„Maybrit Illner: Mit dem Virus im Gepäck – wie riskant wird der Sommer?“ ZDF, Donnerstag, 1.Juli 2021, 22.15 Uhr.
Der Chef der Bundesimpfkommission Stiko, Prof. Thomas Mertens, hat in einem Interview für die ZDF-Talkshow „Maybrit Ilner“ am Donnerstag erklärt, dass die von vielen geforderte Impfung der Jüngsten nur geringe Effekte erzielen würde.
Wörtlich sagte der Wissenschaftler: „Natürlich wissen wir, dass es, wenn man die Kinder und Jugendlichen nicht impft, vermehrt Infektionsfälle geben wird. Aber die Auswirkung auf die Hospitalisierung (Krankenhauseinweisungen) sowohl in dieser Altersgruppe als auch in der Gesamtbevölkerung und auch der Todesfälle ist sehr gering.“
Durch Deutschland rollt eine neue, hochansteckende Infektionskrankheit: das Urlaubsfieber! Maybrit Illner meldet sich aus dem ZDF-Panikraum. Die Gäste
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von MeckPomm, will härtere Regeln für Heimkehrer aus Risikoregionen.
Christian Lindner (FDP), Partei- und Fraktionschef, fordert eine klare Linie, ob Jugendliche geimpft werden sollen.
Prof. Helga Rübsamen-Schaeff, Virologin, Chemikerin und Managerin, schlug Alarm: „Die vierte Welle wird kommen!“
Die Ärztin Lisa Federle, Deutschlands tüchtigste Pandemiebeauftragte, ist immer noch sauer, weil ihr vorbildliches „Tübinger Modell“ vom Bund gnadenlos gecancelt wurde.
Prof. Mertens wartet noch auf wichtige Studienergebnisse.
Der Journalist Thilo Wagner meldete aus Lissabon: „Wegen Delta wird das kein normaler Sommer werden!“
Magenta-Moderator Johannes B.Kerner (56) musste passen: Stimme weg!
Politik, Wissenschaft, Medien: Wer rüttelte heute am Zoff-Baum? Karl Lauterbach, der Silberrücken unter der deutschen Pandemikern, kam erst hinterher dran, bei „Markus Lanz“.
Massivster Vorwurf
Den ersten Einlauf zog Ärztin Federle zog auf: „Ganz schlimm finde ich, was in England läuft, und auch in Ungarn, dass die bei der EM dort dicht an dicht sitzen!“ wetterte sie. „Das wird uns einholen!“
Ihr Ärger: „Ich finde das ein Unding, dass wir die ganzen Kinder und Jugendlichen eingesperrt haben, und jetzt geht’s so zu! Das können wir unserer jungen Generation nicht mehr erklären!“
Eindringlichste Warnung
„Wenn ich die Bilder sehe, denke ich: Hoffentlich geht’s gut“, assistierte der FDP-Chef, dessen Bart wieder einen Millimeter länger und eine Stufe grauer ist.
Lindners Sorge: „Ich weiß nicht, warum wir nicht eine abgestimmte Strategie in Europa haben, unter welchen Bedingungen Reisen und Freizügigkeit möglich sind. Wir haben uns jetzt mit einem hohen Preis etwas erarbeitet, und jetzt dürfen wir nicht wieder zurückfallen!“
Fundierteste Kritik
„Wir alle atmen auf und sind froh, dass wir jetzt einen Sommer der Zuversicht haben“, meldete sich Schwesig leicht angebräunt auf ihrem Monitor. „Aber gleichzeitig fragen sich alle: Wie lange geht das gut, und sind wir vorbereitet auf die Delta-Mutante?“
„Wir hatten im letzten Jahr strengere Regeln, wenn man aus Risikogebieten zurückkam, als in diesem Jahr“, stellte die Ministerpräsidentin fest. „Dabei haben wir in diesem Jahr die ansteckende Delta-Mutante. Das passt nicht zusammen!“
Unwillkommenste Botschaft
Prof. Rübsamen-Schaeff hatte bedenkliche Infos dabei: „Wir haben in NRW den Fall eines doppelt geimpften Mannes aus einem Altersheim, der trotzdem an der nächsten Infektion verstorben ist“, warnte sie.
Ihr Problem: „Man hat gedacht, wenn ich eine Impfquote von 60 Prozent erreicht habe, dann habe ich die berühmte Herdenimmunität. Aber Delta als eine sich sehr schnell ausbreitende Mutante braucht wahrscheinlich eine höhere Durchimpfung!“
Vernünftigste Entscheidung
„Ich hatte gerade eine Reise nach London zu offiziellen Gesprächen mit Regierungsvertretern in Vorbereitung“, berichtete Lindner. „Ich habe diese Reise zurückgestellt, weil man das auch auf digitalem Wege machen kann.“
Alarmierendste Zahl
„Das Delta-Virus ist da“, erklärte Prof. Rübsamen-Schaeff, „das brauchen wir uns gar nicht erst aus dem Ausland zu holen. Die Hälfte der jetzigen Infektionen sind schon Delta, und Herr Wieler (Robert-Koch-Institut) hat das Gefühl, es dauert noch eine Woche, dann haben wir hundert Prozent!“
Düsterste Prognose
Aus Lissabon wurde Tilo Wagner zugeschaltet. Die Portugiesen fürchten, dass dieser Sommer noch schlechter sein könnte als der letzte, berichtete er. Und damals seien die Übernachtungen der ausländischen Touristen um 60 Prozent zurückgegangen.
