„Hart aber fair. Zieht euch warm an: Wie teuer sollen Heizen, Sprit und Lebensmittel noch werden?“ ARD, Montag, 11.Oktober 2021, 21 Uhr.
Vor der Wahl warben alle für mehr Klimaschutz, jetzt kommt die Rechnung, und es droht sogar ein russischer Winter. In „hart aber fair“ fragt Frank Plasberg eine ARD-typische Auswahl an Gästen:
Katarina Barley (52, SPD). Die Vizepräsidentin des Europaparlaments fordert alternatives Vollgas: „Wir brauchen bei den Erneuerbaren mehr Tempo!“
Peter Ramsauer 67, CSU). Der Wirtschaftspolitiker wettert: „Die hohen Spritpreise treffen die mit voller Wucht, die auf ihr Auto angewiesen sind!“
Mona Neubaur (44, Grüne). Die Parteichefin in NRW sieht die Schuld bei „unserer Abhängigkeit von Importen“.
Ulrich Schneider (63, Linke). Der Wohlfahrtsfunktionär wiederholt unermüdlich: „Der Staat muss die Hartz-IV-Sätze erhöhen!“
Hermann-Josef Tenhagen (58). Der Wirtschaftsjournalist („Finanztipp“) prophezeit: „Die Energiepreise werden weiter steigen!“
Gleiche Sorgen, aber höchst unterschiedliche Urteile. Das Zoff-o-Meter sondiert die Konfliktzonen.
Optimistischste Ouvertüre
„Wir wissen, dass die erneuerbaren Energien am Ende deutlich günstiger sind, am Ende des Tages, für die Verbraucherinnen und die Verbraucher“, behauptet die Europapolitikerin forsch.
Der Talkmaster stoppt sie gleich mal: „Wann ist denn ‚Ende des Tages‘?“
„Bisher war es so, dass wir einen Koalitionspartner hatten, der immer stark gebremst hat“, antwortet Barley. „Aber wir erhoffen uns von der neuen Bundesregierung einen richtigen Boost in diese Richtung.“
Verräterischster Unterschied
„Wir haben bei den Heizkosten ja schon in der letzten Legislaturperiode versucht, für die Mieterinnen und Mieter eine Verbesserung hinzukriegen“, erklärt die SPD-Politikerin dazu, „nämlich dass an den Preissteigerungen die Vermieter beteiligt werden.“
Nur die Vermieter? Die Vermieterinnen nicht? Stößt hier der Genderdrang an Gleichheitsgrenzen? Oder ist Vermietung zu sehr igitt, als dass sie auch von Frauen betrieben werden könnte?
Verständlichste Verweigerung
„Man liest, dass Ihr Parteichef Markus Söder einen Teuerdeckel gegen die Inflation fordert. Wie meint er das?“ fragt der Talkmaster den CSU-Politiker.
Doch über diese Hürde will Ramsauer nicht springen: „Das kann ich Ihnen leider nicht erklären, lieber Herr Plasberg“, antwortet er. „Am besten selbst fragen!“
„Ich dachte, Sie wären CSU-Mitglied…“, frotzelt der Talkmaster.
„Ja, aber ein sehr selbständig denkender Abgeordneter“, grient der Bayer, „mit sehr viel wirtschaftlichem Sachverstand.“ Rumms!
Realistischste Analyse
Über die ersten Tankstellen mit Spritpreisen von über zwei Euro sagt Ramsauer: „Wahnsinn! Schockierend! Das kommt vom Acht-Jahres-Hoch beim Erdöl.“
Über teure Lebensmittel sagt der Müllermeister mit Familienbetrieb („Ramsauer Talmühle KG“): „Wenn Sie schlechte Ernten haben, schlägt das durch auf die Endverbraucherpreise, bei Brot genauso wie bei Teigwaren.“ Auch das habe mit Klimaschutzmaßnahmen wie etwa der CO2-Bepreisung nichts zu tun.
Unwillkommenster Widerspruch
Die „Grüne“-Politikerin sieht in den Preissteigerungen lieber „die Krise der fossilen Energien“. Als Staatshilfen fordert sie „zielgenaue Lösungen“ wie etwa mehr Geld für Lebensmittel, Zuzahlungen bei Strom und Gas und höheres Wohngeld.
