„Maybrit Illner: Iran und die Bombe – war Europa zu naiv?“ ZDF, Donnerstag, 16.Januar 2020, 22.15 Uhr.
Bundesaußenminister Heiko Maas ist in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag wegen seiner vorsichtigen Haltung gegenüber den Menschenrechtsverletzungen der Mullahs erheblich unter Druck geraten. Besonders die aus dem Iran stammende Journalistin Shahrzad Osterer, Radioreporterin beim Bayerischen Rundfunk, setzte dem SPD-Politiker mächtig zu.
Kaum dröhnt die Kriegstrommel in Nahost wieder etwas dezenter, geht der Atomalarm los. „Iran und die Bombe – war Europa zu naiv?“ hatte Talkmasterin Maybrit Illner gefragt. Mit dem Minister hatte sich dazu eine Expertenrunde zusammengefunden:
Die Militärexpertin Florence Gaub ist Vize-Direktorin des Europäischen Instituts für Sicherheitsstudien in Paris (EUISS).
Die Politologin Constanze Stelzenmüller arbeitet für eine Denkfabrik in Washington. Und der Politologe Arye Sharuz Shalicar, Sohn jüdischer Iran-Emigranten und in Deutschland aufgewachsen, war Sprecher der israelischen Armee.
Zum Start eine drastische Warnung
„Wenn die Iraner jetzt hardcore produzieren“, sagte Politologe Shalicar voraus, „könnten sie schon Ende 2020 atomar bewaffnet sein!“
„Das würde die Sicherheitslage dramatisch verändern“, meinte Maas und pumpte weiter Sauerstoff in den halbtoten Atomdeal mit den Mullahs: „Ohne das Abkommen müsste man befürchten, dass die Iraner schon jetzt die Atombombe hätten!“
Erster Applaus
„Es gibt gute Gründe, dem Iran zu misstrauen“, stellte Militärexpertin Gaub dazu fest.
„Waren wir zu gutgläubig?“ fragte Illner.
„Wir haben auch viel Misstrauen“, erklärte Maas. „Das war auch der Grund für dieses Abkommen.“ Aber: „Wir brauchen Angebote, um den Iran überhaupt an den Tisch zu bekommen. Der maximale Druck der USA hat uns nicht weitergebracht!“
Shalicar schlug einen Mittelweg aus Druck und Diplomatie vor. Dafür gibt es schon mal Beifall.
Klarste Kante
Politologin Stelzenmüller stieß sich an dem ständig wiederholten Bekenntnis, dass die Existenz Israels Teil der deutschen Staatsraison sei: „Das ist billig, solange die USA 95 Prozent des Gewichts dieses Versprechens tragen!“ schimpfte sie.
Ihre Warnung: „Die Einhaltung des deutschen Versprechens, das sind ganz andere Dinge. Das ist das, was uns jetzt bevorsteht!“
Interessanteste Info
Shalicar, im Iran geboren, steuerte etwas weniger Bekanntes über die dort herrschenden Schiitensitten bei: „Generell sollte man großes Misstrauen haben, wenn es um die Mullahs geht“, sagte er.
Denn in der schiitische Ideologie gebe es die Doktrin der Taqiyya, und die bedeute, so der Experte: „Wenn man sich bedroht fühlt, darf man lügen“.
„Die haben das voll ausgebaut, die Schiiten“, stellte Shalicar fest. „Und in diesem Sinne sind die voll o.k. damit, zu lügen.“
„Das gibt es aber nicht nur im Iran“, sagte Maas und erzielte einen Lacher.
Emotionalste Anklage
„Vor zwei Monaten wurden im Iran auf der Straße 1500 Menschen durch gezielte Schüsse aus nächster Nähe getötet, darunter 200 Kinder!“ berichtete Reporterin Osterer sichtlich bewegt. „Es wurden 7000 Menschen verhaftet! Die Familien der Getöteten werden schikaniert!“
Ihr Vorwurf: „Die Menschen gehen jetzt wieder auf die Straße, und sie haben eine klare Botschaft. Sie haben verstanden, dass dieses System nicht reformierbar ist. Sie haben aber auch verstanden, dass wir nicht wollen, dass eine ausländische Kraft sich einmischt und uns die Demokratie mitbringt, weil das nicht funktioniert.“
Hoffungsvollster Appell
„Die Menschen rufen laut nach einem Referendum“, schilderte die Journalistin. „Herr Maas, Sie sitzen gerade am Verhandlungstisch mit den Iranern. Fordern Sie doch ein offenes Referendum über die islamische Republik als Staatsform!“
Und weiter sagte sie zu dem Minister: „Ich bewundere Ihre Haltung. Ich stehe hinter Ihnen, wenn Sie sagen, Sie möchten dieses Atomabkommen retten. Aber das darf nicht auf Kosten der Menschenrechte im Iran und in der Region passieren!“ Dafür gab es einen langen Beifall.
