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Maischberger: Ramelows wüste Attacken auf CDU, FDP und die Talkmasterin

„maischberger.de“. ARD, Mittwoch, 12.Februar 2020, 22.45 Uhr.

Der abgewählte thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat in der ARD-Talkshow „maischberger.de“ am Mittwoch versucht, seine Wiederwahl mit wüsten Attacken auf CDU, FDP und zuletzt auch noch auf ARD-Talkmasterin Sandra Maischberger zu erzwingen.

Dabei wurde das Ziel seiner Tiraden rasch deutlich: Durch ständige Erinnerung an die Verbrechen der Nazis moralischen Druck auf Andersdenkende zu erzeugen und sich zugleich als den antifaschistischsten aller Hüter der Demokratie zu präsentieren.

Die Forderung der CDU, er möge doch endlich die Bezeichnung „Unrechtsstaat“ für die DDR akzeptieren, verweigerte er weiter – in der Talkshow mit zuweilen fadenscheinigen Begründungen. Hinter seinen Ausreden war klar die Strategie der SED-Erben zu erkennen: Ja, es hat ein paar schlimme Sachen in der DDR gegeben, aber die Nazis waren so viel schlimmer, dass ihre Untaten alles andere überdecken.

Der Schriftsteller Péter Esterházy hat diese Strategie schon vor vielen Jahren auf den Punkt gebracht: In Europa sei es nach dem Zweiten Weltkrieg Mode geworden, die Verbrechen des Kommunismus hinter den Verbrechen des Nationalsozialismus zu verstecken.

Wichtigste Fragen in diesem Talk: Annegret Kramp-Karrenbauer hat fertig – wen wechselt die CDU für sie ein? Und wie geht es in Thüringen weiter? Dazu hatte sich die Talkmasterin ein besonderes Kompetenzteam ins Studio geholt.

Im Mittelpunkt: Ramelow. Der Linke-Politiker gibt gern den Staatsmann, schickt lieber seine Sekundanten ins Grobe, doch diesmal holzte er selbst.

Der Europapolitiker Elmar Brok (CDU) schimpfte: „Die Linke ist die Nachfolgepartei der SED, da kann sich Herr Ramelow noch so bürgerlich geben!“

Politologe Werner Patzelt, Experte für AfD und Pegida, beriet die sächsische CDU im Wahlkampf.

Die Journalistin Cerstin Gammelin („SZ“) spottete: „War’s das jetzt etwa schon mit der Frauenpower in der CDU?“ Für sie schien das Geschlecht fast wichtiger als die Persönlichkeit bei der AKK-Nachfolge.

Der Ex-„BILD“-Vize Nikolaus Blome fragt auf den Punkt: „Was hat das eilige Beiseiteschieben von AKK für die CDU eigentlich verbessert?“

Der Reporter Markus Feldenkirchen („Spiegel“) pöbelte über „CDU und FDP“: „Entweder sind sie Halunken oder Dilettanten!“

Der Zoff war vorprogrammiert: In dieser Talkshow wurden keine Gefangenen gemacht!

Zum Aufwärmen gleich das erste Bashing

Die SZ-Journalistin haute den FDP-Chef in die Pfanne: „Das war das zweite Mal, dass Christian Lindner richtig dazu beigetragen hat, die Republik vors Chaos zu stellen!“ Dafür gab’s auch prompt den ersten Beifall.

„Spiegel“-Feldenkirchen schlug in die gleiche Kerbe: „Ziel der AfD ist das Lächerlichmachen der demokratischen Institutionen“, stellte er fest und bescheinigt Lindner & Co. „größte Verantwortungslosigkeit“.

Ramelow saß im Publikum und nickt eifrig. Weil in Osterholz-Scharmbeck geboren, galt der frühere „Karstadt“-Verkäufer einst als eine Art Biedersachse. Die Aura eines Kassenprüfers ist ihm geblieben, doch gilt er längst als der gefinkeltste Politiker nördlich des Rennsteigs.

Beklemmendstes Statement

Zuerst wollte Maischberger von ihm wissen, was er im Augenblick der Niederlage gedacht habe.

