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Scholz bei Maischberger: Keine Absage an eine Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene

„maischberger. die woche“. ARD, Mittwoch, 12.August 2020, 22.45 Uhr.

Der Spitzenkandidat der SPD für die Bundestagswahl, Finanzminister Olaf Scholz, hat sich in der ARD-Talkshow „„maischberger. die woche“ am Mittwoch mehrfach um eine Aussage über eine mögliche Koalition mit der Linkspartei auf Bundesebene gedrückt.

Härteste Anfeindungen

Talkmasterin Sandra Maischberger eröffnete das Frage-Feuer auf den möglichen nächsten Bundeskanzler mit einem Einspieler: Der neue SPD-Chef Norbert Walter-Borjahns hatte Scholz vor neun Monaten beim „Spiegel“ ins Gesicht gesagt, dass er ihn nicht für geeignet halte. Und die neue SPD-Chefin Margot Esken wollte Scholz damals noch nicht mal als „standhaften Sozialdemokraten“ anerkennen.

Flauester Kommentar

„Hat Sie das getroffen?“ wollte Maischberger wissen.

„Ja“, gab Scholz zu. „Aber ich weiß, dass sie das schon damals nicht so gemeint hat. Und ich finde, wenn man jedes Wort auf die Goldwaage legt, das in der Hitze eines Gefechts gesagt worden ist, dann hat man es auch sehr schwer…“

Friede, Freude, Eierkuchen?

Dann wurde Krummes gerade gebogen: „Viel wichtiger ist für mich, dass es in vielen Diskussionen, die wir miteinander hatten, auch immer freundschaftlich zugegangen ist“, behaupteter der Minister kühn.

Maischberger wirkte nicht überzeugt: „Hat man gesehen“, spottet sie.

Doch der Kandidat bliebt in der Spur: „Und dass wir, seitdem die Entscheidung gefallen ist, sehr eng miteinander zusammengearbeitet haben“, fügte er noch hinzu. „Das ist eine sehr gute Erfahrung für uns alle.“ Amen!

Verwegenster Vergleich

„Das sieht aus wie Show!“ zweifelte die Talkmasterin.

„Ist es aber nicht“, beharrte Scholz. „Das Große in der Geschichte der SPD waren doch die Momente, wo es eine gewisse Bandbreite gab. Alle loben doch die Zeit mit Brandt, Wehner und Schmidt, und die waren auch nicht immer einer Meinung!“

Aber, so der Kandidat todernst: „Was sie gezeigt haben, war, dass sie zusammenarbeiten konnten. Und wir zeigen das gerade auch!“

Hm – Esken und Walter-Borjans wie Brandt und Schmidt? Wenn da jetzt mal nicht ein paar Friedhöfe umgepflügt werden…

Die SPD setzt auf ein neues Zugpferd, die CDU auf ihre alte Garde, prompt hatte „maischberger.die woche“ zwei Hochkaräter im Programm. Wie gut performten sie und die anderen Gäste?

Olaf Scholz (62, SPD) soll den Genossen das Kanzleramt erobern.

Thomas de Maizière (66, CDU) war Innenminister, als die Kanzlerin „Wir schaffen das“ versprach.

Hazar Abaza (20) floh 2015 aus Syrien mit dem  Schlauchboot über das Meer, machte jetzt in Berlin Abitur.

Anna Planken (40). Die Politikjournalistin moderiert das ARD-„Morgenmagazin“.

Christina Berndt (51). Die Wissenschaftsjournalistin arbeitet für die „SZ“.

Hans Rudolf Wöhrl (72). Der erfolgreiche Unternehmer schreibt Kolumnen etwa über „die Corona-Hysterie“ und sieht sich selbst als „Unruhestifter“.

Zwei Eichen, drei Äxte. Wie viele Spänewerden am Schluss gezählt?

Zum Start ein Schuss vor den Bug

„Mit den Grünen und den Linken eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik zu betreiben, das wird auch Herr Scholz nicht schaffen“, sagte Wöhrl über den SPD-Kanzlerkandidaten.

Seine Warnung: „Wenn ich heute das Unternehmerlager sehe, und da spreche ich nicht von den Großkonzernen, da muss ich sagen, herrscht da schon echte Panik!“

Fröhlichster Auftakt

Doch Scholz lässt sich von Unkenrufen die Laune nicht verderben: „Schönen Tach!“ grüßte er munter in die Runde.

Seine lockerster Spruch à la Gerhard Schröder: „Ich will dringend in das Kanzleramt, und zwar als Kanzler. Auch wenn das ein richtig harter Ritt wird, ist das etwas, auf das ich mich freue!“

Spannendstes Ja-Nein-Pingpong

Wie Wöhrl schoss sich jetzt auch Maischberger auf die Linke mit ihren altsozialistischen Positionen ein: Was davon mache Scholz womöglich mit, und was auf keinen Fall?

