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Triell-Talk bei Anne Will: SPD-Chefin Esken schaffte es nur bis zur Pommesbude

„Anne Will: Nach dem Triell“. ARD, Sonntag, 12.September 2021, 21.45 Uhr.

Zwei Wochen vor der Wahl geht die Scholz-Schonzeit in den Medien langsam zu Ende. Aber gilt das auch bei den bei den Öffis? Nach dem Schlagabtausch in „Das Triell – Dreikampf ums Kanzleramt“ sollte Anne Will zeigen, wie ernst sie das rundfunkrechtliche Neutralitätsgebot nimmt.

Die Gäste

Jens Spahn (CDU). Der Bundesgesundheitsminister trat im Wahlkampf mit Armin Laschet als Herrendoppel an.

Malu Dreyer (SPD). Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz war selbst schon mal als Kanzlerkandidatin im Gespräch.

Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Die Fraktionschefin zieht für ihre wankende Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ins (vor-)letzte Gefecht.

Prof. Ursula Münch (59). Die Politikwissenschaftlerin findet, dass „alle drei Parteien“ bei der Kandidatenkür „ungewöhnliche Wege beschritten haben“.

Robin Alexander (46). Der Vizechef der WELT schrieb über die Kanzlerin den Bestseller „Machtverfall“.

Ellen Ehni (48). Die WDR-Chefredakteurin moderierte zuletzt die „ARD-Wahlarena“ und versorgt die Talkshow mit Umfrageergebnissen.

Wie emotional wurde es? Und wie wichtig war die Blitzumfrage nach dem Sieger?

Ausgewogenste Analyse

„Im Grunde ist es doch so, dass die Leute schon ihren Voreindruck haben“, urteilte Politologin Münch nach dem Dreikampf. „Also ich glaube jetzt gar nicht daran, dass diese Trielle so viel ändern.“

Die Talkmasterin klang nicht begeistert: „Sehr gut, dass wir das jetzt anderthalb Stunden an geschaut haben und jetzt auch noch darüber reden“, klagte sie ironisch über den unwillkommenen Kommentar. „Das macht einen guten Eindruck!“

Ungewöhnlichstes Kompliment

Doch die Wissenschaftlerin ließ sich von der Enttäuschung der Gastgeberin nicht beeindrucken: Die Fragen zur Verantwortung des Finanzministers für die Skandalen um „Cum-Ex“, „Wirecard“ oder die Razzia der Staatsanwaltschaft seien „unheimlich technisch“ gewesen.

Aber, so Prof. Münch weiter: „Herr Scholz kann Herrn Laschet eigentlich dankbar sein: Er war ja richtig lebendig! Insofern hat ihm vielleicht Herr Laschet ganz unbewusst sogar noch einen Gefallen getan, ihn nämlich als streitbaren Scholz und sogar aus der Reserve lockbaren“ und – mit Betonung: „Menschen zu zeigen.“ Uff! Der alte Scholzomat doch ein Mensch!

Bunteste Wortmeldungen

Laschets Doppelpartner Spahn servierte einen Aufschlag mit viel Effet: Laschet sei „angriffslustig“ gewesen, meinte der Minister, „er hat Olaf Scholz bei der Verantwortung gepackt, so dass sich die Ohrenfarbe der Krawattenfarbe angenähert hat.“ Allgemeines Schmunzeln in der Runde!

Doch als Spahn Scholz und Baerbock vorwarf, sie hätten eine Linkskoalition nicht ausgeschlossen, rauschte ihm die Talkmasterin so energisch in die Rede, dass ihr ein besonders hübscher Versprecher entfuhr: „Vorsicht! Jetzt machen Sie wieder das, worüber Herr Baerbock…“

Interessanteste Hintergrundstory

Danach steuerte Spahn noch eine Info zu dem Vorwurf bei, die SPD würde einige Führungskräfte bis zur Wahl hinter Scholz verstecken: „Bis vor zwei, drei Tagen hieß es, Frau Esken würde heute kommen“, wunderte er sich.

Sein Verdacht: „Diejenigen, die gerne mit der Linkspartei koalieren würden, dürfen gar nicht mehr auftreten!

Sachdienlichster Hinweis

„Nein“, widersprach Will energisch. „Frau Esken hat abgesagt. So war’s, Herr Spahn. Keine Verschwörungserzählung konstruieren!“

Über die Gründe verriet die Talkmasterin allerdings nichts, was ihren Einwand deutlich entwertete. Dreyer lächelte wissend und schwieg fein stille.

Doch Alexander wusste Bescheid: „Sie war hier“, verriet der WELT-Journalist. „Ich habe sie getroffen, an der Pommesbude, 300 Meter weg.“ Na Mahlzeit!

Prompt ging der Zoff los

„Sie verstecken sie erfolgreich“, behauptete Spahn,  „obwohl die Mehrheit der Partei sie zur Vorsitzenden gewählt hat.“

„Das ist ziemlich unverschämt, Herr Spahn“, keilte Dreyer zurück. „Frau Esken ist gewählt worden durch einen demokratischen Prozess in unserer Partei! Sie können sie mögen oder nicht, aber man kann mit niemandem so umgehend, solche Dinge zu unterstellen…“ Puh! War das nicht ein bisschen viel Empörung in einer so läppischen Sache?