Ehrlichste Empfehlung
„Wir wollen, dass mindestens der Standard eingehalten wird, den wir letztes Jahr hatten“, forderte Schwesig. „Wenn jemand aus einem Risikogebiet kommt, war die Regel: fünf Tage Quarantäne und ein zweiter Test!“
Ihr Rat: „Ich kann nur empfehlen, in diesem Jahr möglichst auf solche Reisen zu verzichten. Gerade Urlaubsreisen kann man gut in Deutschland machen, und am besten in Mecklenburg-Vorpommern.“ Heiterkeit in der Runde!
Unernsteste Reaktion
„Wir werden mit dem Virus leben müssen“, sagt Ärztin Federle voraus, „und zwar auf längere Zeit. Wir reden jetzt hier über Delta. Vielleicht sitzen wir in zwei Monaten hier und reden über Omega!
„Das griechische Alphabet ist lang“, lachte Illner.
„Aber nach Omega kommt nichts mehr“, beruhigte Lindner. Uff!
Gefährlichste Diskussion
Die Professorin fürchtete, „dass wir irgendwann in eine Diskussion kommen: Wieviel Freiheit genießen wir auf Kosten von wieviel Menschen, die krank sind oder sterben?“
„Die Menschen brauchen irgendwo auch noch eine Hoffnung und eine Zuversicht“, mahnte die Ärztin. „Bei mir in der Praxis sitzen Menschen, die finden keinen Psychologen mehr, weil die alle überfüllt sind. Die haben Depressionen und teilweise suizidale Gedanken. Und das sind dann auch potentielle Tote!“
„Wir stoßen an Grenzen der Akzeptanz“, bestätigte der Chefliberale. „Die Menschen sind müde. Weshalb ich zur Vorsicht mahne, jetzt wieder die Schraube anzuziehen!“
Beklemmendste Info
„Jetzt müssen Vorbereitungen für die Aufimpfung getroffen werden. Medikamentierung. Teststrategien in den Schulen. Lollitests. Pooltests. Impfangebote für Kinder und Jugendliche entwickeln“, zählte Lindner auf.
Die Quote der abgesagten Termine für Zweitimpfungen etwa in Mecklenburg-Vorpommern liege bei 40 Prozent, beklagte Lindner. Das Schlimme sei, dass der verschmähte Impfstoff dann so kurzfristig auch nicht mehr für andere genutzt werden könne und verfalle. Puh!
Skurrilstes Beispiel
„Wir haben jetzt genug Impfstoff“, beteuerte Schwesig. Von nun an gebe es für alle sogar eine „Happy hour“ von 18-21 Uhr.
Lindner war nicht sicher, dass das die Impfmuffel wirklich lockt: „Ich bin heute durch die Stadt gefahren, da hatte jemand lauter Masken auf sein Auto geklebt“, berichtete er, „und da stand drauf: Rollendes Mahnmal gegen die Maskenpflicht!“
Aufschlussreichste Mitteilung
Danach spielte Illner ein Interview ein, das sie vor der Sendung geführt hatte. „Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es noch gar keine kontrollierten Studien“, erklärte dabei Prof. Martens von der Ständigen Impfkommission der Bundesregierung (Stiko).
„Bei dem jetzt zugelassenen Impfstoff für die Altersgruppe der 12- bis 15-jährigen“ wiederum, so der Impf-Papst weiter, „werden wir ungefähr noch drei bis vier Wochen brauchen, um die Ergebnisse über die möglichen Nebenwirkungen zu erhalten.“
Wichtigste Aussage
Und dann wiederholte der STIKO-Chef: „Bisher ist die Auswirkung der generellen Impfung aller gesunden Kinder in dieser Altersgruppe auf den weiteren Verlauf der Pandemie in Deutschland gering.“
Tiefster Stoßseufzer
„Kein gutes Gefühl“, gestand Schwesig, Mutter eines 14-jährigen Sohnes. Auch ihre Kinderärztin habe ihr geraten, mit seiner Impfung noch zu warten.
„Wir Eltern sind doppelt geimpft, aber wir können nicht viel für unsere Kinder tun“, fügte die Ministerpräsidentin beklommen hinzu.
Ehrlichste Ansage
Im Endspurt rackerte sich Federle noch mal ab: „Wir haben so viele Dinge falsch gemacht“, gab sie zu. „Wenn jetzt was schiefläuft wenn wir Kinder impfen, und es gibt nicht geahnte Risiken, dann machen wir uns an den Kindern schuldig.“
Denn, so die Ärztin: „Wir impfen die Kinder in erster Linie, um uns selber abzusichern. Deswegen müssen wir das ganz sorgfältig abwägen!“
Und: „Ich würde meinen Patienten immer das raten, was ich auch selber machen würde.“
Interessantestes Schlusswort
Federles Vorschlag kurz vor Abpfiff: „Wenn wir tatsächlich mit dem Virus über längere Zeit leben müssen, müssen wir darüber nachdenken, ob wir die Sommerferien, wo es warm ist, verkürzen und dafür die Winterferien, wo sich das Virus durch die Kälte viel, viel mehr ausbreitet, verlängern.“
Fazit
Besorgte Fragen, qualifizierte Antworten. Profi-Infotainment ohne Lockdownsucht und Schlaumeierismen, stattdessen knusprige Kontroversen zwischen Faktendrama und Hysterienspiel: Das war ein Talk des Typs „Tunnelbohrung“.