„Anne Will: Wahlen in gefährdeten Zeiten – wie fest steht die Mitte?“ ARD, Sonntag, 23.Februar, 21.50 Uhr.
Der Außenpolitiker Norbert Röttgen, einer der Kandidaten um den CDU-Vorsitz, hat in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag klar Position gegen Extremisten von Links und Rechts bezogen.
Dabei stieß er auf heftigen, zum Teil aggressiven Widerspruch von Politikern der Linken, der SPD und der Grünen, die den abgewählten Linke-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow unbedingt mit CDU-Stimmen wieder ins Amt hieven möchten.
Denn dann, so das unausgesprochene Kalkül der bisherigen Erfurter Regierungsparteien, verlöre die CDU so viel an Glaubwürdigkeit, dass sie danach auf lange Zeit keine glaubwürdige Oppositionsarbeit mehr leisten könnte und darüber hinaus auch bundespolitisch schweren Schaden nehmen würde.
Die CDU schlingert, die FDP wankt, wem soll das bürgerlich-liberale Publikum denn nun die Stimme geben? Erst die Schandwahl von Erfurt, dann der Schandtag von Hanau! Darüber wollte Anne Will mit Gästen aus den Alpha-Teams der Parteien reden:
Röttgen ging als erster Kandidat offiziell ins Rennen um den CDU-Vorsitz.
SPD-Familienministerin Franziska Giffey hat Chancen, mal die erste Regierende Bürgermeisterin von Berlin.
Grüne-Co-Parteichef Robert Habeck wird von seinen Fans sogar schon als neuer Bundeskanzler gehandelt.
Susanne Hennig-Wellsow, Landes- und Fraktionschefin der Linken in Thüringen, behauptet, dass jetzt „alle über ihre Schatten springen mussten“, aber eigentlich springt nur die CDU – ins Bodenlose.
Der Journalist Yassin Musharbash („Zeit“) findet, der Rechtsstaat sollte nicht immer nur „mit aller Härte“ reagieren, sondern gerne auch „mit aller Intelligenz“.
Bewährtes ARD-Strickmuster: 4 links, 1 rechts. Aber am wichtigsten ist dabei stets, dass niemand auf die Maschen von Extremisten hereinfällt!
Auftakt im Klarsprech
Röttgen wurde gleich mal grundsätzlich: „Der Kernpunkt ist, dass die Mitte nicht mehr die ist, die sie in den 70er, 80er Jahren war“, stellte er fest. „Darum muss die Mitte neu definiert werden.“
Präziser: „Sie muss geistig neu definiert werden, und sie muss von der CDI wieder neu gewonnen werden. Das ist die Aufgabe, die vor uns steht.“ Dafür gab’s den ersten Beifall.
Wichtigste Forderung
„Wir brauchen jetzt einen inhaltlichen Aufbruch!“ drängte der Politiker. „Wir müssen die CDU inhaltlich strategisch neu positionieren!“
Denn, so Röttgen weiter: „Wir müssen für die großen Fragen, die für Angst und Verunsicherung sorgen und wo es ein Angebot der Abschottung und Angst gibt, ein eigenes christdemokratische Angebot entgegensetzen!“
Interessanteste Vorschau
„Analytisch teile ich das, was Herr Röttgen gesagt hat!“ erklärte Habeck. „Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob die CDU in der irrlichternden Form im Moment in der Lage ist, die Enden wieder zusammenzukriegen.“
In Zeiten der Unsicherheit schlage der Amtsbonus stark zu Buche, analysierte der Grüne-Chef dann seinerseits. „Für den Bund stellt sich die Frage noch viel komplizierter, weil wir die erste Wahl seit 70 Jahren haben werden, in der keine amtierende Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler zur Wahl steht.“
Dann ging schon der Zoff los
Journalist Musharbash nannte Thüringen einen „Failed State“. Linke-Fraktionschefin Hennig-Wellsow war sofort auf Zinne: „Die CDU bestimmt nicht, wer die Mitte ist!“ wetterte sie los. „In Thüringen ist das ein Landesvater wie Ramelow, der von 70 Prozent gewollt ist!“
„Ich halte es für einen schweren Fehler“, konterte Röttgen, „dass SPD und Grüne vor sechs Jahren nicht mit der Gewinnerin der Landtagswahl, Frau Lieberknecht von der CDU, koaliert haben, sondern sich entschieden haben, mit der Linkspartei zu koalieren und damit die Mitte zu schwächen!“
Hennig-Wellsow gefiel das gar nicht: „Das ist schon lange her!“ murrte sie.