Doch Tenhagen gießt Wahrwasser in den Sozialwein: „Die letzte Regierung hat das Wohngeld erhöht, wegen des Energiepreises“, stellt der Experte fest. „Aber zwei Drittel der Leute, die Wohngeld beantragen können, tun’s nicht.“ Grund: „Faxige Behörden, elend lange Formulare.“ Uff!
Klassenkämpferischstes Argument
Die SPD-Politikerin, einst Justizministerin, will mit gesetzlichen Maßnahmen gegen „explodierende Mieten“ punkten, doch Plasberg checkt sie in die Bande: „Frau Barley, mit Verlaub, da haben wir neulich eine ganze Sendung zu gemacht!“
Von der Idee, Armut durch Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu lindern, hält wiederum der Wohlfahrtsfunktionär nichts: „Völlig obskur!“ schimpft er. „Dann würden der Hummer, die Auster und der Jahrgangssekt genauso entlastet wie die Dose Ölsardinen und das Fläschchen Bier!“
Dann fährt Schneider sein Parteiprogramm ab: „Wir müssen diese Gesellschaft mit Mindestlöhnen, mit einer vernünftigen Rentenpolitik, mit einer vernünftigen Politik bei Hartz-IV endlich wieder stärker zusammenführen!“ ruft er und lässt energisch die Handkante durch die Luft sausen.
„An dieser Stelle muss man, glaube ich, auch noch mal sagen, dass Sie Mitglied der Linkspartei sind“, relativiert Plasberg trocken.
Prompt geht der Zoff los
„Das heißt: was?“ fragt Schneider gereizt. „Dass ich gar nicht Recht haben kann?“
„Das heißt, dass Sie nicht nur ein Interessenvertreter sind“, erwidert der Talkmaster, „sondern eben auch mit politischen Forderungen…“
„Da müssen wir jetzt aufpassen!“ mahnt Schneider mit erhobenem Zeigefinger und weist auf die Wahlerfolge von SPD und Grünen hin: „Hier geht es darum, dass ich als Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, dass wir diese Themen jetzt wieder stärker realisiert haben wollen. Das hat mit Parteipolitik überhaupt nix zu tun!“
Skeptischster Zwischenruf„Alle Automobilkonzerne haben sich jetzt entschieden: Sie machen batterieelektrische Individualverkehrsautos möglich“, doziert die Grüne. „Wir brauchen den massiven Ausbau in Erneuerbare, um in der Antriebswende auch über elektrisch betriebene Autos am Land einen Teil der Mobilität abzudecken.“ Puh!
„Im Großstädten wie Köln wird jede Ladesäule persönlich gefeiert!“ spottet Plasberg ungerührt. „Bis die in der Eifel stehen…“
Peinlichster Reinfall
„Ich bin Berliner. Zwischen der teuersten Tankstelle morgens und der billigsten Abends sind 18 Cent!“ berichtet Tenhagen. „An der Autobahntankstelle 36 bis 37 Cent. Wer an der Autobahn tankt, muss mindestens im Matheunterricht ab der vierten Klasse nicht aufgepasst haben.“
Barley will mit einem Hinweis auf die Probleme der Landbevölkerung glänzen: „Ich wohne in der Nähe von Trier, da geht das noch“, erzählt sie, „aber im Hunsrück…“
Doch Plasberg schneidet ihr den Weg ab: „Sie sind nahe an Luxemburg, geben Sie es doch zu!“ lästert er. Das Billigspritland! Heiterkeit im Studio…
Absichtsvollster Aussprachefehler
Linke-Schneider motzt auch gegen die Idee des Verkehrsministers, den Benzinpreis bei 2 Euro zu deckeln.
„Das ist das gleiche Problem wie bei der Mehrwertsteuer“, mosert er, „wenn man damit anfängt, auch die zu begünstigen, die im SUV durch die Gegend brettern.“ Er spricht das „SUV“ als vorwurfsvolles „Suff“. Uff!
