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Talk-Zoff bei Maischberger: Ukraine-Zoff zwischen Sahra Wagenknecht und Gerhart Baum

„maischberger: die woche“. ARD, Mittwoch, 9.Februar 2022, 23.05 Uhr.

Omikron, Osteuropa, Olympia, Olaf: Diese Woche dreht sich alles um den klangvollen 15.Buchstaben des Alphabets. Auch Sandra Maischberger hat die O-Themen auf ihrem „Wochenshow“-Zettel. Die Gäste:

Sahra Wagenknecht (52, Linke). Die Ex-Fraktionschefin patzt den Gesundheitsminister wegen Öffnungen an: „Worauf warten Sie noch, Herr Lauterbach?

Gerhart Baum (89, FDP). Der Bundesinnenminister a. D. fordert eine Impfpflicht und wirft seinem Parteifeind Wolfgang Kubicki „demagogische Formulierungen“ vor. Ui!

Prof. Hendrik Streeck (44). Der Virologe will „zur Normalität zurück“, und „da darf es keinen Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften mehr geben!“

Mathias Richling (68). Der Kabarettist zog Olaf Scholz im Wahlkampf als „Second-Hand-Merkel“ durch den Kakao.

Katharina Hamberger (35). Die Journalistin berichtet für den „Deutschlandfunk“.

Alev Doğan (31). Die Chefreporterin schreibt für den „Media Pioneer“.

Klare Kanten, deutliche Aussprache, gnadenlose Pointen: Viel Treibstoff für das Zoff-o-Meter!

Bekifftester Verdacht

Der Kabarettist hat den Schlips auf Halbmast, aber den Hebel auf „Volle Kraft voraus“ und fährt den Gesundheitsminister an: „Herr Lauterbach hat sich in Jahrzehnten gegen Cannabis ausgesprochen. Auf einmal ist er dafür“, stellt er fest.

Seine Vermutung: „Wenn man sich anschaut, wie er auf jeden Hoffnungsschimmer, wir könnten die Corona-Maßnahmen reduzieren, sofort mit der nächsten Welle kommt, dann merkt man schon einen gewissen Suchtcharakter!“

„Der aber“, so Richling weiter, „nicht durch Drogen erreicht wird, sondern durch einen Adrenalinausstoß, der bei ihm einfach durch einen gewissen, satirisch darf ich sagen: Sadismus ausgelöst wird.“ Aua!

Über Olaf Scholz sagt der Kabarettist: „Man muss einfach konstatieren, dass dieser Mann im Leben nicht Kanzler geworden wäre, wenn Herr Laschet nicht gelacht hätte.

Beliebtestes Bashing

DLF-Hamberger ärgert sich über den bayerischen Ministerpräsidenten: „Jetzt macht Markus Söder auch etwas für den Sommer kaputt!“, ächzt sie. „Denn wie will man die allgemeine Impfpflicht durchsetzen, wenn man schon bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sagt: Wir stehen vor riesigen Problemen?“

Maischberger zitiert dazu fröhlich die „taz“: „Team Scheißdrauf!

Chefreporterin Doğan will mit einem spöttischen Vergleich punkten, der älter ist als sie selber, da er schon seit Ronald Reagans Zeiten durch linke Medien geistert: „Söder führt sich auf wie ein Cowboy!“

Knalligste Ansage

Richling erklärt den Widerstand vieler Impfzweifler mit mangelndem Leidensdruck: „Ich habe am Anfang der Pandemie gesagt, wo es so schwierig war, den Lockdown durchzusetzen: Legt den Leuten zwei Pesttote vor die Tür und zehn Ratten, die drum rumtanzen, dann bleiben sie von alleine zu Hause!“

Für Medienreporterin Doğan ist Lauterbach der „Verlierer der Woche“, weil er „mit seiner Rolle immer noch hadert: Als Wissenschaftler versteht er mehr von Corona als der Durchschnitt der Bevölkerung, aber als Minister muss er strategisch und taktisch für Mehrheiten sorgen!“

Griffigste Vergleiche

Es ist wie der Wetterbericht geworden: Man schaut jeden Tag drauf und hofft, dass es sich in die richtige Richtung verändert“, unkt Prof. Streeck über die Corona-Statistik. „Aber viel wichtiger ist, sich anzuschauen, was auf den Normal- und auf den Intensivstationen passiert: Leichter Anstieg!“

Seine persönlichen Aussichten: „Ich rechne damit, dass ich mich irgendwann mal infizieren werde, aber: Ist man dreifach geimpft, dann hat man irgendwie eine kugelsichere Westen an!“

Optimistischste Prognose

„Die Zeichen stehen alle darauf, dass wir bald das Plateau erreicht haben werden“, sagt der Virologe dann voraus. Heißt: Danach kein weiterer Anstieg mehr.

