„Maybrit Illner: Welle oder Wende – ändert Omikron die Corona-Politik?“ ZDF, Donnerstag, 13.Januar 2022, 2215 Uhr.
Noch nie sah eine Infektionskurve so schlimm aus: Über Deutschland türmt sich eine wahre Todeswand! Und das Volk hat zwar Führung bestellt, aber keinen neuen Basta-Kanzler bekommen. Maybrit Illners Gäste:
Manuela Schwesig (47, SPD). Die MeckPomm-Ministerpräsidentin zankte sich am Dienstag mit Markus Lanz heftig über ihre Corona-Statistik. Geht der Zoff heute weiter?
Klaus Holetschek (57, CSU). Bayerns Gesundheitsminister will keinen Lockdown, setzte deshalb heute die strenge Hotspot-Regel erst mal aus. Passt scho!
Prof. Melanie Brinkmann (48). Die Virologin fordert vehement die Impfpflicht für alle.
Ranga Yogeshwar (62). Der ARD-Wissenschaftsjournalist schimpft, die Politik wecke immer wieder Erwartungen, die sie nicht erfüllen könne.
Eva Quadbeck (561). Die RND-Vizechefin sagt voraus: „Die Impfpflicht wird nicht kommen.“
Anne Arend. Die ZDF-Korrespondentin arbeitet im Hot-Spot Paris.
Zwei Polit-Profis im Talk-Duell: Ziemlich zerstrittene Parteien bei ziemlich identischer Infektionslage. Gibt’s da mehr Ein- oder mehr Zwietracht?
Ring frei zur ersten Attacke
Typisches Corona-Setting: Zwei Gäste am Talk-Tisch, drei nur zugeschaltet. Die Talkmasterin geht gleich auf die Bayern los: „Keine Hysterie, keine Panik, Corona ist nicht das Ende der Welt“, zitiert sie Markus Söder, „und das vom selbsternannten Kapitän des Teams Vorsicht!“
Holetschek verteidigt die überraschende Wende zu mehr Freiheit mit bäriger Gemütsruhe: „Omikron hat eine hohe Infektionsrate, aber die Krankheitsschwere ist deutlich niedriger. Wir nehmen uns jetzt mal die Zeit, das auszubalancieren.“
Wütendste Kollegenschelte
Illner erinnert ihn an die letzte Ministerpräsidentenkonferenz: „Sie konterkarieren einen gemeinsamen Beschluss!“, hält sie Holetschek vor.
„Das ist das völlig falsche Signal!“ schimpft auch Journalistin Quadbeck.
Schwesig setzt noch einen drauf: „Ich staune, dass Bayern das macht!“ ärgert sie sich. „Vor kurzem wurden dort noch Patienten ausgeflogen!“
Ihre Sorge: „Wenn nicht überall die gleichen Maßnahmen, sind, dann weichen die Menschen aus!“ Und planen womöglich den nächsten Urlaub in den Bergen, nicht an der See. Uff!
Zuversichtlichste Prognose
„Die gute Nachricht: Alle, die drei Mal geimpft sind, haben einen sehr guten Schutz, haben also ihr individuelles Risiko sehr stark reduziert“, freut sich die Virologin.
Und, so Prof. Brinkmann weiter: „Die Inzidenzen gehen nach oben, aber die Intensivbelegungen bleiben unten. Das nennen wir ‚Entkoppelung‘, und das ist sehr gut!“
Schniefendster Vergleich
„Wir erleben in den nächsten Monaten das Ausbleichen der Pandemie“, assistiert Yogeshwar. „Wenn wir uns diesen Winter angucken, wie viele Leute erkältet sind, rotzige Nasen haben, könnte man auch eine bunte Statistik machen über die enormen Inzidenzen von Verschnupfungen…“ Ui!
Peinlichste Erinnerung
Das Zoff-Thema des Kollegen Lanz vom Dienstag lässt sich die Talkmasterin natürlich nicht entgehen: „Sie haben, Frau Schwesig, von 100 Intensivbetten in ihrem Land gesprochen und nicht von 600, und sind von einem Gericht aufgefordert worden, das zu korrigieren. Wollten Sie da bewusst Angst machen?“
Doch die Ministerpräsidentin jumpt mit einem eleganten Salto aus der Problemzone: Es gebe ja nicht nur Corona, und dafür hundert Intensivbetten, sondern auch noch viele andere Krankheiten, erläutert sie flott.
Ihr Argument: „Um das für die Menschen besser darzustellen, haben wir eben immer deutlich gemacht, wie voll diese hundert Betten sind.“ Da sind 80 Prozent belegt, von den 600 nur 15 Prozent. Joho!
Missmutigster Zwischenruf
Aus Paris wird ZDF-Korrespondentin Arend zugeschaltet. Sie sitzt vor einem Eiffelturm, redet aber nur über Spanien, das nach der superschweren Corona-Katastrophe vom vergangenen Jahr schon jetzt praktisch alle Einschränkungen aufhebt.
„Wenn da die Ärzte empfehlen, sich impfen zu lassen, dann wird das auch gemacht“, lobt sie.
„Unfassbar, dass das in Deutschland nicht so ist!“, klagt die Virologin.