Dann ging doch noch das Zoff-o-Meter los
„Die Art, wie die iranische Regierung damit umgegangen ist, ist völlig unakzeptabel“, verteidigte sich Maas, doch die Iranerin funkte sofort dazwischen: „Wir haben nichts gehört von den europäischen Politikern! Keine Reaktion, nach so vielen Toten auf den Straßen!“
„Doch!“ widersprach der Minister. „Sogar im Deutschen Bundestag hat dazu eine Debatte stattgefunden, und das ist dort auch von der Bundesregierung noch einmal in aller Deutlichkeit verurteilt worden.“
Diplomatischste Antwort
Die Talkmasterin schaltete sich ein: „Ein Referendum ist der Vorschlag“ erinnerte sie.
Doch Maas blieb sich treu: „Ich weiß nicht, ob es denen, die im Iran auf die Straße gehen, hilft, wenn die westliche Welt den Iran auffordert, ein Referendum zu starten“, meinte er im bewährten Diplomaten-Modus: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!
„Man kann doch den Druck aufrecht erhalten!“ hoffte die Iranerin.
„Ich würde gern mit dem Iran darüber reden“, erwiderte der Minister. „Dafür müssen wir uns an einen Tisch setzen. Aber der iranischen Führung jetzt die Möglichkeit zu geben, zu sagen, alle, die jetzt demonstrieren, sind die Agenten Amerikas oder des Westens – da muss man vorsichtig sein!“
Mutigstes Versprechen
„Aber Herr Maas!“ sagt die Iranerin. „Bei den letzten Verhandlungen hat man die Menschenrechtsfrage auch nicht adressiert! Ich habe das Gefühl, dass das immer hinten runterfällt!“
„Nee!“ widersprach Maas noch einmal. „Alles, was im Iran passiert ist in der Menschenrechtsfrage, ist nochmal auf den Tisch gelegt und in aller Klarheit auch verurteilt worden!“
Aber: „Wenn wir etwas ändern wollen, nützt es nichts, wenn wir hier in Deutschland Pressemitteilungen verschicken. Da muss man auch Druck ausüben“, stellte der Minister klar und versprach: „Menschenrechte sind immer ein Thema gewesen, und darin werden wir, das kann ich Ihnen versichern, nicht nachlassen!“
Danach warnte Maas noch vor einer anderen Krise: „Wenn die Entwicklung in Libyen so weiterlaufen gelassen wird, dann wird Libyen das nächste Syrien werden!“ Heiko Maas
Aufschlussreichstes Bild
„Ich denke, die Tage dieses Regimes gehen dem Ende zu. Es gibt Bilder, die ganz klar zeigen, dass sich etwas verändert“, meinte Politologe Shalicar und zeigte ein Foto vom Eingang zu einer Moschee: Auf dem Boden große Flaggen Israels und der USA, davor Gläubige, aber niemand setzt oder stellt sich darauf.
„Das islamische Regime hat all die Jahre von den Menschen gefordert, auf der israelischen und der amerikanischen Flagge ihren Dreck abzutrampeln“, erklärte Shalicar dazu, doch: „Das machen die Iraner mittlerweile teilweise nicht mehr. Und das ist ein klares Zeichen auch an Deutschland, dass man wirklich im Lande eine Veränderung möchte.“
Große Gläser voll politischer Korrektheit und so manche Fata Morgana des politischen Wunschdenkens, aber zumindest kein dramatisches Denkdesaster oder gar kantenlos gefeiltes Kuschelschwätzen: Das war ein Talk aus der Rubrik „Not und Tugend“.