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Müntefering in „Hart aber Fair“: Impfen ist keine Sprengleranlage!

„Hart aber Fair: Zu wenig, zu langsam, zu kompliziert: Scheitert Deutschland am Impfen?“ ARD, Montag, 1.Februar 2021, 21.15 Uhr.

Ex-Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) hat in der ARDF-Talkshow „Hart aber Fair“ am Montag vor übertriebenen Erwartungen an die drei bisher zugelassenen Vakzine gewarnt.

Wörtlich sagte der Politiker: Impfen ist keine Sprengleranlage, unter die wir uns alle mal eben stellen, und dann sind wir geschützt!“

Die Kanzlerin gibt eine Runde Optimismus aus, doch Pleiten, Pech und Pannen zehren sehr am Mut des Publikums. Talkmaster Frank Plasberg Gäste:

Der NRW-Megaminister Karl-Josef Laumann (CDU), zuständig für Arbeit, Gesundheit und Soziales, bedauerte die Pannen bei den Impfterminen, es sei aber „keine Katastrophe“.

Müntefering hält die Einteilung in Risikogruppen für „ziemlichen Unsinn“.

Lisa Federle, Notärztin und Pandemiebeauftragte in Tübingen, fordert eine Doppelstrategie: Impfen und Schnelltest für alle!

Die Investigativ-Journalistin Anette Dowideit („Welt am Sonntag“) liefert harten Impf-Schimpf: „Debakel! Chaos!“

Der Arzt und Showmaster Eckart von Hirschhausen nahm im Dezember selbst an einer Impfstudie teil.

Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa),  startete seine Karriere einst bei AstraZeneca.

Highlights aus der Aufwärmrunde

„Die Menschen wissen, dass Schnelligkeit in der Impfstoffzulassung kein Sicherheitsrisiko darstellt“, hoffte von Hirschhausen zu Beginn.

Journalistin Dowidat lobte den „Impfweltmeister“ Israel: „Die haben früher eingekauft zu höheren Preisen und das Impfen viel einfacher organisiert!“

Ärztin Federle brachte gleich die ersten Wirkungstreffer ins Ziel: „Bei uns ist es ein ziemliches Desaster! Wir kriegen viel zu wenig Dosen! Wir haben gerade mal 20 Prozent der Heime impfen können!“

Leitmotiv des Abends

Münteferings ausgeprägter Nackenspoiler zeigte, dass er seinen Friseur nicht bestochen hat. Die Parole des Politikers: „Wir müssen 2021 zum Jahr der Impfung machen!“

Auch Laumann ist sichtlich lockdowntreu, ihm wachsen die Haare schon über die Ohren. „Die Sache mit der Terminvergabe ärgert mich wahnsinnig“, legte er los.

Besonders empört schimpfte der Minister über „den ewigen Wettbewerb“ der Bundesländer, wer am schnellsten sei. Sein Verdacht: Wenn andere schon mehr Prozent geimpft hätten als sein NRW, „dann haben sie keine Rücklagen gebildet!“ Check!

Schärfster Tadel

Ein ARD-Einspieler zeigte Europas Impfstatistik: Deutschland auf Platz 15. „Verschnarcht!“ wetterte Plasberg. Könne man nicht guter Europäer sein und trotzdem Druck auf die Hersteller machen?

„In dem Punkt hat Europa versagt!“ ärgerte sich auch die Ärztin. „Und wir hängen mit drin!“

„Leider kein gutes Zeichen für Europa“, urteilte Müntefering etwas milder. „Aber es wäre nicht besser gewesen, wenn wir als Deutschland eine egoistische Linie aufgebaut hätten!“

Der nächste Kurzfilm zitierte Stephan Pusch, Landrat in einer im Frühjahr besonders stark betroffenen Region: „Naiv und blauäugig!“ kritisierte der Kommunalpolitiker die EU-Kommission. „Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt!“

„Ihr Parteifreund!“ patzte Plasberg den Minister an.

Laumanns verblüffende Antwort: „Wenn ich mir die Preise in der Landwirtschaft angucke, wie die Bauern leiden und von ihren Höfen nicht mehr leben können, weiß ich nicht, ob die Verhandlungen in der Landwirtschaft besser laufen!“

„Das war jetzt der lustige Teil der Antwort“, kommentierte der Talkmaster.

„Der ernste Teil ist doch ganz klar!“ fügte Laumann hinzu. „Es ist eben ein absoluter Mangel an Impfstoff da, und die Erwartungen der Menschen sind hoch!“

Persönlichstes Erfolgserlebnis

„Ich habe einen Termin“, meldete Müntefering zufrieden. „Meine Frau ist in das Internetportal gegangen. Da waren Fragen zu beantworten: Wie alt? Wo wohnt er? Das hat vielleicht zehn Minuten gedauert, bis sie die beiden Termine hatte.“

Vorbeugend ergänzte der Ex-Parteichef, dessen Ehefrau

Michelle als Staatsministerin im Auswärtigen Amt arbeitet: „Das war nicht ein Bonus für irgendwas. Das ist so durchgelaufen, und sie sagt, das ist o.k.“

Klügste Kritik

Der alte Weise kennt auch den Grund, warum vieles nicht so gut klappt: „Es ist ganz klar, dass die Exekutive bei uns offensichtlich manchmal das Gefühl hat, wenn sie die Lösung verkündet, sei die Lösung da. Ist sie aber nicht!“

Sein Beispiel: „Plötzlich sagt einer: Schnelltests vor den Heimen. Wunderbar! Alle haben geklatscht. Aber wer macht das denn jetzt? Das ist ein großer Fehler, wo wir auch politisch rangehen müssen.