Streecks Strategievorschlag: „Ich würde nicht alles öffnen, sondern stufenweise vorgehen. Der Einzelhandel war noch nie der Hauptübertragungsort von Infektionen. Deswegen ist es gerechtfertigt, wenn man ihn jetzt aus dem faktischen Lockdown herausholt.“

Härteste Attacke

Dann nimmt sich der Virologe den Minister zur Brust:

Ich finde die Argumentation mit den, wie auch Herr Lauterbach gesagt hat, 500 Todesfällen sehr polemisch. Jeder Todesfall ist tragisch. Aber es ist Fakt, dass wir in Deutschland einfach Todesfälle haben. Das ist Teil des Lebens!“

Die traurige Wahrheit: „Das Virus wird Teil unseres Lebens sein“, sagt Prof. Streeck voraus. „Wir werden immer wieder Infektionen sehen. Auch, wenn ganz Deutschland durchgeimpft ist. Wichtig ist, dass wir durch Impfungen die schweren Fälle und damit die Todesfälle vermeiden!“

Schmerzhafteste Blutgrätsche

Und der Virologe setzt noch einen drauf: „Zu dem, was Herr Lauterbach gesagt hat, dass sich ein Virus nicht zu einer leichteren Variante entwickeln kann: Das stimmt so nicht!“ stellt er umstandslos fest.

Lauterbach meine, es gebe keine Beispiele, aber, so der Virologe: „Ein ganze tolles Beispiel ist das TGEV-Coronavirus (Transmissible gastroenteritis coronavirus) bei Schweinen. Das hat schwerste und tödliche Erkrankungen hervorgerufen. Doch dann gab es eine Veränderung, wonach das Virus sehr harmlos geworden ist.“ Schwein gehabt!

Hoffnungsvollster Zukunftsblick

Eine noch tödlichere Corona-Variante fürchte er nicht, erklärt der Professor, denn das Virus wolle vor allem leicht verbreitet werde und bevorzuge deshalb die oberen Atemwege. Aber, so Streeck: „Es wird immer ein Erkältungsvirus bleiben und schwere grippale Infekte machen.

Seine dringende Empfehlung: „Die zweifach Geimpften können sich genauso infizieren wie die Ungeimpften. Den Unterschied macht der Booster. Geboosterte infizieren sich weniger und können damit das Virus auch weniger weitergeben.“

Zufriedenstes Eigenlob

Ein ARD-Einspieler spiegelt ungebremsten Scholz-Stolz: „Deutschland ist ja gerade das erfolgreichste Land Europa im Umgang mit der Pandemie“, hat der Kanzler verkündet.

Wagenknecht war nicht geimpft, als das Virus sie erwischte, aber: „Ich hatte einen ganz leichten Schnupfen.“ Doch: „Wenn eine andere Variante auftritt“, gibt die Linke zu, „werden die Karte neu gemischt.“

Dann springt das Zoff-o-Meter an

Baum hat sogar schon einen Termin für die zweite Boosterimpfung. „Im letzten Jahr haben wir durch den hohen Anteil der Geimpften Menschen das Leben gerettet“, erklärt der FDP-Politiker.

Sein Zorn: „Was mich wahnsinnig ärgert, sind die Impfgegner, nämlich die Art der Begründung“ mit Freiheits- und Menschenrechten. Denn: „Wer tot ist, verliert die Freiheit, verliert die Menschenwürde“, donnert der Oldie der Liberalen in die Runde, und: „Es gibt auch eine Pflicht zur Solidarität!“

Heftigste Gegenrede

Wagenknecht wagt trotzdem Widerspruch: „Wenn wir einen Impfstoff hätten, der verhindert, dass man sich anstecken kann, dann hätte wir eine andere Situation“, argumentiert sie.

Ihr Standpunkt: „Der Staat hat nicht die Aufgabe, Menschen dazu zu bringen, Dinge zu tun, die vernünftig sind! Der Staat hat die Aufgabe, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu bewahren!“

„Nein!“ ruft der Liberale erbost. „Er hat Leben zu schützen!“

Emotionalster Standpunkt

„Das machen wir doch woanders auch nicht!“ keilt die Linke zurück. „Der Staat kann sich doch nicht in Lebensentwürfe einmischen! Wenn jemand eine Krebsdiagnose hat und sagt, ich will das durch Heilfasten bekämpfen, keine Chemo, keine OP, dann ist das die freie Entscheidung des Menschen!“

Wagenknechts wichtigstes Argument: „Wir haben 2300 Menschen mit Corona auf den Intensivstationen, und das ist weniger, als wir früher bei den Grippewellen zu dieser Jahreszeit hatten“, rechnet sie vor. „Jeder ist für sich selber verantwortlich und muss sein Risiko tragen!“

Überraschendstes Bündnis

Zum Streit mit dem bayerischen Ministerpräsidenten über Um- und Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sagt Wagenknecht: „Ich will keine Lanze für Herrn Söder brechen, aber man muss schon sehen: Es ist ein falsches, problematisches Gesetz.“ Uff!