Spontanster Gefühlsausbruch
„Bitte immer nach den Preisen gucken!“ rät der Journalist den Autofahrern. „Diese Tankstellenheinis nehmen’s von den Lebenden, und das muss man sich nicht bieten lassen! Geht mit so einer App – geht doch bei anderen Sachen auch!“
Über die irren Preissteigerungen mancher Stadtwerke für Gas schimpft Tenhagen: „Da sind Zocker am Werk!“
Bei rechtzeitiger Bestellung der benötigten Mengen gebe es vernünftige Preise, erläutert der Experte. „Aber wenn man an der Gasbörse unterwegs ist und glaubt, dass man Putin über den Tisch ziehen kann, dann haben diese Unternehmen ein Problem: Sie müssen mit den Preisen unglaublich rauf.“
Und noch mal Zoff
Ein ARD-Einspieler zeigt, wie andere EU-Staaten auf die Energiepreise reagieren: Italien senkt die Mehrwertsteuer, Spanien halbiert die Mehrwertsteuer auf Strom, in Frankreich werden die Gaspreise staatlich gedeckelt und die Regierung schickt Haushalten mit geringen Einkommen zusätzlich Energieschecks über 100 Euro.
Ramsauer ist auf Zinne: „das sind die richtigen Länder!“ wütet er. „Ausgerechnet!“
Plasberg heizt ihm noch ein bisschen ein: „Von Italien lernen heißt?“
„Von einem verdammten Schuldenstaat lernen zu müssen!“ bollert der CSU-Mann los. „Und da habe ich keine Lust dazu!“
Umfassendster Frontalangriff
Dann zieht Ramsauer mächtig vom Leder. „Das ist diese mediterrane Schuldenstaat-Philosophie!“ erbost er sich. „Ich bin froh, dass jetzt bei den Sondierungen die FDP schon klipp und klar sagt: keine Lockerung der Schuldenbremse!“
Barley räuspert sich betreten, Schneider brummt Protest, doch der Bayer ist nicht zu bremsen: „Die spekulieren alle darauf, wenn es zu dieser neuen Regierung kommt, dann werden die Schulden in Europa vergemeinschaftet, und die Deutschen werden schon zahlen. Nicht mit mir! Das ist unverantwortlich!“
Heftigster Widerspruch
„Herr Ramsauer!“ stöhnt die SPD-Politikerin schon fast verzweifelt.
„Mit nationalen Klischees können wir die Sache nicht angehen!“ protestiert Wohlfahrts-Schneider.
„Schauen Sie sich doch die Schuldenquoten an!“ keilt Ramsauer zurück. Heidewitzka!
Plumpstes Ablenkungsmanöver
„Bei der Frage ‚Wer dreht am Gashahn‘ kommt man an Putin nicht vorbei, und auch nicht an dem Reizwort ‚Nordstream 2‘“, stellt der Talkmaster zum Schluss fest und zeigt einen Einspieler mit der BILD-Schlagzeile „Lässt Putin uns im Winter frieren?“
„Russland hat immer zuverlässig Energie geliefert“, wiegelt Barley ab. „Seit Jahrzehnten sitzen die Scheichs im Nahen Osten da und sagen: Wir drehen jetzt mal runter, und wir drehen jetzt mal hoch…“
Durchsichtigstes Scheinargument
Auch ein Kriminalfall muss als Erklärung herhalten: „Die haben Herrn Kashoggi umgebracht“, sagt die SPD-Politikerin über die Ermordung des bekanntesten saudischen Dissidenten. „Hat irgendjemand gesagt, jetzt müssen wir mal politische Konsequenzen ziehen?“
Ihr Credo: „Ich habe ganz bestimmt Recht!“
Über Putins Kriege in der Ukraine und in Syrien schweigt sie lieber, nicht aber über mögliche Pläne der Russen: „Die haben ein Machtmittel in der Hand. Ob sie das nutzen für ‚Nordstream 2‘? Ich glaube, dass Deutschland ein Interesse an einer schnellen Inbetriebnahme hat.“ So wie ihr Parteifreund, der Gasmanager Gerhard Schröder. Halleluja!
Fazit
Typischer ARD-Talk: Die politischen Absichten schlecht getarnt, die Fakten für Propaganda zurechtgebogen und der einzige konservative Gast allein auf weiter Flur. Das war ein Talk der Kategorie „showderhaft“.