Geschichte

Nazi-Terror in Hamburg: Im Folterkeller der Gestapo

1945 endete der Zweite Weltkrieg auch an Alster und Elbe. Grausame Verbrechen der Nazis bleiben bis heute ungesühnt.

„Wir gedenken der Opfer, die hier während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft unter der Geheimen Staatspolizei gelitten haben. Für viele war dies die erste Leidensstation auf dem Weg in die Konzentrationslager. Verteidigt die Menschenrechte!“

Die Inschrift auf der Bronzetafel im Eingang des Amtsgebäudes Stadthausbrücke Nr.8 erinnert an die finstersten Jahre deutscher Geschichte: Dort folterten einst die Schergen der Gestapo Missliebige des Nazi-Regimes: Juden und Sozialdemokraten, Kommunisten und Homosexuelle.

Das „Stadthaus“ entstand einst um das barocke Görtz-Palais, errichtet 1710 für den Holsteinisch-Gottorpischen Gesandten Georg Heinrich Görtz. 1814 zog dort Hamburgs Polizei ein, 1933 die von Göring gegründete Gestapo. Erste Opfer werden die alten Todfeinde der Nazis aus den Wahlkämpfen der Weimarer Republik:

„Ich war von 1930 bis 1933 im Parteischutz der KPD in Hamburg tätig, an vielen Auseinandersetzungen mit der SA und der SS beteiligt und in dieser Zeit dreimal politisch vorbestraft“, berichtet der damals 21 Jahre alte Werftarbeiter Tönnies Hellmann. „Ich wurde 24 Stunden an die Wand gestellt, bei jeder Bewegung hämmerte der SS-Wachposten mein Gesicht gegen die Wand. So wurden die Häftlinge fertiggemacht für die Vernehmung. Ich sollte meine Freunde und Genossen verraten an die Gestapo. Meine Folterer hießen Knut und Beyer. Sie schlugen mir ins Gesicht und zerstörten die Hörkraft auf dem linken Ohr…“

Wer die Tortur überlebt, wird zu noch schlimmeren Martern ins Zuchthaus Fuhlsbüttel transportiert, doch die ersten für Verhaftung und Verurteilung erforderlichen Geständnisse und Zeugenaussagen erpresst die Gestapo gleich an Ort und Stelle im Folterkeller unter dem Stadthaus, wo dicke Mauern die Schreie der Gequälten verschlucken.

Mit den Kommunisten geraten Sozialdemokraten und Gewerkschafter in die Mühlen der verbrecherischen NS-Justiz. Nach dem ersten großen Pogrom der „Reichskristallnacht“ 1938 jagt die Gestapo jüdische Mitbürger, später auch Widerstandskämpfer wie 1942 die Gruppe um Bernhard Bästlein und 1944 den Hamburger Zweig der „Weißen Rose“. Andere Opfer sind Zeugen Jehovas, Sinti, Prostituierte, Homosexuelle, der Spionage verdächtigte Chinesen und sogar junge Hamburger, deren einziges „Verbrechen“ darin besteht, dass sie gern die verbotene „Swing“-Musik hören.

Hellmann wird ausgepeitscht, muss sein Blut auflecken, danach auch sein Essen. Er hat Glück, überlebt unsägliche Torturen. Seine hochschwangere Braut will ihn durch eine schnelle Hochzeit retten Auf dem Standesamt im Karolinenviertel versucht der Werftarbeiter zu fliehen. Der Gestapomann Beyer schießt mit seiner Pistole hinter ihm her, andere Häscher fangen den Geschwächten ein und schleppen ihn zurück. „Als ich nach einem halben Jahr entlassen wurde, musste ich unterschreiben, dass ich nicht gefoltert worden bin“, schildert er. „Ich musste zwei Jahre ständig bei der Gestapo im Stadthaus Meldung machen. Jedes Mal in Todesangst. Ich konnte mit meiner Familie niemals darüber sprechen. Es dauerte drei Jahre, bis ich wieder ein Mensch wurde.“

Der junge Werftarbeiter hat niemanden verraten, doch: „Ich hatte ständig Depressionen, konnte nicht mehr richtig schlafen, immer wieder wachte ich schreiend auf, sah das Zerstören meiner Seele vor mir.“ Die Öffentlichkeit erfährt davon nichts, die Presse ist längst gleichgeschaltet. Hamburg ist schon damals eine große Pressestadt, und an der Steinstraße legt am 22.November 1938 Reichspropagandaminister Goebbels persönlich den Grundstein für ein „Pressehaus“. Bald danach zieht die Nazi-Zeitung „Hamburger Tageblatt“ ein. Ihr Emblem, die Hanse-Kogge, schwimmt immer noch als Relief über der Curienstraße, nur das Hakenkreuz wurde aus dem Segel gemeißelt. Seit 1946 wird dort die „Zeit“ gemacht.

Folter-Opfer Hellmann wird 1943 eingezogen und an die Ostfront geschickt. Im gleichen Jahr beschädigen Bomben das Stadthaus schwer. Nach dem Krieg wird es vereinfacht wiederhergestellt 1954 steht Gestapo-Mann Beyer endlich vor Gericht – und wird wegen Verjährung freigesprochen. Und erst 1981 lässt der Senat die Erinnerungstafel anbringen, die seither das Gedenken an die vielen Tausend Gestapo-Opfer in Hamburg lebendig hält.

Morgen: Die Abwehr arbeitet bis zuletzt.

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