Peinlichstes Gegenbeispiel

Plasberg kennt einen, der weniger Glück hat: „Der FDP-Politiker Otto Solms, 80, Alterspräsident des Bundestags, bemüht sich seit drei Wochen um einen Impftermin“, berichtete der Talkmaster. „Vergeblich!“

Plasberg weiter: „Er habe alle möglichen Leute angerufen, um herauszufinden, wer denn verantwortlich sei. Ergebnis: Keiner fühlt sich zuständig.“

Dann las Plasberg den Verdruss des Liberalen im O-Ton vor: „Das ist eine typische Antwort in einem Verwaltungs- und Beamtenstaat, wo die Verantwortung immer weitergeschoben wird!“

Fundierteste Beschwerde

Hirschhausen störte sich an dem „Versandzirkus“ um die Masken: „Das kostet zweieinhalb Milliarden Euro, und die Apotheker stoßen sich daran sehr, sehr gesund, was mich wirklich als Bürger aufregen kann!“ erboste sich der fachkundige Viersternetalker.

Sein Vorschlag : „Es wäre einfacher gewesen, Masken in die Briefkästen zu stecken und zu sagen: Leute, wenn ihr sie nicht braucht, gebt sie dem Nachbarn. Das hätte einen Bruchteil des Geldes gekostet!“

Unwort des Abends

Die Journalistin ärgerte sich besonders über Typen, die sich als „Impfvordrängler“ unberechtigt Dosen schnappen: Bürgermeister, Bürohengste, ein Kölner Karnevalssänger…

Die Ärztin nannte die Verteilung übriggebliebener Dosen, die, weil aufgetaut, schnellstens verimpft werden müssen, „Happy Hour“. Ihre Beobachtung: „Die Leute prügeln sich darum!“

Rustikalster Empfang

Vom Berliner Impfgipfel zurück, wurde Pharma-Präsident Steutel zugeschaltet. „Es ist ein Eindruck, dass Europa nicht unbedingt fair behandelt wird von Konzernen wie Pfizer oder AstraZeneca!“ begrüßte der Talkmaster den Gast. „Viele Menschen sagen, den Konzernen geht es jetzt um ein gutes Geschäft!“

Dialog des Abends

Plasbergs nächster Gedanke: Wenn man das Rezept rausgeben würde, könnte ein Impfstoff auch von anderen Firmen produziert werden, meinte er.

Der Pharma-Profi wunderte sich: „Entschuldigung, das ist eine romantische Idee, dass ein Rezept einfach weitergegeben werden kann und das dann auch zu einer Impfstoffproduktion führt!“

Der Talkmaster blieb trotzdem dabei: „Manchmal hat Romantik die Menschheit weitergebracht!“

„Ich glaube sehr an Romantik“, lächelte Steuten, „aber nicht in der harten Wissenschaft!“

Realistischste Prognose

„Ich bin persönlich sehr guter Dinge“, sagte der Pharma-Präsident zum Schluss, „dass wir schon in den nächsten Wochen immer mehr Produktion sehen werden. Wir sollten am Ende des zweiten Quartals doch wirklich sehr gut bevorratet werden können.“

Gretchenfrage des Abends

Hirschhausen stellte die Standpunkte gegenüber: „Haben wir eine Notfallsituation, in der ein Impfstoff auch ein öffentliches Gut ist? Oder ist das eine Situation, in der Hersteller nach wie vor nach Profit gehen?“

Sein Kritikpunkt: „Einerseits hat die Bundesregierung die Forschung mit vielen Millionen gefördert, aber die Gewinne werden wieder privatisiert!“

Ungewöhnlichster Vorgang

„In Niedersachsen hatten die Kommunen die Post beauftragt, die über 80-jährigen zu informieren“, berichtete die Journalistin. „Die Post hat in ihre Datenbanken geschaut und auf Verdacht die Leute mit alt klingenden Vornamen angeschrieben.“

Hirschhausen war amüsiert: „Da wäre ich mit Eckart ganz weit vorne!“

Ehrlichster Stoßseufzer

„Ich bin heilfroh, dass die Frage, in welcher Reihenfolge die Menschen in diesem Land geimpft werden, keine politische Entscheidung ist“, sagte Laumann zum Schluss. „Wie soll es denn anders gehen, als dass es durch Mediziner evidenzbasieret entschieden wird!“

Fazit: Stramme Debatte ohne selbstdrehende Meinungsschnellwechsler, die Streitfälle blieben zivilisiert und der Talkmaster triggerte nicht wieder an den falschen Stellen. Das war eine Show der Kategorie „Infoimpfung“.

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