„Markus Lanz“. ZDF, Mittwoch, 5.Februar 2020, 23.30 Uhr.
Der CDU-Politiker Friedrich Merz, möglicherweise der nächste Kanzlerkandidat der Union, hat in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ am Mittwoch jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen.
Wörtlich sagte der Politiker: „Ich sehe den Auftrag der CDU auch darin, dafür zu sorgen, dass diese Partei nicht noch stärker wird. Ich werde an keiner Stelle diesen Leuten die Hand reichen!“
Der AfD-Coup in Thüringen schmiss überall die Sendepläne um, auch Markus Lanz musste blitzartig reagieren und lud sich auf Schnelle eine neue Talk-Runde ein:
Der Ex-SPD-Chef Martin Schulz hatte den AfD-Chef Alexander Gauland einst „auf den Misthaufen der Geschichte“ gewünscht. Wie sehr stinkt ihm jetzt die Wahl in Thüringen?
Merz prophezeite nun: „Diese Wahl wird uns noch lange beschäftigen, weil sie ein Tabubruch ist!“
Die Journalistin Melanie Ammann („Spiegel“) schrieb das Buch „Angst für Deutschland“ über den Aufstieg der AfD.
Der Journalist Heiner Bremer (RTL) war bis 1983 in der FDP, die er seither mit Wonne beschimpft.
Merz nahm dabei von Anfang an kein Blatt vor den Mund: „Dammbruch! Tabubruch!“ schimpfte er über die Ministerpräsidentenwahl mit AfD-Schützenhilfe.
Klarste Kritik
„Wie bewerten Sie das Abstimmungsverhalten der CDU?“ fragte Lanz.
„Mich irritiert das in hohem Maße!“ antwortete der Vielleicht-Kanzlerkandidat der Union deutlich angesäuert. „Das hätte nicht passieren dürfen!“
Widerwilligste Anerkennung
„Die CDU hat sich mit der AfD ins Bett gelegt!“ spottete die „Spiegel“-Journalistin. „Da ist nichts gelaufen, aber sie lagen nebeneinander!“
„Der große Sieger des Tages heißt Höcke!“ ärgerte sich Schulz über den umstrittenen AfD-Landeschef. Der Trick, statt des eigenen Mannes plötzlich geschlossen den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich zu wählen, sei allerdings „taktisch ein geschickter Vorgang“ gewesen.
Wichtigste Überlegung
Doch, so der SPD-Politiker: „Der Dammbruch besteht nicht darin, dass er (Kemmerich) gewählt wurde, sondern darin, dass er die Wahl angenommen hat!“
Merz dachte schon weiter: „Wie schaffen wir in Deutschland eigentlich noch politische Mehrheiten in der Mitte?“ sorgte er sich.
Verblüffendste Analyse
„Ich bin nicht der Meinung, dass das abgekartet war“, erklärte Schulz und nahm die Konkurrenz in Schutz: „In der CDU Thüringen gibt es viele katholische Konservative, die nie mit der AfD zusammenarbeiten würden. Die sind jetzt über den Löffel balbiert worden!“
„Die CDU hat nach der Wahl zu viel herumgeeiert“, gab Merz zu. Die Parteifreunde hätten den abgewählten Linke-Ministerpräsidenten Carsten Ramelow ruhig „erst mal weiter machen lassen sollen“.
Interessantester Vorwurf
Dann schärfte der CDU-Politiker die Debatte weiter an: „Die SPD und die Grünen haben sich darauf festgelegt, mit der CDU noch nicht mal zu reden!“ warf er den abgewählten Regierungsparteien vor.
Schulz grinste spöttisch: „Ich verstehe ja, dass Friedrich Merz jetzt verzweifelt versuchen muss, Schuldige zu finden“, höhnte er.
Lanz steuert ein unerwartetes Statement bei: „Ich glaube nicht, dass es in der AfD nur merkwürdige Gestalten gibt“, meinte er.
Dann ging der Zoff los
Ex-RTL-Moderator Bremer versuchte, die konservative CDU-„Werteunion“ in die Nähe der AfD zu rücken.
