„Hart aber fair: Wahlkampf um Mieten und Bauen – wie bleibt das Wohnen bezahlbar?“ ARD, Montag, 13.September 2021, 21.30 Uhr.
Die Mieten sausen durch die Decke, die Chancen auf die eigenen vier Wände rauschen immer tiefer in den Keller! Frank Plasberg suchte nach Erklärungen und Lösungen.
Die Gäste
Hubertus Heil (SPD). Der Bundesminister für Arbeit und Soziales nutzt jede Gelegenheit, für seine Genossen zu werben.
Tilman Kuban (CDU). Der Chef der Jungen Union punktet mit Ideen für junge Familien.
Ricarda Lang (Grüne). Die Parteivizechefin bekennt sich beim Streitthema Enteignungen zu einem glasklaren Jein – vor der Wahl.
Julie Kurz. Die ARD-Journalistin zog von London nach Berlin und kam dabei von der Traufe in den Regen.
Rainer Hank. Der Wirtschaftsjournalist (FAS) wird von Plasberg augenzwinkernd als „Gottvater der Marktwirtschaft“ gefeiert.
Gab’s echte Information oder doch nur Ideologie? Im ARD-Quartell, dem „Vierkampf“ der kleineren Parteien zuvor, war zuvor schon ziemlich Gruseliges etwa über Enteignungen zu hören.
Marktwirtschaftlichste Vorschläge
Zum Start checkte Plasberg die Claims ab. JU-Kuban wollte „mehr bauen, auch in Dachgeschossen“ und zudem den ländlichen Wohnraum mit Verkehrs- und IT-Infrastruktur aufpeppen: Dort gebe es 1,2 Millionen leerstehende Wohnungen.
Vom Mietendeckel hielt er nichts: „In Berlin haben wir damit einen Rückgang auf dem Wohnungsmarkt von 30, 40 Prozent!“
Dirigistischste Ideen
Grüne-Lang haute sofort ihre Parolen raus: Mieter von der Großen Koalition im Stich gelassen, weil Immobilienlobby. Enteignungen möglich. Eine Million neue Sozialwohnungen bauen. Anstieg der Mieten auf 2,5 Prozent beschränken.
„Also Mietendeckel light“, lästerte der Talkmaster.
Präziseste Analyse
„Dass Wohnen ein Grundbedürfnis ist, ist völlig richtig“, erklärte der FAS-Journalist, „aber dieses Grundbedürfnis kann nicht überall zum gleichen Preis eingelöst werden.“
Denn, so Hank: „Dass wir über Mieten diskutieren, liegt daran, dass die Menschen alle in die Städte wollen. Das ist ein Nachfrageproblem.“
Und schon ging der Zoff los
„Wenn die Nachfrage steigt und das Angebot nicht nachkommt, steigen die Preise“, dozierte der Journalist. „Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Die sozialistische oder sozialdemokratische Variante ist: Wir greifen ein in den Preismechanismus. Mietspiegel, Mietendeckel Enteignung. Das ist klassisch sozialdemokratisch.“
„Nananana!“ protestierte Heil. „Nun sei mal vorsichtig!“
Doch Hank zog seinen Gedanken trotzdem durch: „Oder wir machen es marktwirtschaftlich, so wie Herr Kuban gesagt hat. Dann weiten wir das Angebot aus und bauen. Eingriff in die Preisbildung bringt nichts für Ausweitung des Angebots!“
Bedrückendste Botschaft
„Wir testen mal die Nervenstärke von Herrn Heil“, griente der Talkmaster und nahm als nächsten nicht den Minister, sondern erst noch die ARD-Journalistin dran.
„Ich möchte beginnen mit schlechten Nachrichten“, kündigte die Neu-Berlinerin an. „Es ist noch Luft nach oben! In London hat man für 80 Quadratmeter 3000 Euro gezahlt.“ Und Berlin habe sich da schon ein bisschen angenähert.
Unbekümmertste Wahlwerbung
Heil hat SPD-Genossen als Spitzenkandidaten im Bund und in Ländern, die wollte er jetzt unterstützen: „Hamburg hat 2011 unter Olaf Scholz das Thema angegangen“, rühmte der Minister. „Die haben inzwischen zehnfach mehr sozial gebundenen Wohnungsbau als das Land Baden-Württemberg, pro Kopf der Bevölkerung!“
„Aber die Mietpreisbremse hat dort auch Probleme“, grätschte ARD-Kurz dazwischen.
Doch Heil blieb am Ball: „Wir wollen zumindest in angespannten Wohnlagen eine Atempause für Mieter, und das gibt das Mietrecht auch her, wenn wir es richtig machen.“
Und wieder Zoff
Die Journalistin kippte ihm tüchtig Wasser in den rotem Wein: „In Hamburg hat die Mietpreisbremse auch dazu geführt, dass viele Vermieter luxussaniert haben, was dazu geführt hat, dass zum Teil die Preise gestiegen sind!“ stellte sie fest.
Für Heil waren daran andere Schuld: Die „Immobilienlobby“ habe „über die Unionsfraktion in der Gesetzgebungsverfahren Einfluss genommen“, behauptete er. Aha.
Ernüchterndste Zahlen
Ein ARD-Einspieler zeigte: Durch den Mietendeckel sanken die Mieten in Berlin um 7,8 Prozent, das Angebot an Mietwohnungen aber um 30 Prozent. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Deckel kassierte, stiegen das Angebot um 32 Prozent und die Mieten um 6,7 Prozent.
