„Maybrit Illner: Die Welle brechen – wie weit fährt Deutschland runter?“ ZDF, Donnerstag, 29.Oktober 2020, 22.15 Uhr.
Der Grüne-Parteichef Robert Habeck hat dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illnr“ am Donnerstag eine staatliche Spitzelpolitik und eine amtliche Anstiftung zum Ausspionieren vorgeworfen.
Wörtlich sagte Habeck: „Also wenn das bayerische Kabinett dazu auffordert, dass Nachbarn die Nachbarn bespitzeln, dann überschreitet Politik eigentlich das, was sie eigentlich tun sollte. Sie sollte nicht Menschen auffordern, einander auszuspionieren!“
Die Opposition motzt, das Gastgewerbe trotzt, die Partyszene kotzt: Lockdown statt Lebenslust, Hochsicherheit statt Highlife! Maybrit Illners Gäste:
- Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) findet die neuen Spaßschranken „schmerzlich, aber nötig“.
- Habeck warnt, die Gereiztheit in der Gesellschaft werde immer größer.
- Andreas Gassen, Chef der Kassenärzte, diagnostiziert: „Dieser Lockdown ergibt keinen Sinn!“
- Ute Teichert, Verbandschefin der Ärzteschaft in den Gesundheitsämtern, beklagt große Probleme, die Kontaktketten nachzuverfolgen.
- Die Virologin Melanie Brinkmann macht klar: Ein Impfstoff könne die Pandemie verlangsamen, aber nicht stoppen!
Macher und Experten, aber wieder niemand aus der Risikogruppe 60+. Habeck reitet aus dem Stand die erste Attacke: „Wir haben viele Fehler gemacht“, klagte der Grüne-Chef. „Wir haben viel Zeit verloren!“
Gelungenster Konter
Mit „Wir“ meinte Habeck natürlich die anderen. Die Grünen dagegen hätten „immer wieder Vorschläge gemacht“. Sein gnädiger Kommentar zur Lockdown-Entscheidung: „Jetzt tragen wir das in der Not natürlich mit!“
Der CDU-Mann ärgerte sich über diesen Spruch: „Die Regierungen haben sich viel Mühe gegeben!“ erwiderte Hans und schoss volles Rohr zurück: „Auch in Baden-Württemberg, dass ja grün regiert wird!“
Klarstes Für und Wider
„Nur dass Verbote ausgesprochen werden heißt ja noch nicht, dass sich auch jeder daran hält“, warnte die Virologin. „Trotzdem bin ich sehr optimistisch, dass sich die Zahlen reduzieren und wir ein Containment hinbekommen.“
„Wir hätten uns einen anderen Weg vorgestellt“, kritisierte Gasser namens der Kassenärzte. „Dass die Pandemie jetzt kontrollierbar wird, sehe ich nicht so wirklich. Wir brauchen für diesen Marathon, den uns die Pandemie auferlegt, eine nachhaltige Strategie!“
Erwartungsvollste Durchhalteparole
Aus Düsseldorf wurde Ärztin Teichert zugeschaltet. „Wenn sich alle daran halten, steigen die Zahlen für die Gesundheitsämter nicht mehr so stark an“, hoffte sie. „Dann sind nicht mehr 20 bis 40 Kontaktpersonen nachzuverfolgen, sondern vielleicht nur noch zwei bis vier wie im März und April.“
Plastischste Begriffe
Die Talkmasterin zitierte wie im Titel das Kanzlerwort vom Corona-„Wellenbrecher“. Der Ministerpräsident wurde noch etwas griffiger: „Wir wollen dem Virus die Hauptnahrungsquelle wegnehmen, die Kontakte“, sagt Hans. „Diesen Futtertrog haben wir jetzt mal weggezogen!“
Teichert war mit Illners Wort „Hammer“ für die neuen Maßnahmen „nicht glücklich“, schreckte aber selber keineswegs vor drastischen Vergleichen zurück: „Wir hatten vorher Brände an verschiedenen Stellen“, erklärte sie. „Jetzt haben wir einen Flächenbrand!“
Ungewöhnlichste Analyse
„Die Gereiztheit bei den Menschen nimmt zu“, sorgte sich Habeck. „Wir laufen in die dunkle Jahreszeit rein. Wenn wenig Licht da ist, nehmen die Depressionen und Vereinsamungsgefühle zu.“
Die neuen Corona-Beschlüsse sind für den Grünen „ein Begründungswechsel in der Bekämpfungsstrategie“: Was man den Menschen in den letzten Monaten beigebracht habe, zähle jetzt plötzlich nicht mehr.
