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Gas-Talk bei Illner: Umlage-Opfer drohen mit Selbstmord!

Preise steigen, Sorgen wachsen (v.l.) Ramona Ballod, Stephan Weil, Maybrit Illner, Christian Lindner, Robin Alexander. Schalte: Prof. Veronika Grimm

„Maybrit Illner: Preise steigen, Sorgen wachsen – wie gerecht wird die Hilfe?“ ZDF, Donnerstag, 25.August 2022, 22.35 Uhr.

Zoff um Dienstwagen, Übergewinne und Entlastungspakete! Der Kanzler trotzt dem Trillerpfeifen-Tribunal der Troublebürger, und Maybrit Illner fragt ins Eingemachte. Ihre Gäste:

Christian Lindner (43, FDP). Der Finanzminister twittert: „Wir müssen entlasten und die Ursachen der Inflation bekämpfen – durch solide Staatsfinanzen und die Stärkung der wirtschaftlichen Basis“. Gut gebrüllt, Löwe!

Stephan Weil (63, SPD). Niedersachsens Ministerpräsident fordert zusätzliche Hilfen für Geringverdiener und Rentner.

Prof. Veronika Grimm (50). Die Wirtschaftswissenschaftlerin aus dem Sachverständigenrat fordert ein Gasembargo gegen Russland und lehnt eine Übergewinnsteuer ab.

Ramona Ballod. Die Verbraucherschützerin aus Thüringen will, dass das Kartellamt die Energiepreise überprüfe.

Robin Alexander (47). Der WELT-Vize erlebte auf der Kanada-Reise von Kanzler und Vizekanzler ein peinliches „Maskengate“.

Chaos ist, wenn an einer Ampel alle Farben gleichzeitig leuchten. Das Publikum hofft auf rasche Reparatur!

Klarster Startvorteil

Wahlkämpfer Weil schießt schon mit dem Anstoß ein Eigentor. Die dringend nötige Korrektur der völlig missglückten Gasumlage erinnere ihn, schmunzelt er gutgelaunt, an das „Strucksche Gesetz“ des einstigen SPD-Fraktionschefs: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es reingegangen ist.“ Puh!

Lindner pocht auf den nötigen Ernst:

„Es geht darum, Verbraucher zu schützen“, stellt er klar. „Eine Maßnahme der Solidarität kann nicht dazu dienen, dass einzelne Unternehmen ihre Rendite pflegen und Gewinne machen. Wir scheuen uns nicht vor Korrekturen.“ Punkt!

Dramatischstes Alarmsignal

„Wir haben parallel das Problem, dass wir extrem viel Gas sparen müssen, um für den Winter gewappnet zu sein“, meldet die Wirtschaftsforscherin über Schalte aus Südfrankreich. Ihre Forderung sind Sparanreize über den Preis, deshalb sei die vom Kanzler verkündete Mehrwertsteuersenkung „eher kontraproduktiv“. Uff!

Verbraucherschützerin Bellod schockt die Runde mit einer drastischen Warnung: „Wir haben zunehmend Leute, da weiß man gar nicht so richtig: Wollen die nur einfach mal ihren Frust loswerden? Wollen die uns ankündigen, dass sie sich das Leben nehmen?“

Ihr erschreckender Bericht: „Das sagen die tatsächlich in den Gesprächen. Unsere Berater sind damit heillos überfordert!“

Verärgertste Schuldzuweisung

„Wir haben schon sehr viele Versorger abgemahnt, weil sie ungerechtfertigte oder falsche Erhöhungsschreiben verschickt haben“, wettert Bellod weiter. „Es herrscht ja gerade völlig wilder Westen. Die Preise steigen ins Utopische!

WELT-Alexander ortet die Verantwortung bei den Gasversorgern Juniper und Gazprom Germania: „Die haben geholfen, uns Putins Schlinge um den Hals zu legen. Der Chef von Juniper war jetzt mit Robert Habeck und Olaf Scholz in Kanada und wirkte sehr entspannt für jemanden, der jeden Tag ein paar Millionen Euro verliert!“

Verständnisvollste Kritik

„Wir helfen Menschen, die schuldlos in Not geraten sind, mit dieser Umlage“, lobt sich Lindner forsch, dann aber läuft es bei ihm nicht mehr rund: „Jetzt werden wir, äh, schauen, ob sie auch diese Zwecke erfüllt. Äh, ich weiß, dass der, äh, Kollege Habeck das, äh, genauso äh, aufmerksam betrachtet…“

„Es wird immer komplizierter“, assistiert Weil koalitionstreu.

Klügste Beobachtung

Kompliziert ist gar kein Ausdruck! „Warum kann ein so eloquenter Mensch wie Christian Lindner das hier nicht so erklären, dass alle zu Hause sagen: O.k., leuchtet ein, das ist eine gute Sache?“, wundert sich der WELT-Journalist.

