamperoni. Hm – damit hatte Plasberg jetzt offenbar nicht gerechnet.
Außerdem, so der „Tagesschau“-Moderator weiter: „Man darf nicht vergessen, dass Trump nur ein Symptom dafür ist, was in Amerika an Spaltung da ist!“
Vernichtendster Urteilsspruch
Baerbock ging mit dem Noch-Präsidenten wesentlich härter ins Gericht: „Der Trumpismus hat sich in die Gesellschaft, in die Demokratie, eingefressen wie ein Gift“, schimpfte sie los. „Hass und Hetze! Dass Lüge Programm ist! Dass man auf Minderheiten offen draufschlägt!“
Schlimmster Verdacht
Über das zunächst fast ungehinderte Eindringen ins Capitol sagte Clüver Ashbrook: „Wir wissen seit einigen Tagen, dass es sehr wohl Hilfe gegeben hat, und wohl auch Koordination.“
„Es sah zunächst aus wie komplett rohe Gewalt“, erläutert die Politologin, „aber jetzt wissen wir, dass Teilnehmer des Demonstrationszuges Knöpfchen im Ohr hatten. Und dass sie sich abgesprochen haben: Wie kommt man am leichtesten an die Herzstücke der amerikanischen Demokratie?“
Noch erschreckender: „Die haben ganz spezielle Menschen gesucht, wie die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi“, schilderte Clüver Ashbrook erschüttert. „Sie haben den Vizepräsidenten Mike Pence gesucht, und draußen eine Guillotine aufgebaut…“
Konstruktivste Kritik
Karnitschnig sah auch eine Verantwortung der europäischen Politik: „Sie hat insofern einen Fehler gemacht, dass sie die Republikanische Partei in den letzten Jahren vernachlässigt hat“, tadelte der Journalist.
Trump überhaupt nicht akzeptiert zu haben, sei „strategisch nicht so klug“ gewesen, meinte Karnitschnig weiter. „Wenn man mit CDU/CSUlern spricht, merkt man sehr schnell, was sie von den Republikanern halten. Die Schnittmengen sind nicht mehr sehr groß!“
Seine Warnung: „Das wird in den kommenden Jahren, wenn sich die Republikaner neu erfinden, Nachwirkungen für die deutsche Politik haben!“
Verstiegenster Vergleich
„Wir müssen es immer wieder sagen: Es ist die große Lüge gewesen“, sagte Clüver Ashbrook über Trump. „Es ist die Hitler-Goebbelssche große Lüge gewesen!“
Plasberg verstand die Empörung der Demokratin, wollte den Satz aber nicht stehen lassen: „Ich finde, Hitler- und Goebbels-Vergleiche gehen immer schief, denn das war einzigartig.“
Reizthema des Abends
Ein ARD-Einspieler zeigte, dass sich nach Trump auch Biden klar gegen Putins Pipeline durch die Ostsee positioniert. Plasbergs Frage an den Wirtschaftsminister: „Was sagen Sie denn Ihrem neuen amerikanischen Kollegen, wenn der jetzt auf Sie zukommt und sagt: Lasst das mit dem Russengas!“
„Wenn Biden und seine Leute sagen, bad deal for Europe, dann ist das ihr demokratisches Recht“, antwortete Altmaier. „Die neue Administration wird Nordstream nicht lieben. Sie werden versuchen, es zu verhindern, möglicherweise.“
Feurigste Verteidigungsrede
Dann zeigte der Minister, was ihn für die Kanzlerin so
wertvoll macht: Er feuerte ein Stakkato von Argumenten
für Berlins energiepolitischen Sonderweg ab. „Seit zehn
Jahren geplant!“ sagt er, beide Hände fest auf dem
Pult. „Milliarden Euro auch von privaten Unternehmen
aus halb Europa! Aus sechs Ländern Genehmigungen!“
„Diese Pipeline war von Anfang an hart umstritten!“ hielt Baerbock dagegen. „Ich finde es fatal, dass die deutsche Bundesregierung sich seit Jahren nicht nur gegen die USA, sondern gegen so gut wie alle europäischen Länder stellt!“
Und: „Die neue US-Regierung ist so auf Zinne, weil diese Pipeline darauf angelegt ist, die Ukraine zu umgehen! Das ganze Projekt vom Kreml, von Gazprom ist, die Ukraine am Ende abzuschalten!“
Baerbocks Zorn: „Wir sehen ja, was wir in der Ukraine an kriegerischen Auseinandersetzungen haben! Da muss sich eine deutsche Bundesregierung deutlich positionieren!“
Aufschlussreichste Entgegnung
Altmaiers zufriedenes Lächeln war bald verschwunden, und er kam jetzt mit Formalien: Der Ministerrat habe die Pipeline beschlossen, Grundlage sei europäisches Recht, die rotgrüne Koalition habe einst den Gasmarkt liberalisieren wollen…“
Dass der Chef dieser Koalition inzwischen für Putin arbeitet, fiel dabei unter den Tisch. Außerdem gebe es ja Terminals für Flüssiggas, auch aus den USA, schob der Minister noch nach. Schlusswort: „Wir wollen, dass der Gasmarkt frei und die Energieversorgung gewährleistet ist.“ Halleluja!
