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Reise-Chaos bei „Hart aber fair“: Ärger um 2000 türkische Gepäckarbeiter

„Hart aber fair: Flugausfälle, Personalmangel, Teuerurlaub: Ist das Ferienchaos noch vermeidbar?“ ARD, Montag, 20.Juni 2022, 21.45 Uhr.

Pandemie, Preisschock, Putin: Deutschland lechzt nach Erholung. Doch die Tourismusbranche lässt die Kundschaft leiden: Chaos, Verspätung, Mondpreise, mieser Service! Frank Plasbergs Gäste:

Claudia Müller (40, Grüne). Die Tourismusbeauftragte der Bundesregierung fordert: „Es muss Urlaubsangebote für jeden Geldbeutel geben. Urlaub darf kein Luxusgut werden!“

Matthias von Randow (63, SPD). Der Ex-Staatssekretär im Verkehrsministerium verspricht: „Unsere Airlines und Flughäfen tun alles dafür, dass die Menschen sicher und zuverlässig fliegen können.“

Ute Dallmeier (62). Die Unternehmerin (vier Reisebüros)  warnt: „Diese Urlaubssaison wird bei der Flugreise Nerven kosten!“

Wolfgang Schuldzinski (61). Der Verbraucherschützer hat eine App für Flugärger im Programm.

Amelie Fried (63). Die Autorin und Ex-TV-Moderatorin („3 nach 9“) sucht die Schuld bei den Betroffenen, die ihre guten Corona-Vorsätze nicht umsetzen: nachhaltiger reisen, den eigenen CO2-Abdruck verkleinern…

Dirk Schümer (59). Der Korrespondent (WELT) argwöhnt: „So könnte der Reisesommer 2022 aussehen: Überfüllte Strände, Stau am Brenner, Warten am Terminal…“

Was tönt lauter: die Unkenrufe oder die Durchhalteparolen? Das Zoff-o-Meer misst den Schimpf-Schalldruck ebenso wie das Beschwichtigungssäuseln.

Optimistischste Rückmeldung

„Zwei Jahr Urlaubverzicht konnte dann ja auch in die Sparbüchse“, beruhigt die Reisefrau die Kundschaft und sich selbst. „Die Teuerung wird akzeptiert, die Aufenthaltsdauer ist länger, und es wird auch gerne ein besseres Hotel gebucht, um sich mal was zu gönnen.“

Über die vielen Pannen tröstet Dallmeier leichtfüßig hinweg: „Wenn sie vorgewarnt und informiert sind, sind Kunden in der Regel wesentlich einfühlsamer, mit dem Thema umzugehen“, urteilt sie. „Das kennt jeder aus dem Zug, wo keiner weiß, wann fährt er weiter!“ Zustimmende Heiterkeit in der Runde!

Persönlichste Bekenntnisse

Autorin Fried möchte „kurz betonen“, dass sie sich für den Italienurlaub „einen Hybrid geleistet hat, um mit besserem Gewissen Auto zu fahren“.

Journalist Schümer feiert den neuen Reisetrend „Revenge Travel“, dessen Jünger sich nach dem Motto „Jetzt erst recht“ am Corona-Virus für entgangene Urlaubsfreuden rächen wollen: „Viele, auch Ältere in meiner Familie, sagen, die Uhr tickt, die Lebenszeit läuft ab, raus jetzt, schnell jetzt noch was machen!“

Launigste Übersetzung

Die Tourismusbeauftragte hat lange als Reiseleiterin gearbeitet, lebt an der Ostseeküste und urlaubt an der Mecklenburgischen Seenplatte. Der Talkmaster will ihr das gleich mal vermiesen: „Malaria-Pophylaxe nicht vergessen!“

Flugreisenden empfiehlt die Grüne eine frühere Anfahrt, Online-Check-in und „Bagage-self-drop-off“. Plasberg dolmetscht nur leicht übertreibend: „Das heißt, dass man den Job der Airline macht, seinen Koffer hinschleppt, sich das Bändchen ausdruckt, den Flieger noch kurz sauber macht, betankt…“

Unwillkommenste Platitüde

Airlines-Funktionär Randow bekommt einen kritischen Einspieler vor den Bug: Allein im Juli hat die Lufthansa 900 Flüge gestrichen. Das bringt den Ex-Staatssekretär aber nicht um die gute Laune: „Es ist Sommer“, grient er, „da ist Reiseverkehr.“

Der Talkmaster kann darüber nicht lachen, ihm fällt eine Anekdote aus seiner Berufsausbildung ein: „‘Sommerzeit ist Reisezeit‘, das hat mir mein Volontärsvater schon aus Artikeln rausgestrichen!“, erinnert er sich.

Luftigstes Ablenkungsmanöver

Für Airlines-Randow sind trotzdem andere Schuld: „Wir haben noch im Februar von wesentlichen Protagonisten der Bundesregierung gehört, um Gottes willen, bleibt zu Hause, nicht reisen“, doziert der Funktionär mit Gesten im Stil eines Flugzeugeinweisers.

Die Unternehmen hätten sich dann gefragt: Jetzt kommt der Sommer, wann sagen die denn Bescheid, dass es losgehen kann? Aber, so Randow weiter: „Egal, was die Bundesregierung gesagt hat, die Unternehmen haben sich vorbereitet und natürlich das Personal hochgefahren.“ Uff!

Berechtigtste Beschwerde

Wir machen seit drei Jahren nichts anderes als immer wieder neues Krisenmanagement!“, klagt Reisefrau Dallmaier sichtlich genervt.