Auch die Grüne, in Berlin an dem gescheiterten Projekt beteiligt, suchte die Schuld woanders: „Es war nicht eingebettet in ein bundesweites Konzept, weil die Bundesregierung sich weigert, eine soziale Mietenpolitik zu machen!“ schimpfte sie.
Härtester Vorwurf
Dann öffneten sich ihre Redeschleusen: „Wir müssen bauen, bauen, bauen!“ schwallte sie los.
„Ich höre eher die Grünen, die sagen, die Leute sollen doch mit 21 Quadratmetern pro Person zufrieden sein“, funkte Kuban dazwischen.
„Das war jetzt ein bisschen Böse-Voodoo-Puppe rausholen“, tadelte der Talkmaster.
Doch der JU-Chef ließ sich nichts gefallen: „Das war einfach nur eine Klarstellung!“ keilte er zurück.
Launigste Diskussion
Heil forderte einen „Pakt für bezahlbares Wohnen“, aber: „Bis das angelaufen ist, können wir die Mieter in Deutschland nicht im Stich lassen.“
„Dieses Argument höre ich nun schon seit zehn Jahren!“ schnaubte Hank, „und langsam glaube ich es nicht mehr.“
„Das ist keine religiöse Frage“, blödelte der Minister.
„Hamburg ist eine Ausnahme“ gab Hank immerhin zu.
„Scholz hat das großartig angefangen“, strahlte Heil.
„Ist der nicht Kanzlerkandidat bei Ihnen?“ scherzte Plasberg. Heidewitzka!
Überraschendstes Statement
„Der Berliner Mietendeckel war eine Lieblingsidee der Linken“, hielt Plasberg fest. „Die SPD hat die Regierung geführt, und die Linke der SPD hat das begeistert mitgemacht.“
„Nee, begeistert ist eine andere Geschichte“, widersprach der Minister.
Plasberg kam auf den Punkt: „Wir stehen in einer Woche vor einer Bundestagswahl“, funkte er den Minister an. „Es könnte sein, dass es eine rot-rot-grüne Regierung gibt!“
Und Heil? „Eher unwahrscheinlich“ sagte er kurz und knapp. Ui!
Gretchenfrage des Abends
„Ich will Sie jetzt auch gar nicht zu einer Aussage bringen“, behauptete Plasberg. „Ich möchte nur, dass die Menschen wissen, was eventuell in welcher Kombination auf sie zukommt.“
Dann wiederholte der Talkmaster: „Der linke Flügel der SPD hat das begeistert mitgemacht, dabei bleibe ich. Ist das ein Vorgeschmack, was man erwarten kann, wenn Rot-Rot-Grün sich tatsächlich zu einer Regierung zusammenfindet?“
Enttäuschendste Antwort
Doch da zog Heil sofort zurück: „Nach Ihrer langen Frage eine klare Antwort: Unser Modell ist ein anderes“, erwiderte er. „Und das will ich Ihnen erläutern…“
„Ich dachte, Sie hätten jetzt Nein gesagt“, kommentierte Plasberg munter.
„Die Antwort ist Nein!“ sagte der Minister jetzt klar und deutlich, meinte aber nicht die erwartete Linkskoalition, sondern den Mietendeckel.
Letztes Gefecht
Immerhin konnte Heil bei dieser Gelegenheit noch eine kandidierende Genossin unterstützen: „Es geht vor allem darum, und darauf setzt Franziska Giffey in Berlin, dass man den Wohnungsmarkt ankurbeln muss durch Bauen, Bauen, Bauen!“ trompetete er.
Und der engagierte Wahlkämpfer setzte auch hier noch einen drauf: „Übrigens: Olaf Scholz hat auch Bundesliegenschaften stärker zur Verfügung gestellt!“
Berechtigtste Vorwürfe
„Mit der Ideologie der Linkspartei kann ich als Sozialdemokrat nix anfangen!“ machte Heil noch mal klar.
Kuban wollte nicht, dass sich der Minister so leicht unter dem Mietendeckel herausschlängeln konnte: „Die Regierung in Berlin wird immer noch angeführt von einem Regierenden Bürgermeister der SPD“, stellte der JU-Chef fest. „Am Ende hat die SPD das mitgemacht. Das können Sie doch nicht einfach leugnen!“
„Das zeigt doch, dass da was aus dem Ruder gelaufen ist“, urteilte Hank dann über die Anschläge auf ein besonders heftig angefeindetes Wohnungsbauunternehmen. „Diese aggressive Stimmung, die in Berlin ist, die gibt es sonst nicht in der Republik. Da werden Autos von Handwerkern der Vonovia angezündet!“
Doch die Grüne focht das nicht an: Aus dem Ruder gelaufen sei, dass in Berlin so viele Menschen Angst hätten, ihr Zuhause zu verlieren, wettert sie. Ob sie aber für Enteignungen sei, darüber müsse sie erst noch mal nachdenken. Na denn!
Fazit
Grenzwertige Anschauungen, Sprüche aus dem Klassenkrampf, luftgepumpte Scheinargumente und Schnellsiede-Emotionen aus der Überdruckkammer: Das war eine Talk-Show der Kategorie „Phrasierschaum“.