„Anne Will: Trump mit Corona infiziert – welche Konsequenzen hat das für die USA?“. ARD, Sonntag, 4.Oktober 2020, 21.45 Uhr.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag jede Relativierung der weltweiten Pandemie scharf kritisiert.
Wörtlich sagte der CDU-Politiker: „Die Verläufe bei Corona sind unvorhersehbar. Aber was mich wütend und ärgerlich macht, ist, dass es immer noch Politiker gibt, auch bei uns, die das verharmlosen!“
Empörteste Analyse
Denn, so der Minister in geradezu heiligem Zorn: „200.000 Menschen könnten noch leben, wenn die Pandemie von Anfang an richtig bekämpft worden wäre! In den USA sind die Infektionszahlen sechs Mal, die Todesrate fünf Mal so hoch wie in Deutschland!“
Das Virus legt den Präsidenten und damit auch den Wahlkampf lahm. Anne Wills Gäste:
- Altmaier (CDU) war im September selbst in Corona-Quarantäne.
- Ex-Parteichef Cem Özdemir (Grüne) überstand bereits im April eine Corona-Infektion.
- Die Historikerin Prof. Britta Waldschmidt-Nelson kritisiert: „Trump will von seinem Versagen in der Corona-Krise ablenken!“
- Die US-Journalistin Rachel Tausendfreund urteilte über das erste TV-Duell: „Das ständige Unterbrechen war eine kluge Strategie von Trump!“
- Stefan Niemann, ARD-Korrespondent in Washington, meinte nach dem Duell: „Trump hat erneut versucht, sich als „Law and Order“-Präsident zu profilieren.“
- Roger Johnson, Vizepräsident der Trump-Unterstützer „Republicans Overseas in Europa“, nannte das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einen „Putschversuch“.
Pro und contra Trump: Die perfekte Formel der Political Fairness? Zum Start die Frage aller Fragen
ARD-Niemann, zurzeit in Florida unterwegs, zählte erst mal Fakten auf: „Trump bekommt Remdesivir, einen Cocktail aus Antikörpern, entzündungshemmende Steroide, Vitamine, Aspirin.“
Doch die entscheidende Info kann, so Niemann, niemand liefern: „Ist der Mann überhaupt noch in der Lage, sein Land zu regieren?“
Schlappster Entlastungsversuch
Trump-Unterstützer Johnson lebt seit 40 Jahren in Europa, wohnt in Tschechien, wurde aus Wien zugeschaltet und versuchte seinen Präsidenten aus dem Feuer zu holen: „Bei uns entscheidet jeder Bundesstaat selbst“, sagte er zur Entlastung.
Bei Will kam er damit aber nicht durch, denn die Talkmasterin erinnerte ihn sofort daran, dass der entscheidende Superspreader ja die Vorstellung der neuen Supreme-Court-Richterin im Rosengarten des Weißen Hauses gewesen sei.
Die Runde blickte erwartungsvoll auf den Monitor, doch von Johnson kam nur ein betrübtes Statement: „Es ist bedauerlich, dass das so gelaufen ist.“
Schärfster Ankläger
„Dieser Präsident hat die Wut der Menschen verdient!“ lederte Özedmir gleich danach los. „Trump ist das Gegenteil von Empathie und Mitmenschlichkeit! Das hat er nicht in seinen Genen!“
Schlimmer noch: „Man muss sich Sorgen machen um den Bestand der Demokratie in Amerika!“ behauptete der Grüne.
Historikerin Waldschmidt-Nelson haute in die gleiche Kerbe: „Trump geriert sich gern als jemand, der Schwäche als erbärmlich betrachtet!“ schimpfte sie.
Interessantestes Szenario
US-Journalistin Tausendfreund informierte die Runde über ein wichtiges Detail: Nach der Erkrankung des Präsidenten wäre es möglich, den Wahltermin um bis zu drei Wochen zu verschieben.
Voraussetzung: Die Demokraten müssten zustimmen. Auf jeden Fall muss der alte oder der neue Präsident am 20.Januar in sein Amt eingeführt werden.
Übelste Tricks
Wie sein Chef fürchtet auch Johnson Betrug bei der Briefwahl: „Es gibt bereits jetzt in mehreren Bundesstaaten Beweise für Manipulationen!“ behauptete er.
Journalistin Tausendfreund konterte mit einem Fall, in dem ein Anhänger der Republikaner Wahlinfos mit falschen Angaben unter das Volk gebracht habe, damit möglichst viele Wahlzettel falsch ausgefüllt und damit ungültig würden.
Schlimmster Verdacht
Historikerin Waldschmidt steuerte eine noch schlimmere Info bei: „Die Republikaner haben schon über 50.000 ehemaligen Polizisten rekrutiert für die Operation Election Day“, beteuerte sie.