Überraschendstes Misstrauensvotum
Dann bläst dem neuen Gesundheitsminister plötzlich ein eisiger Talk-Wind ins Gesicht: „Wo ich ihn überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann, ist beim Thema Impfpflicht, wo er jetzt die Wende gemacht hat“, wettert die RND-Journalistin, „wo er gesagt hat, er legt einen Gesetzentwurf vor, und nun keinen Gesetzentwurf vorlegt.“
Quadbecks Vorwurf: „Das ist etwas, wo die Leute nicht mehr mitkommen. Zumal er ja die Person wäre, die sich an die Spitze setzen könnte, in die die Leute wirklich Vertrauen haben. Jetzt bricht das weg.“
Angestrengtestes Rückzugsgefecht
„Ich schätze das mit Karl Lauterbach echt anders ein“, meldet sich die Ministerpräsidentin prompt. „Ich weiß, jetzt werden alle sagen, er SPD, ich SPD, aber Sie kennen mich, ich sag auch mal meine Meinung, wenn’s auch die eigene Partei betrifft.“ Ach ja? Die anderen grinsen.
Dann hält Schwesig ein feuriges Plädoyer für den bedrängten Genossen: „Er ist ein richtig guter Gesundheitsminister! Er kann alles wissenschaftlich begründen!“
Bemühteste Verteidigungsrede
Zur Impflicht sagt die Politikerin: „Ja, er hätte etwas vorlegen und sich an die Spitze stellen können, wenn die Lösung gewesen wäre, dass Regierung was vorschlägt. Der Vorschlag ist aber, dass es jetzt eine ethische Debatte im Parlament gibt, wo keine Fraktion entscheidet.“
Schwesig weiter: „Dass Karl Lauterbach sich positionieren wird, und seine Stimme ein Gewicht hat, das ist doch klar, und ich bin auch sicher, dass er das auf allen Sendern erklärt.“ Heiterkeit in der Runde!
Eiertanz des Abends
Die Journalistin lässt sie damit aber nicht durchkommen: „Lauterbach hat am 5.1. gesagt, dass er einem Vorschlag vorlegt, und da war schon mehrere Wochen klar, dass es diese fraktionsoffene Abstimmung im Bundestag geben soll“, stellt sie nüchtern fest.
„Hm, hm“, brummt Schwesig nervös.
„Das ist ein sehr großer Widerspruch“, urteilt Quadbeck, „und da hat er einfach Vertrauen verloren.“
„Das ist kein Widerspruch“, behauptet die Ministerpräsidentin ungerührt und lenkt erst mal ab: „Sie haben in der Sache Recht, er hat es erst gesagt, und sicherlich auch, weil, Sie haben es ja selber beschrieben: Viele würden sich das wahrscheinlich auch wünschen und auch erwarten…“
Schlimmster Schwurbelanfall
„Weil“, holpert Schwesig weiter, „es so ein hohes Vertrauen, auch in der Politik, zu ihm gibt, auch parteiübergreifend. Aber in seiner jetzigen Entscheidung noch einmal zu sehen: Damit würde er die breite Debatte vielleicht von Anfang an zu sehr … hm, ja … überstrahlen oder … ähm … alleine führen, was er angeführt hat.“
Ihre verwegene Schlussbilanz: „Das ist ja eben eine Entscheidung, die hat er begründet, und mir ist es lieber, er sagt es, und erklärt es, und wir haben jetzt einen Gesundheitsminister, der jedenfalls mit uns spricht, und ich glaube nicht, dass das an seinem Vertrauen … ähm… weniger wird. Ich kann die Endentscheidung von ihm nachvollziehen.“ Tja.
Frommster Wunsch
„Durch eine Impfpflicht erzeugen wir so etwas wie eine Trotzreaktion“, fürchtet Yogeshwar. „Wir haben zugelassen, dass wir Lagerbildungen machen, wo wir von Impfgegnern sprechen. Klar, da gibt es auch Spinner, aber nicht nur…“
„Wenn wir zulassen, dass sich Leute selber als Impfgegner definieren“, doziert der ARD-Experte weiter, „dann spricht es natürlich für sich, dass ein Impfgegner sich nicht impfen lassen kann. Genau da müssen wir raus, denn das führt zu einer Verhärtung. Wir wollen alle zusammen durch die Pandemie…“ Ächz!
„Oioioi, Omikron ist wichtig, da sollten wir vorsichtig sein!“, spottet die Talkmasterin.
Taktischster Dialog
„Wer in Berlin Führung reklamiert, der muss jetzt auch ein Gesetz vorlegen!“ knurrt Holetschek grimmig, „und das ist die neue Bundesregierung!“
„Ein Impfpflicht ankündigen, aber dann keine Idee haben, wie man sie umsetzt“, lästert Illner, „war das besonders clever von Olaf Scholz?“
Doch Schwesig kann auch Mikado: „Die Entscheidung ins Parlament zu geben finde ich sehr klug“, kontert sie. „Da kann man jetzt ungeduldig sein, aber wer ungeduldig ist, muss dann halt selber einen Gesetzentwurf vorlegen.“ Wer zuckt, verliert…
Letzte Mahnung
„Ich finde, dass sich im Moment keine Partei mit Ruhm bekleckert“, murrt Quadbeck und geht noch mal auf Anfang: „Herr Lauterbach und Herr Scholz stellen sich hin und sagen, wir wollen das, aber dann sind sie nicht in der Lage, eine politische Führung zu übernehmen…“
Und der Bayer netzt die Vorlage trocken ein: „Das Thema muss Chefsache sein, und da muss der Kanzler jetzt liefern.“ Amen!
Fazit
Schlecht geschminkte Parteipropaganda, grobschlächtige Kloppereien und simples Gebetsmühlenmelken nach der Methode „Strip, strap, strull, dann is der Eimer vull“. Die alten Fronten halten auch in Corona-Zeiten, und das war ein Talk der Kategorie „Auffrischungsinfo“.