„maischberger.die woche“. ARD, Mittwoch, 20.November 2019, 22.45 Uhr.
Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber hat in der ARD-Talkshow „maischberger.die woche“ am Mittwoch die Erwartung geäußert, dass es beim CDU-Parteitag am Wochenende nicht zu einem Machtkampf zwischen Parteichefin Annegret Karenbauer und ihrem Konkurrenten Friedrich Merz kommen werde.
Wörtlich sagte Stoiber: „Die CDU ist wirklich gut beraten, wenn sie diese Entscheidung nicht jetzt weit vor der notwendigen Entscheidung trifft!“
Die SPD ist erst mal durch, jetzt steht die CDU am Watschenpranger: Verdruss statt Visionen, Personalien statt Perspektiven, Räsonnieren statt Regieren? Kurz vor dem Parteitag sucht Sandra Maischberger Aufklärung von höchster Stelle!
Weitere Gäste:
Anastasia Biefang (45). Die Diplom-Pädagogin ist Oberstleutnant der Luftwaffe, transgender und Afghanistan-erprobt.
Franz Alt (81). Der TV-Moderator trat 1963 in die CDU ein, als sie Deutschlands einzige Umweltpartei war, und nach Tschernobyl wieder aus.
Anna von Bayern (41). Die Journalistin (BILD) schrieb Bücher über Karl-Theodor zu Guttenberg und Wolfgang Bosbach.
Hajo Schumacher (55). Der Journalist schrieb Bücher mit Klaus Wowereit und über Roland Koch.
schiebt kräftig an!
Interessanteste Personaldiskussion
Beim Blick auf das alte und neue Grüne-Spitzenduo fand Journalist Schumacher, dass „Baerbock die knallhärtere ist. Herr Habeck ist letztlich mehr der Stehgeiger.“ Oha!
Journalistin von Bayern zur Inszenierung des Grünen-Parteitags: „Das war ganz großes Kino. Man hatte das Gefühl, die stehen wirklich im Wald!“
Alt startete mit einem Gender-Späßchen: „Habeck hat mehr Regierungserfahrung, deshalb sollte er als Kanzlerin regieren…“ Dafür sackte er den ersten Beifall ein.
Ehrlichstes Geständnis
Schumacher hatte auch noch ein Etikett für die Grünen: „Feelgood-Partei“.
Alt mochte nicht der uncoole Öko-Streber sein: „Ich bin früher auch schnell gefahren“, rühmte er sich. „Aber heute habe ich kein Auto mehr.“
Klarste Kampfansage
Dann ging es ans Eingemachte. Stoiber nahte mit elastischem Schritt und teilte erst mal aus: „Die Grünen gehen, wenn sie können, immer mit der SPD und den Linken zusammen“, stellte er in seiner typischen Nüchternheit fest. „Deshalb sind die Grünen einer unserer großen Gegner!“
Seine Prognose: „Ich bin überzeugt, dass nach der Grundrente die Große Koalition fortgeführt wird und wir erst im übernächsten Jahr wählen!“
Zähestes Frage-Antwort-Ringen
Maischberger wollte unbedingt den Pudding an die Wand nageln: Ob Annegret Kramp-Karrenbauer die geeignete Kandidatin…
Doch Stoiber drückte gleich mal den Deckel auf die Debatte: „Das ist jetzt nicht entscheidungsrelevant!“
Die Talkmasterin machte trotzdem weiter: „Jetzt mal Butter bei die Fische! Wäre Friedrich Merz der richtige Parteivorsitzende für die CDU gewesen?“
Stoiber blieb cool: „Wir haben Gottseidank immer eine ganze Reihe von Persönlichkeiten…“
Aber Maischberger wollte jetzt wirklich was Fettes: „Ich habe Sie nach Ihrer persönlichen Sympathie…“
Stoßseufzer des Abends
Stoiber lenkte geschickt auf die Selbstdarstellung der Großen Koalition: „Ich bin wirklich kein Freund der SPD, aber sie verkaufen alle ihre Erfolge nicht gut genug.“
Die Talkmasterin frustriert: „Das Interessante ist, ich will immer über die CDU reden, und Sie wollen über die SPD reden!“ Das Publikum war amüsiert.
