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Thema Konsumgutscheine bei Anne Will. 300 Euro pro Kind? Scholz findet Giffeys Idee gut

„Anne Will: Milliarden gegen die Krise – wird das Geld richtig investiert?“ ARD, Sonntag, 24.Mai 2020, 21.45 Uhr.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag den Vorschlag seiner Partei- und Kabinettskollegin Franziska Giffey begrüßt, wegen der Corona-Krise jedem Kind 300 Euro auszuzahlen, auch um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

Über die angeblich geplanten Konsumgutscheine von mal 300, mal 600 Euro pro Kind sagt Scholz allerdings leicht amüsiert: „Es gibt jeden Freitag eine Tickermeldung, was von den vielen Beamten des Finanzministeriums so gedacht wird, immer mit der Überschrift ‚Scholz plant‘.“

Sein Rat: „Das sollte man nicht immer gleich für bare Münze nehmen, sondern lieber vorher mal bei mir nachfragen!“

Wichtigste Aussage

Will schubste ihn trotzdem ein bisschen an: „Ihre Kollegin Frau Giffey ist ja für einen solchen Bonus…“

„Die meisten Dinge wie die Konsumgutscheine sind erfunden“, behauptete der Minister. „Ich habe das noch nie gesehen, und es wird mir wahrscheinlich auch nicht vorgelegt.“

In diesem Fall könnte das allerdings anders sein: „Das ist der Vorschlag der Familienministerin“, sagte Scholz respektvoll, „der ziemlich viele gute Gründe auf seiner Seite hat!“

Die Virenforscher sind wohl erst mal durch, jetzt schlägt die Stunde der Wirtschaftsforscher. Anne Wills Gäste:

Scholz lädt seine Bazooka laufend nach, aber fliegen die Raketen auch ins Ziel?

Die Grüne-Parteichefin Annalena Baerbock möchte jetzt nicht nur auf-, sondern gleich auch noch umbauen, das wird teuer!

Der Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) orakelt: „Nach Corona gibt es eine andere wirtschaftliche Welt!“

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Monika Schnitzer aus dem Sachverständigenrat warnt vor zu hohen Staatshilfen für Unternehmen.

Der Steuerzahler-Präsident Reiner Holznagel (CDU) drückt immer auf die Bremse, wenn Finanzminister auf die Tube drücken.

Zum ersten Mal seit März wieder drei Bundespolitiker im selben Primetimetalk. Zum Start kam gleich die Gretchenfrage: „Herr Scholz, Sie waren immer gegen die Vergemeinschaftung von Schulden, nun machen Sie es doch“, sagte die Talkmasterin. „Warum?“

„Das sind so Schlagworte!“ wich der Minister aus. „Ich glaube, es sollte über das gesprochen werden, was wir wirklich tun!“

Und das zählt er jetzt auf: 500 Milliarden für Mittelstandskredite überall in Europa. 200 Milliarden für „sowas wie Kurzarbeitergeld“ überall in Europa.

Des Pudels Kern

Dazu gebe es auch noch eine „Kreditfaszilität für Krisenfälle“ im Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Damit genug der Vorbereitung, Scholz kam auf den Punkt. „Und dann gibt es darüber hinaus ein Programm, wo wir sagen, wir müssen uns jetzt überall in Europa an den Wiederaufbau machen“, erklärte er.

Vorschlaghammer-Argument

Seine Begründung: „Das ist schon deshalb wichtig, weil die deutsche Volkswirtschaft unmittelbar mit der gesamten europäischen verflochten ist, und es nicht funktionieren wird, wenn es anderswo schlecht läuft, dass es bei uns gut läuft!“

Seine Lösung: „Wir machen es möglich für die Kommission, dass sie für die nächsten Jahren mehr Geld ausgibt als sonst, indem sie dazu Kredite aufnimmt, und die muss sie dann ab 2023 in unserem Fall wieder zurückzahlen. Und das geht auch.“

Medizin oder Placebo?

Aber was ist dabei denn nun anders als bei dem besonders in Deutschland gefürchteten Gespenst einer Schuldenunion? „Es sind Zuschüsse!“, hakt Will sofort

nach.

Doch der Minister hatte eine dicke Beruhigungspille eingesteckt „Keine Budgetfinanzierung in die Haushalte der Mitgliedsländer!“ versprach er. „Nur konkrete Projekte, die etwas mit dem Wiederaufbau zu tun haben!“

Klarste Kante

„Der Schritt ist richtig, die Debatte auch“, lobte der Unionsfraktionsvize. „Wir haben in Europa einen Staatenbund und keinen Bundesstaat. Das heißt, dass jeder für die eigenen Schulden haftet!“

Linnemanns Sorge: „Wir brauchen dieses Geld für einen Mehrwert in Europa. Es darf nicht versickern in irgendwelchen Rentensystemen in Italien oder Spanien!“

„Das ist die falsche Art, darüber nachzudenken!“, kritisierte die Wirtschaftsweise. „Die Diskussion, wer ist Nettozahlen und wer Nettoempfänger, hat uns den Brexit eingebracht. Das ist die falsche Diskussion!“

„Wir haben schon ein großes Osterpaket geschnürt, es stehen 550 Milliarden über den ESM zur Verfügung“, erinnerte Steuerzahlerschützer Holznagel.