„Was mir durch den Kopf gegangen ist?“ antwortete Ramelow. „Acht Tage zuvor waren an der gleichen Stelle die Überlebenden von Buchenwald. Mir vorzustellen, dass acht Tage später mit den Stimmen von einem Fraktionsvorsitzenden, den man gerichtlich testiert zulässig Faschist nennen darf, eine neue Landesregierung gebildet werden soll, und ein Ministerpräsident sich mit diesen Stimmen wählen lässt, das hat mich fassungslos gemacht!“

Detaillierteste Vorwürfe

Dann schilderte Ramelow Vorgänge, die zeigen sollen, dass die völlig überraschende Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich ein abgekartetes Spiel gewesen sei:

Herr Kemmerich hat schon am Abend zuvor bekanntgegeben, dass die SPD-Minister bleiben dürften!“

„Der SPD-Vorsitzende Tiefensee hat ihm die Frage öffentlich gestellt, ob er beabsichtige, sich wählen zu lassen. Er hat darauf keine Antwort gegeben!“

Es gibt einen Spindoktor in der CDU, Herrn Dr. Hahn, der hat am Sonntag das ganze Szenario schon in einem öffentlichen Debattenbeitrag dokumentiert!“

„Am Abend vor der Wahl soll es in einer Gaststätte in Erfurt ein Treffen von einzelnen CDU-Abgeordneten mit den Vertretern von der AfD gegeben haben. Also so ganz überrascht können alle nicht gewesen sein!

„Als dieser Jubel im Block der AfD passierte, wusste ich: Hier ist ein elendiges Spiel gemacht worden!“

Umstrittenster Einspieler

„Das ist das eine. Das andere ist, dass Sie einen Tweet gemacht haben“, sagte Maischberger ungerührt und zeigt Ramelows Twitter-Nachricht vom Wahltag: Oben ein Foto von Hindenburg mit Hitler 1933, darunter Kemmerich mit Höcke 2020.

Ramelow verteidigte den wirren Vergleich mit einem Hinweis auf den Text unter den Fotos: „Den größten Erfolg erzielten wir in Thüringen. Dort sind wir heute wirklich die ausschlaggebende Partei“, stand dort. „Die Parteien in Thüringen, die bisher die Regierung bildeten, vermögen ohne unsere Mitwirkung keine Majorität aufzubringen. A. Hitler, 02.02.1830.“

Er habe nicht von Machtergreifung geredet, sagte Ramelow zu dieser Montage eines Zitats von 1930 mit einem Foto von 1933, sondern „von dem Tabubruch, der 90 Jahre zuvor passiert ist! Und der ist in Thüringen passiert!“

Interessanteste Frage

Sehen Sie wirklich in Björn Höcke einen Wiedergänger von Adolf Hitler?“ wunderte sich Maischberger.

So weit mochte Ramelow nun aber doch nicht gehen. „Es gibt keine Wiedergänger von niemandem“, antwortete er. „Aber Höcke will diesen demokratischen Rechtsstaat von innen aushöhlen!“

Und dann sprudelt es aus Ramelow heraus: „Er (Höcke) will, dass am Ende seine Vorstellung der Männlichkeit, der besonderen Art, wie das Deutsche, wieder in den Vordergrund gestellt wird…“

Strengste Ermahnung

Maischberger wirkte nicht überzeugt: „Macht ihn das…? Ist der Vergleich mit Hitler…? Ist das schon…?“

„Frau Maischberger!“ sagte Ramelow scharf. „Vor 90 Jahren ist der Tabubruch geschehen!“

„Also für Sie ist das ein legitimer Vergleich?“ bohrte die Talkmasterin weiter. „Das wollte ich ja nur wissen, weil, Sie haben es gelöscht von Ihrem Twitter-Account.“

Ach so. Und warum? Flugs wechselte Ramelow vom Anklagemodus in die Opferrolle. „Weil die Identitäre Bewegung sich aufgemacht hat, mich zum Feind Nr. 1 in Deutschland zu machen!“ erklärte er und beschwerte sich. „Meine Familie steht unter Polizeischutz! Ich stehe unter Polizeischutz!