„Dann hätte er nicht zustimmen dürfen!“, poltert Baum.

„Man kann sich ja auch korrigieren“, kontert die Linke. „Wir haben einen Pflegenotstand. Berlin überlegt, ob man Infizierte in den Krankenhäusern einsetzen soll, weil man anders nicht mehr klar kommt. Aber Ungeimpfte sollen nicht eingesetzt werden? Dieses Gesetz schützt niemanden!“

Massivste Söder-Schelte

„Wer protestiert eigentlich?“, fragt Baum besorgt. „Da sagen die Sicherheitsbehörden: Zunehmend Leute, die unser System verachten. Die die Spielregeln des Systems nicht akzeptieren. Herr Söder hat eine Spielregel aufgesetzt, ein Gesetz, und hält sich nicht an diese Spielregel. Das ist hochgefährlich! Das ist ein Brandbeschleuniger!“

Wagenknecht klettert trotzdem nicht ins liberalen Boot: „Man macht es sich viel zu leicht“, rüffelt sie. „Man schiebt die Leute in die rechte Ecke. Man tut so, als seien das hauptsächlich Rechtsextremisten. Es betrifft aber den eigenen Körper des Menschen!“

Doch der Granitliberale lässt sich nicht einlullen: „Wenn der Verfassungsschutzpräsident sagt, etwa 40 Prozent sind Systemverweigerer, und die Zahl wächst, dann nehme ich das als Demokrat sehr ernst!“, bollert er weiter.

Mutigste Meinungsäußerung

Auch beim Thema Ukraine macht Baum keine Gefangenen: „Mich stört, dass die Deutschen es fertiggebracht haben, in eine Vertrauenskrise bei ihren Freunden zu geraten“, grollt er. „Schmidt, Kohl oder Genscher hätten niemals das Vertrauen aufs Spiel gesetzt, das wir Deutschen bei unseren Verbündeten haben müssen!“

Sogar für Kiews umstrittenste Forderung an Berlin hat der FDP-Politiker Verständnis: „Waffen können eine Geste sein, oder ein Stück Abschreckung“, erklärt er couragiert. „Wichtig ist, dass wir als Europa zusammenstehen!“

Deftigster Dialog

Maischberger spielt auf einen Honecker-Spruch aus der hitzigen Nachrüstungsdebatte vor 40 Jahren an: „Vertrauen schaffen mit Waffen?“, ulkt sie.

Wir können kein Interesse haben, Russland immer mehr in Richtung China wegzudrängen!“, doziert Wagenknecht.

Ach, Ach! macht Baum und wiegt verächtlich das graue Haupt.

Verärgert holt Wagenknecht ein klassisches Putin-Argument aus dem Arsenal: „Eine Rakete wäre in wenigen Minuten in Moskau!“

„Und in Berlin!“, kontert Baum unbeeindruckt. Leute!

Spannendste Analyse

Russland ist ein ökonomischer Zwerg“, urteilt der FDP-Politiker zum Schluss. „Die Wirtschaftskraft entspricht der von Belgien. Putin hat Angst vor seinem eigenen Volk. Wir dürfen diesem Mann nicht durchgehen lassen, dass er uns unter so einen Druck setzt!“

„Deutschland sollte sagen: Wir wollen die Ukraine nicht in der NATO, und wir garantieren das“, schlägt die Linke allen Ernstes vor. Heidewitzka! Die Ukrainer müssten dann wohl gar nicht mehr gefragt werden?

Emotionalste Erinnerung

Baums Großmutter ist in der Ukraine geboren, die Mutter in Moskau, der Vater starb in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. „Ich war 1966 zum ersten Mal in Russland“, berichtet der Liberale. „Also ich habe eine tiefere innere Beziehung zu Russland.“

Aber, so der Liberale: „Das bedeutet nicht, das ich eine innere Beziehung zu Putin habe. Ich möchte die Russen eher vor Putin bewahren.“ Darauf ein dreifaches Spassibo!

Fazit

Mutige Neubewertungen statt abgedroschener Lügen, Aufklärung gegen Angstmache, kräftige Anti-Panik-Injektionen: Das war eine Talkshow der Kategorie „Notfallmedizin“.

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