Randow steuert die Geschichte der 2000 bestens ausgebildeten türkischen Gepäckarbeiter bei, die sehr gern in Deutschland helfen würden, aber einfach keine Genehmigung kriegen.

„Es gibt momentan Gespräche innerhalb der Bundesregierung“, berichtet die Tourismusbeauftragte eifrig. „Da findet Ressortabstimmung statt, unter Federführung des Verkehrsministeriums…“

„Da bin ich sehr optimistisch für den Weihnachtsurlaub – 2023!“, höhnt Plasberg. Lachen und Beifall im Publikum!

Dann springt das Zoff-o-Meter an

Nach einem Einspieler über die Wut der Reisenden wegen ausgefallener Flüge startet der Airlines-Mann händewedelnd einen Entlastungsversuch: „Annullierungen machen wir deswegen, um Kapazität aus dem System rauszunehmen!“, behauptet er.

Jetzt ist der Bock aber fett! Reise-Dallmaier lacht, und Plasberg haut erbost eine Frontalattacke raus: „Warum haben Sie die Flüge überhaupt erst angeboten?“ knurrt er.

„Ich wollte es Ihnen gerade sagen“, behauptet Randow.

Das sagen Sie immer, dass Sie das gerade sagen wollten!“, wettert der Talkmaster los. Lebhafter Beifall im Publikum. Ein Boxkampf würde jetzt wegen zu großer Unterlegenheit abgebrochen, doch der Airliner mit den grenzenlosen Nehmerqualitäten lächelt einfach alles weg.

Vertrackteste Frage

Der Talkmaster treibt den Gast nun mit symbolischen Handkantenschlägen vor sich her: „Ich verstehe nicht“, herrscht er ihn an, „warum Sie mir als Vorbereitung verkaufen wollen, dass Sie Tausende Flüge anbieten, die Sie jetzt streichen, um dann zu sagen: Wir tun das aus Fürsorge für dich, lieber Passagier!“

Auch die Runde ist jetzt auf Zinne. Randow hebt abwehrend die Hand: „Das hat einen ganz anderen Grund“, erklärt er ungerührt. „Wir annullieren teilweise deswegen, um Kapazität aus dem System zu nehmen, weil an einigen Stellen, Sicherheitskontrollen, die Kapazität nicht da ist.“ Heidewitzka! Rätselfrage: Was sind „Flüge“ ohne „F“?

Schlimmstes Beispiel

Was solche „Kapazitätsentnahmen“ für Reisende bedeuten können, zeigt ein Einspieler aus Fuerteventura: Dort saß eine deutsche Touristin drei Tage lang fest, weil ihr plötzlich der Rückflug gestrichen wurde.

Ihre Klage: „Wir haben in dieser Zeit nur Chaos erlebt. Keiner wusste, wie wann wo es weitergeht. Wir wurden wie die Schafe hin und hergefahren. Wir haben den ganzen Samstag keinerlei Verpflegung bekommen, nichts zu essen, nichts zu trinken…“ Da ist dann auch bei Plasberg Schluss mit Lustig.

Realistischer Kommentar

Verbraucherschützer Schuldzinski beackert das touristische Krisenfeld seit 25 Jahren. „Viele Flugreisen klappen, viele klappen eben auch nicht“, stellt er gelassen fest. „Da muss schon jeder selbst entscheiden, welches Risiko er eingeht.“ Wie bitte? Empathie geht anders!

Aber der Experte will gar nicht trösten, sondern aufklären: Die Airline müsse sitzengelassene Passagiere „irgendwie anders“ zum Ziel befördern, doziert er, die Entschädigung müsse „angemessen“ sein und „theoretisch“ könne man auch versuchen, einen Verdienstausfall geltend zu machen, wenn man „Zeit und Lust hat, sich damit auseinanderzusetzen…“

Interessanteste Neuerung

Schuldzinskis Verbraucherzentrale NRW hat dazu die Beschwerde-App „Flugärger“ programmiert. Flugnummer, Datum und Problem eingeben, prompt wird der Schadensersatz ausgerechnet, z.B. Köln-Mallorca, Ankunft 0.28 Uhr statt 21.50 Uhr, möglicher Anspruch 250 Euro, Anforderung bei der Airline per Klick.

Randow grient sich weiter durch und schlägt jede knifflige Frage gleich mit einem Grundsatzreferat tot. Jetzt fasst er sich allerdings kurz: „Alles, was die Kommunikation der Fluggäste mit ihrer Airline erleichtert, finden wir gut“, lobt er.

Ehrlichste Statements

„Es dauert aber ewig, bis Sie Antwort bekommen!“, funkt die Reisefrau dazwischen, „weil wir Personalmangel auch bei den Callcentern haben“, über die solche Forderungen laufen. Folge, so Dallmeier: „Die Bearbeitung kann Wochen dauern.“

Der Verbraucherschützer selbst fliegt im Urlaub nach Sizilien und weiter auf die Liparischen Inseln: „Das ist ein bisschen abgelegen“, gibt er zu. „Ich hoffe, wir kommen hin!“ Na denn gute Reise!

Zitat

Das haben Sie nicht gesagt, aber ich hab’s verstanden.“ Frank Plasberg

Fazit

Jede Menge „eigentlich“, „theoretisch“, „möglicherweise“, „mag es geben“, „kann man machen“, „läuft oft ins Leere“, „nicht sauber geregelt“, dazu Humor der Marke Haribo (macht Kinder froh). Das war eine Talk-Show der Kategorie „Luft-Nummer“.

 

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