Angebliche Aufgabe: „Sie sollen sich um die Wahlstationen positionieren und versuchen, Wähler, die ihnen suspekt sind, also Schwarze und andere Minderheiten, vom Wählen abzuhalten.“ Uff!
Journalistin Tausendfreund nickte heftig, und die Historikerin fügte hinzu: „Es ist in der Black Community ja nicht ganz uneffektiv, wenn da Leute mit Waffen einen herausfordern: Dürfen Sie überhaupt wählen?“
Dann gab es Zoff
„Ich muss widersprechen!“ sagte Trump-Fan Johnson sofort. „Das ist mir völlig neu! Nie sowas gehört! Kann nicht sein!“
„Woher haben Sie die Information?“ fragte Will die Historikerin. Antwort: „Das habe ich online gelesen.“ Hm. Quelle? „Eine der Artikel, die dort stehen.“ Tja. Fake oder nicht Fake, das war hier die Frage. Immerhin hat die Professorin einen Lehrstuhl für die Geschichte des europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Philologisch-Historischen Fakultät Augsburg.
Bei diesen Nachfragen wurde der Historikerin selbst etwas mulmig. „Es sind vielleicht auch nicht Polizisten“, schwächte sie schnell ab, „aber zumindest Leute, die noch Uniformen haben und tragen können.“ Ah ja…
Frommster Wunsch
Altmaier gab die deutsche Marschroute aus: „Wir müssen erreichen, dass es eine Regierung gibt, die parteiübergreifend von allen anerkannt ist“, machte er klar.
Seine Hoffnung: „Vielleicht wäre diese massenhafte Infektion mitten in Washington, mitten in der Regierungszentrale ein Anlass, dass man vielleicht aufeinander zugeht. Und dass man für einen kurzen Moment einen Restart macht der politischen Debatte und sie etwas weniger polarisierend, verletzend und beleidigend macht.“
Feindseligster Angriff
Trump habe zuletzt versöhnliche Signale gesendet, meinte die Talkmasterin. Özdemir aber hält davon wenig: „Man soll jedem Menschen das Recht auf Umkehr zugestehen, spottete er. „Aber Sie sehen es mir nach, dass mein Glaube da bei Donald Trump ein sehr begrenzter ist.“
Denn, so der Grüne: „Wenn Trump die Wahl verliert, wird es Untersuchungsausschuss auf Untersuchungsausschuss geben. Und das weiß er.“
Härteste Attacke
Und dann zählte Özdemir seine Vorwürfe an den Fingern ab: „Trumps Verhältnis zu Russland. Seine nicht gezahlten Steuern. Seine Immobiliendeals. Und was seine Familienmitglieder alles auf dem Kerbholz haben…“ Und was Özdemir sonst noch an Trump missfällt.
Auch die Partei des Präsidenten kriegte heftig was ab: „Die Republikaner sind ein Trump-Wahlverein, der mitschuldig ist an den Verbrechen!“ wetterte der Grüne.
Frage des Abends
Ein ARD-Einspieler zeigte dann aber auch Erfolge des Präsidenten: Neue Handelsabkommen. Wirtschaftsboom. Historisch wenig Arbeitslose. Rückgang der illegalen Grenzübertritte aus Mexiko. Abzug aus Afghanistan.
„Verdient es Trump, wiedergewählt zu werden, weil er vieles von dem, was er seinen Wählern versprochen hat, dann auch eingelöst hat?“ fragte die Talkmasterin den Minister.
Multilateralste Antwort
„Vieles von dem, was er gemacht hat, entspricht nicht meiner Vorstellung von Politik“, antwortete Altmaier. „‘America First‘, das geht ja dann gegen alle anderen Länder der Welt!“
Seine Warnung: „Ich glaube, dass es, egal, wie das Wahlergebnis ausgeht, am Tag nach der Wahl eine weitere Polarisierung in der inneramerikanischen Meinung gibt.“
Aber: „Ich habe ein hohes Vertrauen in die demokratische Tradition der USA“, sagte Altmaier zum Schluss. „Mein Vertrauen in die demokratische Kraft der USA ist ungebrochen.“
Und Özedmir sagte noch: „Die Amerikaner haben uns die Demokratie gebracht, das sollten wir nicht vergessen!“
Fazit
Erst eine objektive Debatte mit interessanten Argumenten, dann aber nur noch hektisches Trump-Bashing mit hohem Faktenrisiko. Die Talkmasterin zeigte professionelle Neutralität und Mut zu unwillkommenen Fragen. Das war ein Talk der Marke „Zoffshow“.