Gilt das nicht ebenso für Kemmerich, für Höcke und sogar in friedlicheren Landesteilen für jeden herausgehobenen Politiker mit Hass-Posts? „Ich habe schwere Zeiten in Thüringen erlebt!“ sagte der Linke-Politiker und legte einen ungewöhnlichen Vergleich nach: „Ich habe das Massaker am Gutenberg-Gymnasium erlebt, aber sowas, was ich seit Mittwoch erlebe, was meine Familie erlebt, das haben wir noch nie erlebt!“

Wichtigste Frage

„Wie weit geht Ihre eigene Schuld?“ fragte Maischberger unbeeindruckt weiter. „Sie sind in dieses Parlament gegangen, wohl wissend, dass Sie keine Mehrheit haben!“

Ramelow rang ein paar Sekunden nach Worten, dann war er wieder in der Spur. Journalisten hätten ihm vorgehalten, erklärte er, dass er sich nach der verlorenen Landtagswahl von 2019, als er nur noch geschäftsführender Ministerpräsident sein konnte, eigentlich gar nicht zur Wahl stellen müsse.

Doch, so Ramelow „Da habe ich gesagt: Das ist undemokratisch! Der Ministerpräsident Bodo Ramelow wird darauf hinarbeiten, dass wir zu einer Mehrheit kommen!

Hitzigster Dialog

„Aber das ist Ihnen ja nicht gelungen!“ stellte Maischberger nüchtern fest.

„Moment mal!“ empörte sich Ramelow. „Wer hat denn verboten, der CDU, und der FDP, mit uns zu verhandeln? Wer hat denn mitgeteilt, dass er mit dem Wahlsieger, nämlich der Linken, nicht ein Wort verhandeln wird?“

Er selbst, „der Ministerpräsident Ramelow“, habe „seit Dezember ununterbrochen“ mit CDU-Landeschef Mike Mohring „über die Auflösung der Situation verhandelt“.

Mit anderen Worten: Sie fühlen sich reingelegt von der CDU?“ fragte die Talkmasterin punktgenau.

„Auf der ganzen Welt hat man gesehen, dass in Thüringen, 90 Jahre nach dem Tabubruch, ein neuer Tabubruch stattgefunden hat!“ erwiderte Ramelow erregt. Dafür gab es Applaus – wie von jetzt an bei fast jeder Äußerung des Ex-Ministerpräsidenten: Das Publikum bestand im Wesentlichen aus einer Gruppe junger Leute mit verblüffend einheitlichen Sympathien.

Plausibelster Vorschlag

„Wenn man Sie nicht wählen kann, hätte man einen Kandidaten von der SPD wählen können, der von der CDU leichter zu akzeptieren wäre“, gab Maischberger zu bedenken.

„Das ist ja kurios!“ erboste sich Ramelow. „Darf ich Sie darauf hinweisen, dass der Wahlsieger von Thüringen vor Ihnen sitzt?

„Aber der Wahlsieger hat keine Mehrheit“ konterte die Talkmasterin unerschrocken.

„Wir haben 31 Prozent!“ rief Ramelow wütend. „Wir haben mit Abstand den höchsten Wahlerfolg in ganz Deutschland! Und dann sagen Sie mir, ich möge doch bitte einen anderen Kandidaten einer anderen Partei aufstellen, damit es der CDU leicht fällt, mit ihrem Antikommunismus endlich klarzukommen?“

Das junge Publikum beklatschten den verräterischen Gefühlsausbruch begeistert, Ramelow hatte seine Fans voll im Griff.

Schärfste Attacke

„Das sage nicht ich, das sagen die Parteien in diesem Parlament“, verteidigte sich Maischberger.

„Herr Mohring und die bürgerliche Mitte haben gar nichts hingekriegt!“ ätzte Ramelow. „Und jetzt muss ich mich dafür rechtfertigen, dass ich mich zur Wahl gestellt habe?“

„Sie müssen nur erklären, was letzten Mittwoch passiert ist“, sagte die Talkmasterin so sanft wie möglich.

„Nein, Frau Maischberger!“ schnaubte Ramelow. „Das müssen andere erklären!“

Sonderbarste Deutung

„Aber auch Sie!“ beharrte Maischberger. „Weil Sie sich darauf verlassen haben, dass vier Leute auf die Toilette gehen“ – angeblich, um Ramelows Kür im dritten Wahlgang zu erleichtern.

„Von der Toilette war nie die Rede!“ behauptete Ramelow.