Gute Frage! Alexander gibt die Antwort selbst: „Weil es ein Kompromiss ist, zwischen Grün und FDP. Und der ist so geworden, wie es ja manchmal in der Politik geht, dass man sich am Ende auf etwas einigt, das nicht so wirklich funktional ist.“ Rumms!

Prompt geht das Zoff-o-Meter los

Der Finanzminister ist sichtlich angefasst: „Das ist einfach nur ausgedacht“, ruft er erbost. „Es stimmt nicht, dass das ein Kompromiss zwischen Grünen und FDP wäre!“

„Moment!“, staunt der WELT-Mann. „Das ist Habeck pur? Das hätte er auch gemacht, wenn er nicht mit Ihnen koaliert hätte?“

Heftiges Nicken bei Lindner: „Davon gehe ich aus“, beharrt er.

Alexanders Konter: „Da bin ich ja mal gespannt, was die Grünen dazu sagen.“ Check!

Verheerendste Vorschau

„Bei den Mietern werden die Abschläge bei den Heizkosten immer nach dem Vorjahresverbrauch berechnet“, warnt die Wirtschaftsweise. „Sie werden bei der Abrechnung im Sommer 2023 sehr, sehr hohe Nachzahlungen erleiden!

Illner hat dazu einen ZDF-Eispieler vorbereitet: Singles zahlen statt 430 Euro künftig 1973 Euro, ein Zwei-Personen-Haushalt kommt von 888 Euro auf 2463 Euro, die vierköpfige Familie klettert von 1258 Euro auf 3633 Euro. Hilfe!

Ehrlichste Selbstauskunft

Das ist natürlich ein Wahnsinn, der da auf die Menschen zukommt“, gruselt sich Illner und peilt die Verbraucherschützerin an. „Können Sie den Bürgern raten, freiwillig ihre Abschläge zu erhöhen?“

„Es kommt auf den Versorger oder den Vermieter an, dem ich das Geld in die Hand drücke“, antwortet Bellod vorsichtig. „Habe ich so viel Vertrauen, dass ich das wiedersehe? Dass der nicht trotzdem insolvent geht? Wer sich das leisten kann und auch so gestrickt ist – ich bin es zum Beispiel nicht…“

Wichtigstes Versprechen

„Wir werden noch vor Oktober Klarheit haben über das Entlastungspaket für den Winter“, kündigt Lindner dann an. „Das ist zwingend. Die Haushaltsberatungen beginnen im September.“

Aber, so der Finanzminister weiter: „Die Lehre aus dem 9-Euro-Ticket ist nicht ein nahezu kostenloser Nahverkehr in Deutschland. Das würde 14 Milliarden Euro kosten. Aber der Tarifdschungel muss gelichtet werden.“ Und dann würde der ÖPNV auch billiger.

Ungewöhnlichster Vorschlag

„Wir sind nicht am Scheitelpunkt oder am Ende der Krise!“, warnt Weil. „Wir sind am Anfang der Krise! Wir müssen jetzt die Weichen so stellen, dass die Menschen ohne existentielle Not in die Zukunft blicken können!“

Die Lösungsideen des Sozialdemokraten: „Entweder wir erhöhen die Steuern, oder wir besorgen uns auf dem Kapitalmarkt die notwendigen Mittel“ – Schuldenbremse ade…

Theoretisch gäbe es auch noch eine dritte Möglichkeit: Dass der Staat irgendwo spart“, spottet der WELT-Mann. „Nur um das mal theoretisch in den Raum zu stellen.“ Heiterkeit bei den Politikern!

Letzte Ausfahrt

Der Wirtschaftsweisen bleibt es vorbehalten, beim Strompreis das Unwort auszusprechen, dass alle bisher peinlichst vermieden haben: „Wir müssen ganz dringend dafür sorgen, dass das Angebot da ist“, verlangt sie, „im Sinne auch, die Atomkraftwerke noch mal zu verlängern.“ Eifriges Nicken bei Lindner.

Dafür kriegt der FDP-Chef das letzte Wort. „Wolfgang Kubicki fordert schon, über das Ende der Sanktionen nachzudenken und Nordstream 2 zu öffnen“, erinnert die Talkmasterin. „Was haben Sie ihm empfohlen?“

Da macht der Finanzminister aber ganz schmale Lippen. „Das ist falsch und abwegig“, antwortet er. „In der Ukraine wird auch unsere Freiheit, wird auch unser Frieden verteidigt.“ Amen!

Zitat des Abends

Ob ich wiedergewählt werde oder nicht, das ist vergleichsweise unerheblich.“ Stephan Weil zur Niedersachsenwahl am 9.Oktober

Fazit

Viel heiße Luft zwischen Hüpfburg und Bratwurstbude, die Talkmasterin im Freischwimmermodus, der Kanzler im Panzer und sein Team als Klopperkabinett der Kesselflicker: Das war eine Talkshow der Kategorie „Vorhang zu, Fragen offen“.