„Aber das hat jetzt Auswirkungen“, setzte Röttgen nach, „denn diese Koalition hat keine Mehrheit mehr!“
Frage des Abends
Die Talkmasterin wollte lieber Ramelows Wiederwahl-Chancen erörtern: „Haben Sie den feste Zusagen, dass es klappt?“ fragte sie Hennig-Wellsow.
Die Fraktionschefin antwortete mit einer eigenwilligen Interpretation: „Die CDU hat aktiv entschieden, zusammen mit der AfD Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu wählen“, behauptete sie. „Also gibt es auch eine aktive Verantwortung, genau das zu heilen!“
Ungewöhnlichste Zumutung
Es sei nicht einfach gewesen, mit der CDU einen gemeinsamen Weg aus der Krise zu finden, erläuterte die Linke-Politikerin dann. Jetzt komme es auf einen „Schulterschluss der Demokraten“ an, um „sowas wie ein Stabilitätsabkommen“.
„Haben Sie feste Zusagen?“ fragte Will noch einmal.
Es gehe nicht um vier einzelne Abgeordnete, die Ramelow mitwählen sollten, antwortete Hennig-Wellsow, sondern: „Ich finde, die CDU muss für sich als Fraktion sehr deutlich machen, dass sie Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählt!“
Heißt: Die Linke will nicht nur Abweichler finden, sondern die gesamte CDU-Fraktion geschlossen auf Ramelow-Kurs zwingen.
Denn, so ihre Bedingung: „Der ganze Weg, dass wir endlich wieder eine Regierung für zwei Millionen Menschen haben, fußt auf der Wahl von Bodo Ramelow!“
Entschiedenste Absage
Röttgen ließ dem plumpen Druckversuch gleich die Luft aus dem Ventil: „Die demokratische Situation ist, dass die Koalition abgewählt ist und keine Mehrheit hat“, stellte er klar.
Seine Gegenvorschlag: „Die Linkspartei hat immer noch die Möglichkeit, dass Herr Ramelow im dritten Wahlgang gewählt wird, weil er dort nur die relative Mehrheit braucht. Also ohne die Stimmen der CDU!“
Schärfster Wortwechsel
Röttgens härtester Vorwurf: Die Linkspartei stehe an der Seite von Putin, der in Syrien Kinder, Schulen, Marktplätze bombardieren lasse. Auch dafür gibt es Beifall.
„Das ist Herausreden aus der Verantwortung“ giftete die Linke. Klar: Kippt die CDU jetzt um, ist sie für lange Zeit als Opposition im Landtag erledigt. Bleibt sie jetzt aber standhaft, kann sie einem Regierungschef ohne eigene Mehrheit immer wieder die Hölle heiß machen.
Listigstes Kompliment
„Sie sind ja sicherlich einer, der analytisch am weitesten ist unter Ihren Mitbewerbern“, schmeichelte Habeck den CDU-Kandidaten, mit dem Hintersinn, Röttgens Konkurrenten wie Friedrich Merz, Armin Laschet oder Jens Spahn so ganz nebenbei eins auszuwischen. Die Zuschauer lachten und klatschten.
