„Anne Will: Panzer ins Kriegsgebiet – wohin führt Deutschlands Ukraine-Politik?“ ard; Sonntag; 1.Mai 2022, 21.45 Uhr.
Morgen reist Oppositionschef Friedrich Merz nach Kiew, heute stauchte Kanzler Olaf Scholz in Düsseldorf schon mal schlimme Pöbel-Pazifisten zusammen: „Zynisch!“ Anne Wills Gäste:
Annalena Baerbock (41, Grüne). Die Außenministerin wird im schleswig-holsteinischen Wahlkampf mit Gebrüll und Gestank (Buttersäure) empfangen.
Saskia Esken (60, SPD). Die Parteichefin wirbt auch im NRW-Wahlkampf für die militärische Unterstützung der Ukraine.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (64, FDP). Die Verteidigungspolitikerin geht auf „kritische“ Künstler los: „Wer sich durch einen Krieg ‚belästigt‘ fühlt, sollte seinen Wertekompass ganz unkreativ mit dem Hammer geraderücken!“
Johann David Wadephul (59, CDU). Der Fraktionsvize macht immer wieder Druck auf den Zauder-Kanzler.
Markus Feldenkirchen (46). Der Journalist („Spiegel“) forderte schon früh: „Es muss eine Exit-Strategie für Wladimir Putin geben!“
Drei Ampel-Damen im Debatten-Modus, alle in Schwarz – wie einig sind sie sich in der Sache durch alle Phasen und Phrasen.
Vorsichtigste Klarstellung
Die Außenministerin, aus Berlin zugeschaltet, geht erst mal in Doppeldeckung: „Das ist nicht eine deutsche Entscheidung“, sagt sie über die Panzer-Lieferung, „sondern eine europäische, eine internationale, mit unseren Verbündeten, unseren vielen Partnern auf der ganzen Welt, in Rücksprache mit der Ukraine“ – mehr geht nicht…
Die Angst vor einem Atomkrieg will sie mit einem Blick zurück dämpfen: „Die Gefahr ist nicht größer geworden. Der russische Präsident hat damit bereits seit 2014, seit der Krim, gedroht!“
Emotionalste Ankündigung
„Am meisten lässt mich nicht kalt, wenn ich jeden Tag hören muss, dass Frauen vergewaltigt werden“, klagt die Ministerin, „dass Kinder bewusst erschossen werden, weil sie das Kind einer Bürgermeisterin sind!“
Ihre deutlichstes Stoppsignal: „Wenn jetzt einige sagen, lasst uns doch wieder an einen Tisch setzen: Wir haben an einem Tisch gesessen. Die Antwort waren Bombardierungen. Wir sorgen dafür, dass der Internationale Strafgerichtshof die Kriegsverbrechen zur Anklage bringen kann!“
Wichtigstes Ziel
„Natürlich will ich, dass Russland nie wieder einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt“, erklärt sie zur erklärten Absicht der USA, Russland auf Jahre hinaus militärisch zu schwächen.
Ein „weiteres russisches Vorgehen in andere Länder“ hält Baerbock für „nicht möglich“, weil die Russen sich „wirtschaftlich durch diesen Krieg und unsere Sanktionen so geschädigt haben, dass sie eigentlich über Jahre hinweg volkswirtschaftlich nicht mehr auf die beide kommen können.“
Deutlichster Seitenhieb
Nach den klaren Forderungen der Europäer und Amerikaner muss „Blutin“ seine Truppen vollständig aus der Ukraine abziehen. Auch die Außenministerin stellt klar, „dass wir diesen brutalen Bruch von internationalem Recht nicht akzeptieren.“
Und: „„Wir tragen nicht nur die Verantwortung für unser Handeln, sondern auch für Nichthandeln.“
Schon „dass die Sanktionen nach der Besetzung der Krim acht Jahre lang nicht aufgehoben wurden, war wichtig!“, betont die Ministerin. „Und es gab einige Stimmen in der Bundesrepublik Deutschland – jeder weiß, glaube ich, wer das war-, die gesagt haben: Ach, das tut uns hier aber auch bisschen weh…“
Eleganteste Pirouette
Will schüttet Salzsäure in den Talk-Tank: Scholz habe erklärt, dass die Lieferung schwerer Waffen „nicht ansteht“, zwei Tage später aber trotzdem Panzer zugesagt. „Ein merkwürdiges Verhalten gegenüber der Öffentlichkeit!“, ätzt die Talkmasterin.
„Ich kann verstehen, dass man versucht, kritisch nachzufragen“, wiegelt Baerbock ab. „Aber das ist echt nicht der Moment, wo das Hauptziel ist, zu gucken, oh, kann man jetzt einen Zwist zwischen die Außenministerin und den Kanzler treiben, weil, man hätte einen Satz schneller, früher oder später sagen müssen.“ Uff!
Entlarvendste Info
Will zieht die nächste Karte: „Wir hören, dass Friedrich Merz nach Kiew fahren will. Fahren Sie auch?“ Keine Frage! „Ja, ich werde auch fahren“, verspricht die Ministerin. „Ich hatte auch geplant, zu fahren. Dann habe ich mich aber mit dem Bundespräsidenten so abgestimmt, dass er zuerst fährt.“
Hintergrund: „Meine Reise war geplant nach diesem furchtbaren Verbrechen in Butscha“, erläutert Baerbock, „gerade mit Blick auf die Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs, weil wir als Auswärtiges Amt sehr schnell finanzielle Mittel auf den Weg gebracht und wir in Deutschland auch eine sehr gute Aufklärung von Kriegsverbrechen haben.“
Frustrierendste Erfahrung
Doch, so Baerbock sichtlich enttäuscht: „Aber dann war die Reise des Bundespräsidenten zuerst, weil wir uns natürlich nicht gegenseitig auf die Füße treten wollten. Und dann wurde – leider, ich habe das sehr bedauert -, der Bundespräsident wieder ausgeladen.“
„Aber das heißt nicht, dass ich in Zukunft nicht fahren werden“, fügt die Ministerin noch hinzu. Heißt, dass da ein SPD-Politiker mit ziemlich strengem Putin-Odeur eine PR-Tour zur Eigenentlastung über Belange des Internationalen Strafgerichtshofs gestellt hätte. Puh!