Deutlichste Warnung

Doch: „Italien hat schon angekündigt, dass es dieses Geld nur ungern nehmen will, weil es eben an Auflagen gebunden ist“, sagte Holznagel weiter. Und, ganz höflich: „Insofern habe ich ein schwieriges Verhältnis zur Solidarität!“

Sein Punkt: „Wir müssen darauf achten, dass wir den Steuerzahler in Europa nicht überfordern, denn das Geld muss ja irgendwann mal wieder erwirtschaftet werden, und gerade Deutschland ist hier stark in der Verpflichtung!“

Empfindlichste Kollegenschelte

„Es geht um die Frage: Wie schaffen wir es, sehr schnell unser aller Binnenmarkt wieder auf die Beine zu bringen?“ stellte Baerbock fest. Die deutsche Automobilindustrie etwa sei dringend auf Zulieferungen aus in Italien angewiesen.

Ihr Vorwurf mit Blick auf Linnemann zu ihrer Linken: „Ich halte es für fatal und ein Spiel mit dem Feuer, wenn man jetzt suggeriert, da wird irgendwo Geld reingepumpt und man weiß nicht, wohin das geht!“

Überraschendste Perspektive

Die Kontrolle liege beim Europäischen Parlament und beim Rechnungshof, hob die Grüne hervor. Deswegen seien Zuschüsse „sogar transparenter und demokratischer, als wenn man rein über Kredite gehen würde.“ Uff!

Plastischstes Beispiel

Linnemann will vor allem keine Souveränität abgeben und besteht auf dem nationalen Haushaltsrecht: „Wenn man aus einem Spiegelei Rührei macht, kann man hinterher daraus nicht wieder ein Spiegelei machen!“, sagte er.

Höflichster Ordnungsruf

Dem Finanzminister wurde die Diskussion an dieser Stelle zu bunt. „Ich finde, dass wir das, was wir hier sagen, auch ernst nehmen müssen“, murrte er. Denn: „Es geht darum, die Dinge zu machen und nicht nur zu beschreiben!“

Interessanteste Zustimmung

An der Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder nach einer Schuldenobergrenze von 100 Milliarden fand Scholz nichts auszusetzen. „Es geht um ein klassisches Konjunkturproramm“, sagte der Minister über seinen Plan. Ein Cut bei 100 Milliarden schreckt ihn keineswegs: „Ob das soviel wird, weiß ich gar nicht!“

Populärste Kritik

Holznagel forderte trotzdem „erst einmal einen Kassensturz!“ Und: „Was mir fehlt, dass wir auch über das Sparen sprechen!“

Ein griffiges Beispiel hatte er auch schon parat: „Der Bundestag kostet uns tausend Millionen im Jahr“, schimpfte er. „und wir haben ja in der Krise gesehen, dass es durchaus effektiver ist, wenn weniger Abgeordnete da sind!“

Grimmigste Rüge

Scholz war sauer: „In solchen Debatten fängt‘s immer groß an, und dann kommen Vorschläge wie ‚Da sind zehn Millionen, die man sparen kann!‘“ spottete er.

„Aber es ist ein Anfang!“ wehrte sich der Steuerschützer.

„Ja, ein Superanfang!“ höhnt der Milliardenminister. „Dass da zehn Millionen kommen, liegt manchmal daran, dass andere Vorschläge nicht da sind.“ Rumms!

Heftigste Klatsche

„Die kann ich Ihnen überstellen!“ erwiderte Holznagel pikiert.

„Bitte nochmal“, forderte Scholz ironisch. „Ich habe sie schon mehrfach. Ich will nur sagen: Da ist so ein bisschen Unernsthaftigkeit drin, und da bitte ich einfach darum, das besser zu machen!“

Schärfster Pfeffer

So ließ ihn die Talkmasterin aber nicht vom Hof reiten: „Verkleinerung des Bundestages ist kein unernsthaftes Anliegen!“ funkte sie dazwischen.

„Aber es ist ehrlicherweise vielleicht nicht die Antwort auf die Frage, die wir heute diskutieren!“ beharrte Scholz. Er wolle nur „ein bisschen darauf hinweisen, dass wir strikt bei der Sache bleiben und nicht ausrutschen in Nebenfragestellungen.“ Das saß. Heidewitzka, Herr Kapitän!

Klügste Erkenntnis

Kaufprämien für Autos mit Verbrennungsmotoren seien keine Investition in die Zukunft, mahnte die Wirtschaftsweise.  „Es geht nicht darum, wie viel Geld ausgegeben wird, sondern wofür es ausgegeben wird!“

Baerbock wiederholt auch in diesem Talk ihre populäre Kritik an Staatsknete für Unternehmen, die dann trotzdem noch Dividenden oder sogar Boni zahlen wollen. Ja doch!

Fazit. Baerbock lobt: „Wie Herr Scholz gerade richtig gesagt hat…“ – Linnemann bestätigt: „Da hat Frau Baerbock völlig recht!“ So ging es die ganze Zeit. Gepflegter Austausch vernünftiger Argumente in ungewohnt friedfertiger Stimmung, Spitzen höchstens in homöopathischer Dosierung: Das war eine Show der Kategorie „Krawattentalk“.

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