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Sondierungstalk in „Hart aber fair“: Lob für Laschet, Tadel für die Union

„Hart aber fair. Die Zukunft sondieren: Gelingt den Parteien ein Aufbruch?“ ARD, Montag, 4.Oktober 2021, 21 Uhr.

Im Wahlkampf hat bei der SPD der Kandidat geredet und die anderen nicht. Jetzt reden alle, nur nicht der Kandidat. Frank Plasbergs Gäste:

Gerhart Baum (88, FDP). Der Elder Statesman der Liberalen war einst Bundesinnenminister beim Scholz-Idol Helmut Schmidt.

Felix Banaszak (31, Grüne). Der NRW-Landeschef jubelt: „Wir schicken  28 Leute (2017: 12) nach Berlin und haben damit die größte Landesgruppe!“

Sarna Röser (35). Die Bundeschefin der „Jungen Unternehmer“ fordert „Klimaschutz und Digitalisierung mit der Wirtschaft, nicht gegen sie!“

Ulrike Herrmann (57). Die Journalistin („taz“) stichelt: „Die Gespräche der FDP mit der Union sind nur noch Show, um die SPD ein bisschen zu erpressen.“

Robin Alexander (46). Der WELT-Vize ächzt: „Armin Laschet betreibt nur noch politische Insolvenzverschleppung!“

Findet sich in dieser Runde überhaupt noch Unterstützung für die Union?

Ernüchterndstes Eröffnungsplädoyer

Der WELT-Vize hält die Ampel für die wahrscheinlichste Koalition, „weil in der CDU Prozesse sind, dass sie nicht mehr richtig zusammenhalten.“

Die „taz“-Kollegin findet, „dass es im Moment nicht möglich ist, mit der Union zu koalieren“. Denn: „Da gibt es nicht nur die CDU, die im Chaos versinkt, sondern auch die CSU, also eigentlich würden vier Parteien koalieren.“

Interessanteste Feststellung

Ich finde es gegen jeden politischen Anstand, wie die jetzt mit ihrem Spitzenkandidaten Laschet umgehen“, wettert der FDP-Grande los. „Das hat er wirklich nicht verdient!“

Das Bündnis FDP/Grüne findet Baum gut, auch weil „beide bei den Gewerkschaftsmitgliedern gewonnen“ haben. Das sei ein „kleines Signal, dass sich die FDP wieder öffnet in sozialliberale Bereiche.“ Ui!

Nützlichster Heimwerker-Tipp

Ein ARD-Einspieler zitiert, wie sich der Grüne-Chef die Zusammenarbeit seiner Partei mit der FDP vorstellt: „Ich habe da an dicke Bretter und eine SPAX-Schraube gedacht!“ hatte Habeck gesagt.

Der grüne Nachwuchspolitiker darf zwei Minuten im Stück erklären, was bei einer gelb-grüne Koalition zu bedenken sei. Dann stoppt ihn Plasberg mit einer naheliegenden Frage: „Wissen Sie, was eine SPAX-Schraube ist?“

Banaszak will sich rauszureden: „Ich renoviere gerade. Insofern…“

Doch der Talkmaster lässt nicht locker: „Wofür steht SPAX?“ bohrt er nach.

Der Grüne lacht verlegen: „Jetzt erwischen Sie mich auf einem ganz, ganz falschen Fuß“, gesteht er.

„Ich habe nachgeguckt“, triumphiert Plasberg. „Das steht für Spanplattenschraube mit Kreuzschlitzen‘.“ Uff! War das alles? Viel Gedöns, wenig Ertrag!

Optimistischste Prognose

Die Jungunternehmerin zählt Versäumnisse der GroKo auf: Digitalisierung, Klimaschutz, Bildung, Bürokratie. Ihre Hoffnung: „Wir haben eine Chance, mit FDP und Grünen wirklich einen Aufbruch in Richtung Zukunft zu gestalten.