Schwerwiegendster Vorwurf

„Gerät Olaf Scholz jetzt auf den letzten Metern doch noch ins Taumeln?“ fragte Will die SPD-Politikerin, „wenn ein Bundesfinanzminister nach einer Hausdurchsuchung in seinem Ministerium als erstes nichts Besseres zu tun hat, als Zweifel an Sinnfälligkeit und Verhältnismäßigkeit der Aktion zu säen?“

„Nein“ wiegelte Dreyer ab. „Olaf Scholz hat sehr klar gesagt, selbstverständlich, wenn die Staatsanwaltschaft durchsucht, wird alles getan, dass entsprechend kooperiert wird…“

Ihre nervöse Gegenattacke: „Blumige Halbwahrheiten! Einfach nicht in Ordnung!

Härtester Vorwurf

Spahn wollte das nicht durchgehen lassen: Schon die Cum-Ex-Geschäfte hätten gezeigt, dass der Kampf von Olaf Scholz gegen Steuerhinterziehung nicht funktioniere, erklärt er.

„Das Geld ist zurückgezahlt“, wehrte sich Dreyer wütend. „Bleiben Sie bei der Wahrheit, dann haben wir es leichter!“

„Das gilt für uns alle“, konterte Spahn kühl. „Da muss auch ein Olaf Scholz sich Fragen gefallen lassen!“

Watschenmänner des Abends

Danach talkte die Runde nach dem Motto „Haust du meinen, hau ich deinen“. Göring-Eckardt startete eine Attacke gegen Laschet wegen Hans-Georg Maaßen: „Null Verständnis!“ wetterte die Grüne über „diese Person“, die „permanent in den rechten Rand hineinagiert“.

„Frau Baerbock wurde nach Boris Palmer gefragt“, erinnerte Alexander, „und da hat sie die rassistischen Morde von Hanau und Halle genannt. Das fand ich einen dicken Hund. Ein mehrmals gewählter Oberbürgermeister!“

Erwartbarste Ergebnisse

ARD-Studioleiterin Tina Hassel freute sich zwischengeschaltet beim Triell in Berlin: „Großer Auftrieb hier!“ CDU-Vize Volker Bouffier habe „die ganze Zeit Notizen gemacht, vielleicht für die Nachbesprechung.“

ARD-Moderatorin Ehni kam anschließend mit Umfrageergebnissen. Beim ARD-Publikum lab natürlich Scholz vorn, aber Laschet mobilisierte die CDU-Anhänger deutlich besser als zuvor.

Vorhersagbarste Kommentare

Olaf Scholz ist das Feigenblatt für eine linke SPD“, diagnostizierte der Gesundheitsminister forsch.

Dreyer wiederum vergoss eine Krokodilsträne: „Die CDU hat im Moment keine besonders geschlossene Partei. Es tut mir Leid.“

Versteckteste Bosheit

„Die einzigen wirklichen Erfolg der Sozialdemokratie in den letzten 30 Jahren, die Agenda 2010, wollen Sie rückabwickeln“, warf Spahn der SPD-Politikerin vor. „Den einzigen wirklichen Erfolg, wo Olaf Scholz Arbeitsminister war!“

Außerdem warf er der Ministerpräsidentin vor „Wir haben in den letzten zehn Jahren  gesehen: Es gibt mehr Steuereinnahmen, wenn die Wirtschaft wächst. Sie wollen Steuern erhöhen, werden aber das Wachstum abwürgen. Dafür steht programmatisch eine linke SPD mit Saskia Esken und – ich vergess‘ den Namen immer – Herrn Walter-Borjans!“

Wichtigste Forderung

„Das ist die größte Aufgabe der zwanziger Jahre: Wieder weniger abhängig zu werden von China“, kündigte Spahn zum Schluss an. „Sowohl beim Autos verkaufen als auch bei bestimmten Technologien.“

Seine Schreckensvision: „Stellen Sie sich mal eine Welt vor, wo Impfstoffe nur in China entwickelt worden wären, und wir müssten jetzt bei diesem Regime betteln!

Über seine eigene Politik in der Pandemie urteilte Spahn ohne falsche Bescheidenheit: „„Ich wüsste kein Land, in dem die Bürgerinnen und Bürger in den letzten 18 Monaten lieber gewesen wären als in diesem.“

Schlüssigste Analyse

„Wenn man eine Sozialdemokratisierung der Politik betreibt, wie das Angela Merkel ja im Vorwurf auch der eigenen Partei betrieben hat“, urteilte die Politologin, „ist es natürlich auch kein Wunder, dass danach ein paar Wähler auch wieder zurückwandern oder sich ein neues Ziel suchen.“

Ihre Prognose: „Was wir nicht mehr erleben werden, sind die Zustimmungswerte aus den 1970er Jahren, wo die beiden großen Parteien über 40 Prozent lagen. Das wird es nicht mehr geben.“ Amen…

Fazit

Harter Infight der Kombattanten mit Hieben knapp über der Gürtellinie, happige Kommentare der Profi-Beobachter, die Talkmasterin fiel im Politwirbel nicht vom Seil: Das war ein Talk der Kategorie „All-in“.

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