Erwartbarster Seitenhieb
Dann nutzte Habeck die Gelegenheit zu einem handelsüblichen Foul gegen Markus Söder, allerdings ohne den Ministerpräsidenten klar zu benennen. „Was mich besonders beunruhigt, ist, dass jetzt politische Institutionen Menschen auffordern, sich gegenseitig anzuzeigen“, schimpfte der Grüne los.
Damit hatte der Grüne seinen parteipolitischen Auftrag erfüllt und konnte wieder in den Staatsmann-Modus schalten: „Wir kommen hier nur durch, wenn wir Vertrauen schaffen!“ dozierte er. „Das Vertrauen muss ein Wir-Gefühl erzeugen und nicht ein Ich-Ich-Ich-Gefühl!“
Pessimistischste Prognose
„Ich bin skeptisch!“ gab Kassenärzte-Gassen noch mal zu Protokoll. Wenn alles gut laufe, meinte der Mediziner, hätten wir nach vier Wochen eine vorübergehende Reduzierung der Infektionszahlen, aber noch immer den ganzen Winter vor uns.
Aber, so Gassen: „Der Mensch ist nicht nur ein biologisch funktionierende Organismus. Wir richten Kollateralschäden an, die weit über die virale Bedrohung hinausgehen!“
Erhellendste Klarstellung
Hans wollte den bayerischem Ordnungseifer aus der grünen Schusslinie nehmen: „Natürlich muss man auch damit rechnen, wenn man jetzt bei sich zu Hause eine große Party wirft, und es bis auf die Straße schallert, dass dann auch mal ein Polizeibeamter klingelt“, meinte er.
Aber, so der Ministerpräsident: „Das ist ein großer Unterschied dazu, ob man jetzt mit Taschenlampen durch das Fenster des Nachbarn leuchtet. Sowas halte ich für falsch!“
Vernünftigste Vorschläge
Gassen riet, nicht nur auf die reinen Infektionszahlen zu achten, sondern vor allem auf das Alter der Infizierten: Von dem Virologen Hendrick Streeck habe er gelernt, dass 200 Raver nicht so gefährdet seien wie 30 Senioren im Altersheim.
Die Forderungen des Mediziners: Konzentration auf die Risikogruppen. Einschätzung der stationären und ambulanten Kapazitäten vor Ort. Einpreisung dieser Faktoren in ein Ampelsystem. Justierung auf regionale Verhältnisse. Und immer wieder Mahnen: Maske, Abstand, Lüften!
Versöhnlichstes Kompliment
„Die entscheidende Frage ist: Wie verhindern wir, dass das Virus Weihnachten wiederkommt?“ meldete sich Habeck noch einmal. „Wir haben jetzt vier Wochen, um das, was wir in den vier Monaten vorher nicht geschafft haben, besser zu durchdenken.“
Sein interessantester Vorschlag: „Es wäre natürlich möglich, die Corona-App so zu nutzen, dass die Gesundheitsämter, wenn ich mich infizieren würde, das automatisch mitbekommen.“
„Herr Hans und seine Kollegen, also alle Ministerpräsidenten, arbeiten sich die Hacken wund“, lobte der Grüne zum Schluss. „Niemand unterstellt Wurstigkeit und Lässigkeit!“
Zuversichtlichstes Schlusswort
„Ich bin total optimistisch, dass die Zahlen zurückgehen und wir Weihnachten deutlich unbeschwerter feiern können“, hoffte die Virologin zum Finale. „Wir können nicht alle auf den Baum klettern. Das Leben muss weitergehen!“
Habeck fand Weihnachten nicht so entscheidend. Doch für den CDU-Politiker war der wichtigste Feiertag der Familien ein besonderer Punkt: „Die Vorstellung eines Weihnachtsfestes oder eines Neujahrsfestes ganz ohne Kontakte macht den Leuten Angst.“ Und das, soviel war klar, will keiner.
Fazit: Reichlich abgenutzte Textbausteine, verkopftes Coronaschwurbeln und chemisch gereinigte Argumente, aber immerhin hohe Debattendichte bei niedriger Selbstgewissheit, kaum Zukunftspanik und alle Hände fest an der gemeinsamen Deichsel: Das war ein Talk der Kategorie „Geschlossene Gesellschaft“.