Klarsichtigste Analyse

WELT-Alexander glaubt nicht an die angebliche neue Liebe zwischen Grün und Liberal: „Die jungen Leute, die FDP gewählt haben, denen gehen ihre rotgrünen Lehrer, die rotgrünen Medien und die ganze Fridays-For-Future-Beschallung auf die Ketten“, wettert er.

Mit schwungvollen Armbewegungen fügt der Journalist  hinzu: „Ich glaube, da ist dieser pragmatische Ansatz von Scholz – die sind nun mal da, die puzzle ich jetzt zusammen – am Ende sogar haltbarer als ‚Generationenprojekt‘ und ‚Versöhnung von Ökologie und Ökonomie‘.“ Heidewitzka!

Rabiatester Störenfried

Über das Foto vom ersten gelb-grünen Sondierungsgespräch spottet Alexander: „Die wollten ein Signal geben: Wir können überhaupt miteinander reden. Wenn man so ein Signal nötig hat…“

„Ohne Journalisten“, patzt ihn Plasberg an. „Es gibt kein Pressefoto davon. Sie sind ein bisschen beleidigt!“

„Ich beleidigt?“ wehrt sich der WELT-Vize. „Die haben das auf Instagram gepostet, wo die Pferdefotos und die schönen Frauen sind! Wir wollen doch nicht glauben, dass die Vier voneinander begeistert sind!“

Vernichtendste Manöverkritik

„Mit Söder hätte alles völlig anders ausgesehen“, glaubt die „taz“-Journalistin. „Die CDU hätte vorne gelegen, die SPD würde den Kanzlerkandidaten nicht stellen, und es hätte wahrscheinlich für Schwarz-Grün ohne einen weiteren Koalitionspartner gereicht.“

„Gottseidank ist das nicht gekommen“, stoßseufzt Baum. Heiterkeit und Beifall im Studio!

Fazit der Journalistin: „Alles wurde völlig anders, als Herr Schäuble, mehr oder minder allein, beschlossen hat, Herrn Laschet zum Kanzlerkandidaten zu machen.  Nur deshalb sitzen wir jetzt hier.“

Dann springt das Zoff-o-Meter an

„taz“-Herrmann beamt sich noch mal in den Wahlkampf zurück: „Im FDP-Programm steht, dass man die Reichen und die Unternehmer sehr substantiell entlasten will“, behauptet sie.

Ihr Vorwurf: „Wenn es darum geht, die Reichen zu beschenken, hat die FDP überhaupt kein Problem damit, die schwarze Null zu ignorieren!“

„Sehr polemisch!“ beschwert sich Baum.

„Das ist vielleicht polemisch, aber das ist die Realität Ihres eigenen Programms!“ keilt die Journalistin zurück.

Fälligster Ordnungsruf

Bei der Vorstellung der eingesammelten Publikumsmeinungen redet die Runde einfach weiter. „Ich muss mal eben hier für Ruhe sorgen hier im Klassenraum!“, bollert der Talkmaster. „Jetzt sind unsere Zuschauer dran! Die zahlen Gebühren! Die finanzieren hier die ganze Veranstaltung! Respekt, würde Herr Scholz sagen!

Ärgerlichste Abmahnung

Der nächste ARD-Einspieler zitiert Stimmen aus dem Verhandlungs-Off: „Wir haben ein Interesse an Jamaika! Habt Ihr es auch? Wollt Ihr es? Habt Ihr die Nerven? Seid Ihr geschlossen? Das sollen FDP-Spitzenpolitiker am Sonntag in den Sondierungen mit der Union gesagt haben. So schreibt es heute Nachmittag die BILD.“

Und weiter: „Die FDP soll gefordert haben, die Union müsse die Grünen in der morgigen Sondierungsrunde rüberziehen, dann wäre Jamaika noch drin.“

Bitterste Beschwerde

Danach zeigt die ARD einen Tweet des FDP-Parteichefs, in dem Lindner eine Klage seines Unterhändlers Johannes Vogel zitiert.