Spannendste Anekdote
Über Vergangenes sprach der CSU-Grande freier. „Sie sind eigentlich schuld daran, dass der arme Friedrich Merz nicht mehr vorne steht“, warf ihm Maischberger vor. Denn nach der gegen Gerhard Schröder knapp verlorenen Bundestagswahl von 2002 habe Stoiber Angela Merkel gegen Merk als neue Fraktionschefin unterstützt.
„Sie haben Friedrich Merz geopfert!“ urteilte die Talkmasterin. „Hat er Ihnen das übelgenommen?“
„Das hat er mir lange übelgenommen“, gab Stoiber zu. „Aber heute nicht mehr.“ Er habe es damals noch geschafft, Merz in der Fraktion zum Merkel-Stellvertreter wählen zu lassen, die Zusammenarbeit habe da dann aber nicht geklappt.
Und noch mal Pudding-Dart
„Finden Sie, er gehört jetzt wieder zurück in die erste Reihe der CDU?“ wollte Maischberger wissen.
„Er findet das mit Sicherheit“, griente die Sphinx aus Bayern. Wieder Heiterkeit im Publikum. Stoiber weiter: In der CDU, vor allem in Baden-Württemberg, gebe es einen beachtlichen Teil, der noch immer für Merz seien.
Entschlossen packte die Talkmasterin den neuen Hebel: „Finden Sie das richtig?“
Und wieder blockte Stoiber ab: „Das müssen Sie Friedrich Merz fragen…“
Aufschlussreichste Antworten
Im finalen Schnelldurchlauf ließ Stoiber dann doch noch was raus. Über Putin: „Wir werden mit ihm ein neues Kapitel aufschlagen müssen.“ Über Trump: „Die Amerikaner ticken ein Stückchen anders.“
Mutigste Außenseitermeinung
„Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, hat eine größere Chance als AKK“, sagte Alt über die CDU-Kanzlerkandidaten.
Schumacher feuerte auf Merz und seine Firma schnell noch eine Binse ab: „Mindestlohn-Geld ist was anderes als Blackrock-Geld!“
Und Alt steuerte einen Namenswitz bei: „Was ist der Lieblingsmonat von AKK? Ende Merz!“
Bewegendste Geschichte
Dann wurde es ernst. Oberstleutnant Biefang schilderte ein Leben zwischen zwei Welten: der beruflichen als Mann und der seelischen als Frau.
Höhepunkt das Outing im Bundesministerium der Verteidigung, Abteilung Strategie und Einsatz: Biefang hatte sich seinem Vorgesetzten, einem General, anvertraut. Beide beschlossen, sofort offensiv damit umzugehen. Biefang damals: „Ich stehe jetzt einfach zu mir, und wir werden sehen, was passiert.“
Stärkster Satz
Der General ging mit ihr in die bereits laufende Konferenz und sagte militärisch knapp: „Jetzt mal was anderes. Oberstleutnant Biefang hat kurz was anzusagen!“
„Danach“, so Biefang, „sagte ich, ich sei transsexuell, und jetzt würden meine Haare vielleicht etwas länger werden.“ Das war’s. Ein rasches Ende nach 25 Jahren des Versteckspielens.
Danach zeigte Maischberger eine Szene aus der Kino-Doku „Ich bin Anastasia“, die heute anläuft und in der Mutter Biefang sagt: „Ich habe vierzig Jahre lang einen Sohn gehabt. Vielleicht werde ich, so Gott will, jetzt noch einige Jahre eine Tochter haben.“
Polit-Spannung ohne verlogene Betroffenheitsökonomie, Sympathiewellen ohne ranschmeißerische Zustimmungswerbung, im Frage-Antwort-Duell Florett statt schwerer Säbel: Das war ein „Stil und Form“.