Kürzeste Zusammenfassung
„Auch Joe Biden wird ‚America First‘ als Ausrichtung seiner Politik haben“, sagte Zamperoni voraus. „Joe Biden hat den Wahlkampf gewonnen, aber er darf nicht den Frieden verlieren.“
„Alle sind gegen ‚Nordstream 2‘, bis auf die Deutschen und die Österreicher“, stellte Journalist Karnitschnig fest.
Heftigste Vorwürfe
Dann zählte der Journalist russische Untaten auf: „Putin hat diesen Tschetschenen im Tiergarten um die Ecke von Herrn Altmaiers Ministerium umbringen lassen! Er hat Nawalny vergiftet! Jetzt sitzt Nawalny wieder in Haft, in Moskau, und was hört man aus der deutschen Politik? Eigentlich nix!“
„O doch!“ widersprach Altmaier, unternahm aber keine Anstrengung, zu Wort kommen. Stattdessen redete Baerbock über das Pariser Klimaabkommen als nächsten Punkt gegen die Putin-Pipeline.
Die US-Politologin wischte Altmaiers Flüssiggas-Ausrede locker vom Tisch: „Das schien mir doch ein Zugeständnis für den großen strategischen Patzer zu sein, den ‚Nordstream 2‘ darstellt“, tadelt sie. „Unterm Strich kommt dabei raus, dass es Europa unsicherer macht!“
Ungewöhnlichste Frage
„Schafft es Biden, oder braucht es dazu eine Bundeskanzlerin Baerbock?“ wollte Plasberg wissen.
Die Grüne lächelte geschmeichelt: „Es braucht offensichtlich eine andere Außenpolitik“, antwortete sie.
Baerbocks größte Sorge: „Wir können hier noch zehn Mal philosophieren, dass Europa endlich strategische Souveränität erlangen muss und dass wir ein neues transatlantisches Verhältnis aufbauen müssen, wenn bei den entscheidenden geostrategischen Fragen…“ Mehr musste sie nicht sagen.
Persönlichste Anfrage
Plasberg hatte mit Altmaier noch etwas vor: Er spielte die Idee des CDU-Parteifreunds Friedrich Merz ein, nunmehr das Wirtschaftsministerium zu übernehmen. Uff!
„Ich finde, dass jeder die Möglichkeit hat, Wünsche zu äußern“, kommentierte der Minister cool. „Habeck hat uns gesagt, dass er sich das Kanzleramt zutraut. Frau Baerbock traut sich das auch zu. Das ist ein ganz normaler demokratischer Prozess…“
„Aber Herr Altmaier!“ protestierte Plasberg und hob die Hände. „Tolle Antwort! Aber was haben Sie als erstes gedacht, als Sie das gehört haben?“
Schlagfertige Erwiderung des Politikers: „Ich habe gedacht, das Ministerium, dem ich vorstehen darf, ist offenbar ein sehr attraktives Ministerium.“ Na dann weiterhin viel Spaß!!
Fazit: Erst viel alter Schnee und wohlfeile Beweise demokratischer Gesinnung, dann aber glühte der Grill, und der Talkmaster schüttete fleißig Kohle nach. Zamperoni erwarb wie einst seine Vorgängerinnen Sabine Christiansen und Anne Will die Laufbahnbefähigung für den höheren Talkshowdienst. Das war eine Show der Kategorie „Pfeffer und Salz“.