„Das haben Sie heute der BILD-Zeitung erzählt“, setzte Maischberger nach.

„Das ist eine Ente!“ behauptete Ramelow. „Die BILD-Zeitung schreibt Dinge, die nicht stimmen!“ Dafür gibt‘s zustimmendes Gelächter im Publikum: Auf die BILD-Zeitung schimpfen geht immer.

Seltsamerweise ist aber der Facebook-Post, in dem die Klo-Story stand, inzwischen ebenfalls gelöscht. Deshalb hier noch mal der Inhalt: Angeblich sollten beim dritten Wahlgang vier CDU-Abgeordneten rechtzeitig auf die Toilette verschwinden, damit Ramelow mehr Ja- als Nein-Stimmen bekomme.

Gekränkteste Einlassung

So ging es noch eine halbe Stunde im Zoff-Modus weiter. Ramelow über Auschwitz: „Die Verbrennungsöfen sind alle aus Thüringen!“ Sollte wohl heißen, nur ein Linke-Ministerpräsident könne garantieren, dass so etwas nie wieder geschehe.

Über seine Weigerung, die DDR einen Unrechtsstaat zu nennen: „Ich werde über dieses Stöckchen nicht springen!“ Denn der Begriff „Unrechtsstaat“ stamme ursprünglich von dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der 1952 als Ankläger in einem Nazi-Prozess den Satz prägte: „Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr.“

Über seine Chancen sagte Ramelow: „Das ist das Angebot an die CDU! Wählt die Landesregierung, damit wir handlungsfähig sein können, wie wir zu Neuwahlen kommen!

Darauf folgte eine seltsame Drohung: Bleibe Thüringen jetzt zu lange führungslos, könne es zu wirtschaftlichen Nachteilen kommen: „Es geht auch um EU-Gelder für die Landwirtschaft!“ Heißt: Wählt mich jetzt endlich, sonst wird es teuer!

Ramelows trotzigste Sprüche: „Wir können den Kalten Krieg auch weiterführen!“ – „Frau Maischberger, Sie sind nicht die CDU!“ – „Ich bin nicht gekommen, um billigen Klamauk zu machen!“

Krokodilstränen des Abends

Über den Rücktritt der CDU-Chefin sagte Ramelow: „Das grämt mich! Ich kenne die Kollegin Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland. Wir haben an einigen Stellen  zusammen gekämpft für gute Bedingungen. Auch für das Saarland!“

Schwerster Arroganzanfall

Jetzt, so klagte Ramelow, müsse er erleben, „dass die CDU als große Volkspartei sich zerlegt!“ Und es sei auch „der Zustand der SPD, der mir Angst macht!“

„Ich bin kein Mitglied der SPD“, sagte er zum Schluss. „Ich habe eine andere Partei gegründet … mitgegründet. Die Linke ist im Wesentlichen ein Teil meiner Arbeit!“ Das wird seinen Gegnern allerdings kaum imponieren.

Letztes Rededuell

Danach blieb noch Talk-Zeit für etwas Zoff zwischen Elmar Brok und Prof. Werner Patzelt. Das war dann wieder Talk im Normalbetrieb. Der Parlamentarier mit der Trump-Tolle  hatte rote Socken an und warf Patzelt gleich mal seine Gutachten für die AfD vor: „Man sollte nicht Aufträge von Leuten annehmen, die schmutzige Finger haben!“

Der pfiffige Professor mit der Revoluzzer-Krause und dem roten Schlips verteidigte sich mit dem Hinweis, das sei 2015 gewesen, als noch Frauke Petry AfD-Vorsitzende war.

Interessanter als dieses Geplänkel war die Prognose des Politologen für die CDU: Wenn sehr bald entschieden würde, sei Friedrich Merz Favorit. Dauere es länger, laufe der Vorsitz auf Armin Laschet zu.

Kernfrage, so Patzelt: Gibt es bei der CDU jetzt ein Weiter so, oder eine Neuerrichtung der konservativen Säule?“

Eine zähe Talkmasterin, ein diesmal extrem einseitiges Publikum, vor allem aber eine spätsozialistische Selbstverklärung mit entlarvenden Ausbrüchen: Das war ein Talk der Kategorie „Maskenfall“.

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