Munterste Miesmacherei
Strack-Zimmermann war immerhin in Lwiw. „Finden Sie es falsch, dass Olaf Scholz immer noch nicht in Kiew war?“, erkundigt sich die Talkmasterin. „Dass stattdessen Friedrich Merz fährt und Scholz ein bisschen in den Schatten stellt?“
„Die Frage, wer fährt wohin – das ist ja keine Kaffeefahrt -, wer ist zuerst da und wer macht die besten Fotos“, schwadroniert die FDP-Frau drauflos, „das kann man nicht in der Zeitung ankündigen, und dann schaut man mal, ob‘s funktioniert! Es sei denn, man ist von Sinnen und bringt sich in Lebensgefahr.“ Rumms!
Misslungenster Rückzieher
Will beißt sofort an: „Finden Sie, dass Friedrichs Merz das gerade tut?“
„Nein, neinnein, neinneinnein“, erwidert Strack-Zimmermann eilig. „Aber wenn man fährt, muss man etwas mitbringen. Dass da jetzt Druck erzeugt wird von Herrn Merz aus der Opposition heraus, ja – aber ich glaube, dass der Kanzler sich nicht treiben lässt. Das hat er bisher ja auch nicht.“ Hat er nicht? Heidewitzka!
Unwillkommenste Unterstützung
Die Talkmasterin will helfen und macht die Merz-Pläne nach Kräften madig: „Die Reise ist nicht gut vorbereitet“, meint sie und zählt die Argumente an den Fingern ab: „Das BKA hat gesagt, er soll lieber nicht fahren, und anzubieten hat er als Opposition auch nichts.“
Doch die FDP-Frau möchte auf solche Schützenhilfe nicht angewiesen sein: „Das Bundeskriminalamt hatte auch meine Kollegen und mich gebeten, es nicht zu machen“, gesteht sie über ihre Reise mit Michael Roth und Anton Hofreiter, „auch das Bundeskanzleramt war not amused.“
Klügster Hinweis
Wadephul verteidigt die Ambitionen seines Chef mit kühler Gelassenheit: „Die Außenministerin hat gesagt, dass die Opposition mit einbezogen wird“, erinnert der CDU-Mann. „Nancy Pelosi, die dritthöchste Politikerin der USA, war da, und die Union spielt in der EVP im Europaparlament eine große Rolle.“
Sein Rat: „Ich würde empfehlen, dass wir nicht alles nur unter taktischen Aspekten betrachten. Friedrich Merz hat nicht die geringste Andeutung gemacht, dass er von Olaf Scholz erwartet hätte, schon früher zu reisen.“
Ungeschicktestes Wording
„Auch Olaf Scholz hat seine Reise der Reise des Bundespräsidenten untergeordnet“, erklärt Esken. „Ich glaube, dass es vor allem darauf ankommt, dass Olaf Scholz als der Führer unserer Regierung…“
Ups! Der Führer! Wie das wohl in Osteuropa ankommt? Die SPD-Chefin haut sofort jede Menge Fülltext raus, um den Lapsus zu verstecken. Schlüsselwörter: „Internationale Staatengemeinschaft“, „gemeinsame Sanktionen“, „Deutschlands Rolle“. Ächz!
Dann geht der Zoff los
„Die Chance, dort Solidarität zu zeigen, hat er jetzt schon verpasst“, urteilt der „Spiegel“-Mann über Kanzler und Kiew.
Wadephul setzt noch einen drauf: „Wir erleben einen Bundeskanzler, der kommuniziert, dagegen ist die Echternacher Springprozession noch eine statische Veranstaltung“, lästert der CDU-Mann über das Hin-und-her bei den Panzerlieferungen.
„Inzwischen ist ja ganz Deutschland im Waffenfieber!“ spottet die FDP-Frau. Ui!
Brutalste Überleitung
„Natürlich nimmt Wladimir Putin im Augenblick diese Gespräche nicht ernst, aber das wird er noch tun!“, funkelt Esken die Runde an. „Der Tag wird noch kommen, wo er diese Gespräche auch wieder…“ Mehr sagt sie nicht, ein heftiges Kopfnicken genügt ihr.
„Putin hört mit!“, warnt Wadephul. „Auch, wenn Olaf Scholz über einen Atomkrieg und die Angst davor redet. Das halte ich, auch wenn wir alle Angst davor haben, für einen schweren politischen Fehler.“
„Herr Wadephul“, grient die Talkmasterin, „ich glaube, Hamburg hört auch mit. Der Kollege will mit den ‚Tagesthemen‘ beginnen.“ Hosianna! Zeigt man im Talk auch noch so sehr die Zähne, entscheidend sind die Sendepläne.
Fazit
Von luschiger Leisetreterei und kindischem Couchheldentum zu seriösen Antworten und volljährigen Statements besonders von Schwarz-Grün. Das war ein Panzer-Talk der Kategorie „Volle Kanone“.