Vermögensabgabe? Da signalisierte Scholz ein Ja. Wiedereinführung der Vermögenssteuer: „Ich glaube, das das richtig ist.“ Bedingungslosen Grundeinkommen? „Falsch!“ Spitzensteuersatz 75 Prozent? „Nein!“ NATO-Austritt? „Nein!“

Zusammenfassung im typischen Scholz-Stil: „Wer regieren will, der muss auch regierungsfähig sein. Und da, glaube ich, haben alle in dem großen demokratischen Gespräch, das jetzt bis zur Bundestagswahl stattfindet, noch viel zu tun!“

Gretchenfrage des Abends

Maischberger kam auf den Punkt: „Ist die Linke regierungsfähig?“

Doch da spielte Scholz lieber die Sphinx: „Ich glaube, da gibt es noch viele Fragen, und da wird es sicherlich viel zu diskutieren geben“, antwortete er. „Ich wünsche gute Verrichtung!“

Trockenster Seitenhieb

„Es ist nicht in Ordnung, wenn der Eindruck entsteht, dass es, wenn in Deutschland Wahlen stattfinden, es nur darum geht, den Koalitionspartner der CDU/CSU auszusuchen“, spottete der Vizekanzler.

Sein höhnischer Rat an den Koalitionspartner: „Die CDU/CSU kann auch mal in der Opposition über die Entwicklungsmöglichkeiten unseres Landes nachdenken!“

Und über die eigenen Leute witzelte er: „Betrachten Sie einfach mal die Weisheit der sozialdemokratischen Beschlüsse. Das meine ich jetzt ein bisschen ironisch…“

Letzter Bohrversuch

„Es gibt SPD-Wähler, die sagen: Auf keinen Fall dürft ihr mit der Linkspartei regieren“, setzte Maischberger noch einmal nach. „Ich halte jetzt einfach mal fest: Linkspartei in der Regierung mit SPD ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, die Sie in Betracht ziehen.“

Doch der Pudding ließ sich nicht an die Wand nageln: „Das, finde ich, gehört in der Demokratie dazu, dass man genau überlegt, wer soll führen“, antwortete Scholz ungerührt. „Und wir hoffen, dass wir den Auftrag kriegen…“

Emotionalster Bericht

Fünf Jahre nach Beginn der Flüchtlingskrise zählte Ex-Minister de Maizière auf, was ihn damals bewegte: „Ein totes Kind am Strand in der Türkei. 300 Särge in Lampedusa. 70 Tote in einem Lkw in Österreich…“

Hazar Abaza setzte damals nachts fünf Stunden lang mit Vater und Bruder in einem überfüllten Boot nach Griechenland über, hatte Todesangst: „Ich habe an nichts anderes gedacht als einfach nur durchzuhalten.“

Überraschendste Erklärung

Die Mutter blieb mit der jüngsten Schwester zurück, durfte aber später legal nachkommen. Maischberger macht auch das zum Thema: „Es gibt eine Diskussion in Deutschland: Wir können nicht allen helfen. Können Sie das verstehen?“

„Ja“, antwortet die junge Frau klipp und klar. „Ich habe Verständnis dafür, wenn man sagt, das ist uns zu viel. Vor allem mit dem Familiennachzug.“

Mutigstes Statement

Über ihre Mutter sei sie natürlich froh, aber: „Eine Million Menschen sind nach Deutschland gekommen. Wenn jeder zwei Familienmitglieder nachzieht, werden daraus drei Millionen.“

„Es gab damals eine große Diskussion, auch in meiner Partei: Familien gehören zusammen“, erinnerte sich de Maizière. „Ich habe damals gesagt: Ja, aber man darf als Eltern auch nicht Kinder allein losschicken. Jetzt haben wir mit der Härtefallregelung eine vernünftige Regelung hinbekommen, wenn auch streng.“

Geschickteste Gegenfrage

Zum Schluss zitierte die Talkmasterin noch einmal das „Wir schaffen das“ der Kanzlerin. Ihre Frage: „Haben wir es geschafft?“

„Dieser Satz hat sich ein bisschen verselbständigt“ antwortete der Ex-Minister und konterte: „Soll eine Bundeskanzlerin sagen: Wir schaffen das nicht?“

Fazit: Nüchterne Diskussion ohne moralisierende Selbsterhöhung. Statt klarer Antworten gab’s  allerdings sehr viel Scholz-Sprech. Das war eine Talkshow der Kategorie „Holzauge“.

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