Dann fing der Grüne sein vergiftetes Lob gleich wieder ein: „Sie argumentieren aus einer statischen Mitte heraus“, warf er Röttgen vor. „Völlig ohne zu sehen, wie sich Dynamiken in Ländern, Regionen anders verändern.“ Uff!
Beschwingteste Schmähkritik
„Herr Ramelow ist ein katholischer Gewerkschaftsfunktionär“, pries der Bündnisgrüne mit dem Dreitagebart den Spätsozialisten in Ostblockgrau.
Dann aber fing Habeck an, plump zu holzen: „Das ist Ideologie, was Sie hier machen!“ donnerte er Röttgen an. „Falsche Weltsicht! Die CDU ist nur noch bockig!“
Die Zuschauer kamen immer mehr in Stimmung: Lebhafter Beifall für die willkommene Tirade. Beflügelt wütete Habeck weiter: „Statische Weltsicht! Nicht vorhandene Problemlösungsbereitschaft! Komplettausfall der CDU, die völlig losgerissen auf dem Meer treibt!“
Seltsamster Vorschlag
Da wollte auch Giffey mitmischen: „Vielleicht muss man sich seine Grundprinzipien auch mal überlegen!“ riet sie dem CDU-Mann. Hm – würde sie das auch so locker sagen, wenn es um sozialdemokratische Grundprinzipien ginge?
Höhnischster Spruch
Will ließ ein Zitat der Linke-Chefin Katja Kipping einblenden: Die „von der CDU praktizierte Äquidistanz“ gegenüber Links- und Rechtsaußen sei „faktisch erledigt“, hatte die Parteichefin getwittert.
Und: „Dass die CDU endlich die Ausgrenzung linker Ideen korrigiert, ist eine gute Nachricht für den antifaschistischen Konsens des Grundgesetzes!“
Passendste Frage
Die Talkmasterin hatte Zweifel, dass das in Thüringen helfe: „Ist das die richtige Zeit für Siegesgeheul?“ fragte sie.
Für Hennig-Wellsow kein Problem: „Die Linke ist eine demokratische Partei“ und Ramelow „der Demokrat schlechthin“, behauptete sie schlicht. Uff!
Treffendste Analyse
„Die Linkspartei ist eine Partei, die bewusst die Trennung zum Linksextremismus nicht zieht“, warf Röttgen daraufhin seiner Nachbarin zur Rechten vor. „Sie versuchen jetzt, die AfD und ihren Widerhall in der Gesellschaft zu nutzen, um Ihre Grenze zum Linksextremismus einzubauen in den Kampf gegen den Faschismus!“
Sein entscheidender Punkt: „Ich sage, dass es für die CDU nach beiden Seiten eine wohlbegründete, an der Menschenwürde orientierte Abgrenzung gibt!“
Denn: Alle Demokraten sind Antifaschisten, aber nicht alle Antifaschisten sind Demokraten.
Lautestes Wortgefecht
„Unsere Abgrenzung ist Extremismus, Hass und Hetze, egal von welcher Seite!“ rief Giffey erregt.
„Dann müssen Sie sich aber auch mit dem Linksextremismus auseinandersetzen!“ konterte Röttgen.
„Es geht um jede Form von Extremismus“, erwiderte die Ministerin. „Da müssen die Demokraten zusammenstehen!“
„Richtig“, bestätigte Röttgen. „Aber sind die Linksextremisten dabei oder nicht?“
Die Antwort darauf blieb Giffey leider schuldig. Die aktuell wichtigste Forderung stellte Musharbash auf: „Ich erwarte von den Sicherheitsbehörden jetzt die gleiche Härte wie gegen die RAF in den 70er Jahren!“
Fazit: Babylonisches Durcheinander, gönnerhafte Belehrungen und sozialistische Dummstelltaktik, vorgetragen mit der Liberalität iranischer Revolutionswächter: Das war ein echter „Thü-Ringkampf“ mit Haken und Ösen.