„Es gab vergangene Woche drei Sondierungsgespräche“, erklärt der FDP-Abgeordnete darin. „Aus zweien liest und hört man nix. Aus einem werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!“   

Doch WELT-Mann Alexander sieht das professionell: „Dass bei der FDP noch nie was rausgekommen wäre, und bei der SPD, das können die ihrer Großmutter erzählen“, spottet er.

Dramatischste Prognose

Der letzte ARD-Einspieler zitiert überwiegend negative Kommentare von Passanten über Laschet. Der CDU-Chef selbst sage, er glaube noch immer daran, dass er Kanzler werde, berichtet Alexander dazu. Dahinter stecke „eine vernünftige Überlegung“.

Denn, so der Journalist: „Wenn Laschet hinschmeißen würde, dann würde in der Union eine offene Feldschlacht beginnen. Damit würden die für die Regierungsbildung ausfallen. Es ist aber wichtig, dass es auch Alternativen gibt!“

Unliebsamste Erinnerung

Beim letzten Mal habe es nach dem Scheitern von Jamaika ein „Riesentheater“ gegeben, erklärt der WELT-Mann weiter. „Der Bundespräsident musste einschreiten und die SPD zwingen, noch einmal zu koalieren!“

Alexanders Einschätzung: „Jetzt gibt es eine Alternative in der Mitte. Die Ampel hat das Prä, weil Scholz mehr Stimmen hat. Aber die CDU hat die staatspolitische Verantwortung, stehenzubleiben und zu sagen: Wenn ihr das nicht hinkriegt, dann machen wir das!

Klarste Positionsbeschreibungen

Über mögliche Laschet-Nachfolger sagt der Journalist: Norbert Röttgen stehe dafür, den Klimaschutz wirklich anzunehmen, stark auf die Mitte zu zielen und sogar dem linksliberalen Publikum zu imponieren.

„Jens Spahn würde sagen: Das Konservative neu erfinden, klare Kante gegen den rot-grünen Mainstream“, fügt Alexander hinzu. „So ein bisschen in die Richtung von Sebastian Kurz in Österreich.“

Unerwartetste Alternative

Und Friedrich Merz? „Der ist bestimmt sauer, wenn ich das im Fernsehen sage“, erklärt der Journalist, „aber der hat die Idee, dass die 16 Jahre Merkel eigentlich ein Irrtum waren und die Union dahinter wieder zurückgeht.“

Alexanders verblüffende Feststellung: „Es gibt erstaunlich viele an der Basis der CDU, die das auch so sehen.“

Versöhnlichste Schlussworte

„Die Leute, die die CDU gewählt haben, wollten, dass Armin Laschet regiert“, erklärt Baum. „Ich habe Respekt vor dem Mann. Das ist ein autentischer Mann, der hat ethische Grundlagen, die ich teile, und er ist ein hervorragender Europäer!“

„Er hat ein Prozent weniger als der Scholz“, assistiert Alexander. „Sonst würde jetzt zuerst Jamaika verhandelt. Das kann doch nicht der Indikator sein für ‚Kanzler‘ oder ‚ganz schlimmer politischer Tor‘! Das ärgert mich eh: Wer bei uns eine Wahl verliert, wird immer zum Depp gemacht.“

Und Baum sagt: „Es ist in der Politik wahnsinnig schwer, nach einer Koalitionsbildung den eigenen Leuten zu sagen, was man nicht erreicht hat.“

Fazit

Viel sympathisches Engagement bei den Jüngeren, viel gewinnende Abgeklärtheit bei dem alten Weisen und ungewöhnlich viel Entertainment bei den Journalisten, die mit Mimik, Gestik und Körpersprache die Show in Schwung hielten: Das war eine Talk der Kategorie „Interaktiver Spätschoppen“.

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