Merz funkte energisch dazwischen: „Die hat mit der AfD nichts zu tun!“
Prompt zog Bremer den Schwanz ein: „Natürlich nicht“, gab er mit gezwungenem Lächeln zu.
Merz watschte ihn trotzdem ab: „Dann sagen Sie das auch so!“
Stilkritik des Abends
Danach kritisierte Lanz, dass Thüringens Linke-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow dem FDP-Wahlsieger wütend einen für Ramelow gekauften Blumenstrauß vor die Füße schleuderte.
Auch der Empörungsgestus der US-Oppositionsführerin Nancy Pelosi bei der „State of the Union Adress“ des US-Präsidenten missfiel dem Talkmaster: „Man muss auch nicht die Rede von Trump zerreißen!“
Schlimmster Vorwurf
Schulz ärgerte sich immer noch sichtlich darüber, dass der Chefliberale Christian Lindner vor zwei Jahren die „Jamaika“-Verhandlungen mit Union und Grünen platzen ließ: „Seine Reden werden immer rechter!“ wütete der Ex-Kanzlerkandidat. „Er richtet die FPD zugrunde!“
„Sie haben das Problem in gewisser Weise selber, in der SPD!“ stichelte Lanz.
Schlagfertigste Antwort
Schulz hatte wohl nicht recht gehört: „Sagen Sie das noch mal!“ forderte er den Spötter auf.
Aber Lanz ließ sich nicht einschüchtern: „Das Problem ist, dass die SPD kleiner und kleiner wird“, lästerte er.
„Ich habe Beitrittsformulare dabei“, konterte Schulz. „Also so Leute wie Sie, Jan Böhmermann und Markus Lanz, da ist der Aufschwung garantiert!“
Hitzigster Streit
Merz wollte mehrmals darauf hinaus, dass der Demokratie auch Gefahr von Linksextremisten drohe. Seine Beispiele waren die Angriffe auf Polizisten in Connewitz und zuvor beim G20-Gipfel in Hamburg.
Schulz wollte das kleinreden: „Die Gefahr geht nicht von ein paar brennenden Mülltonnen aus!“ erwiderte er.
Dann wurde er emotional: „75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz sitzt eine Partei wie die AfD mit 90 Abgeordneten im Bundestag! In Fraktionsstärke!“ rief er erregt.
Spannendste Prognose
Auf seine 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl 2018 ist der SPD-Politiker inzwischen sogar stolz: Jetzt liege die Partei bei 14, 15 Prozent. Seine gewagte Rechnung: „Mit 22 Prozent stellt die SPD den nächsten Bundeskanzler!“
Die Runde lachte, das Publikum war amüsiert, doch der SPD-Politiker blieb dabei: 22 Prozent SPD, 18 Prozent Grüne, acht Prozent FDP, damit kannst du in Deutschland Kanzler werden!“
Stärkster Beifall
Das gelte aber auch für die anderen: „25 Prozent CDU/CSU, 20 Prozent Grüne, sechs Prozent FDP“, sagte Schulz, „dann ist Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler“.
Merz lachte, doch im Publikum löste die Ansage einen verblüffenden Beifallssturm aus: Erst gab es einen Riesen-Applaus, dann auch noch zustimmendes Gejohle.
Listigste Frage
Lanz wollte die Situation nutzen: „Gibt‘s kein Dementi?“ erkundigte er sich bei Merz.
„Ich bin ein höflicher Mensch“, grinste der CDU-Politiker. „Ich unterbreche Herrn Schulz nicht. Und wenn er was Kluges sagt, schon gar nicht!“
Vernünftigster Ratschlag
Doch dann wurde Merz gleich wieder ernst: „Wir müssen in der CDU den Anspruch haben, die Hälfte der AfD-Wähler wieder zurückzugewinnen!“ forderte er.
Seine Empfehlung: „Das Allerbeste wäre, wenn wir jetzt mal schlafen gehen und morgen in aller Ruhe darüber nachdenken, wie wir dieses Problem lösen können!“
Fazit: Wenig Geschwurbel, viele klare Ansagen, gute Vorsätze, aber auch immer wieder unpassender Parteigeist und so manche Fassade wurde kräftig abgepellt: Das war ein Talk nach dem Motto „Sandstrahl“.