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Lockdown-Zoff bei Illner: Tschentscher wirft Söder Disziplinmangel vor

„Maybrit Illner: Heute lockern, morgen Lockdown – das Risiko der dritten Welle?“ ZDF, Donnerstag, 8.April 2021, 22.15 Uhr.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat dem bayerische  Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag vorgeworfen, sich leichtfertig über gemeinsame Becshlüsse hinwegzusetzen.

Wörtlich sagte Tschentscher: „Wir sind alle gemeinsam erstaunt, dass gerade jetzt in Bayern die Entscheidung getroffen wird, gegen den Ministerpräsidentenbeschluss den Einzelhandel bei über 100 (Infektionen pro Woche und 100.000 Einwohner) zu öffnen. Das trägt nicht dazu bei, dass Disziplin einkehrt!

Mehr Freiheiten, mehr Proteste. Mehr Impfungen, mehr Kritik. Mehr Schule, mehr Sorgen. Mehr Tests, mehr Ärger. Alles nur halbe Sachen? Auch Maybrit Illners Gäste waren irritiert:

Tschentscher forderte „endlich bundeseinheitliche Regeln“.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) macht sein Bundesland mit einem schlauen Modellprojekt locker.

Die Virologin Prof. Melanie Brinkmann schimpfte: „Die politischen Entscheider haben es geschafft, dass einfach alle unzufrieden sind!“

Der Pneumologe Cihan Çelik schaltete in seiner Darmstädter Klinik wieder auf Notbetrieb: „Der politische Mut hat an einigen Stellen gefehlt!“

Der Rundfunkmoderator Paul van Dyk trat nach harter Kritik an der Corona-Politik in die FDP ein: „Unsere Gesellschaft darf sich nicht nur auf Virologen verlassen!“

Ein Ziel, viele Wegweiser!

Locker-Hans wusste, was ihm heute blühen könnte, und sicherte seine Öffnungspläne gleich mal mit einer juristischen Barrikade ab: Wer zu viel lockdownt, dem kippt das Oberverwaltungsgericht Saarlouis die schönsten Beschlüsse!

Sein Rezept: Statt Schließungen lieber Tests. Denn, so der Ministerpräsident: „Wir sind nicht nur juristisch, sondern auch als Politiker verpflichtet, mildere Mittel zu suchen!

Aber: „Wenn eine Überlastung droht, wird sofort die Notbremse gezogen. Wir fahren nicht über Rot!“

Deutlichster Zweifel

„Ich bin sehr skeptisch!“ urteilte Tschentscher danach über den Hans-Plan. „Ich glaube, das ist ein Irrtum, weil die Schnelltests nicht die Sicherheit haben, die einige damit verbinden.“

Die Gegenstrategie des SPD-Politikers: „Es geht nicht darum, dass wir die mildesten Mittel finden, sondern wir müssen die wirksamsten Mittel einsetzen!“ In Hamburg seien das die Ausgangssperre und eine „sehr scharfe Kontaktbeschränkung“.

Und schon ging der Zoff los

Vor Ostern hätten die Ministerpräsidenten beschlossen, es brauche noch zusätzliche Maßnahmen, erinnerte der Bürgermeister. Deswegen sei er erstaunt, „dass sie in Bayern gerade jetzt beschließen, dass man trotz hoher Infektionszahlen den Einzelhandel öffnen darf, mit Click & Meet!“

„Wir müssen jetzt den Ernst der Lage erkennen!“ forderte Tschentscher. „Die Intensivstationen in Hamburg sind jetzt schon so ausgelastet wie zum Höchststand der zweiten Welle. Wir brauchen bei den Kontaktbeschränkungen, bei den Ladenöffnungen und auch bei den Ausgangsbeschränkungen einheitliche Regeln!“

Außerdem warnt der SPD-Politiker: „Die Leute sind mittlerweile verärgert, weil sie nicht mehr wissen: Was gilt bei mir, was gilt Im Nachbarlandkreis? Dieser Flickenteppich führt zu Mobilität, die wir in der Pandemiebekämpfung nicht gebrauchen können!“

Tödlichste Gleichung

„Die Zahlen steigen, und je früher wir handeln, desto mehr Menschenleben können wir retten“, macht die Virologin klar. Und das gilt eben auch umgekehrt.

Prof. Brinkmanns strenge Kritik: „Es wurde zögerlich gehandelt. Es gab nie eine langfristige Perspektive oder ein klar formuliertes Ziel!“

Plastischste Beschreibung

Die dramatische Warnung der Virologin: „Das Impfen ist zu langsam und wird die dritte Welle nicht mehr aufhalten können. Was mich so verrückt macht: Ich werde mich mit dieser Strategie für den Rest des Jahres in einem Dauer-Lockdown befinden!

Denn, so Brinkmann: „Die Intensivstationen laufen voll. Eigentlich ist es jetzt schon zu spät!“

„Das Personal ächzt unter der Belastung“, assistierte  Çelik. „Es gibt bis zum absoluten Maximum noch etwas Luft, aber wenn es so weit gekommen ist, ist der Karren schon gegen die Wand gefahren, und dann hilft das Bremsen auch nicht mehr!“

Interessanteste Statistik

„Man sollte nicht unbedingt während dieser Pandemie alles, was wir an demokratischen Errungenschaften in unserem Land erreicht haben, mit dem Hintern wieder einreißen“, mahnte der Musiker.  „Unser Leben findet nicht in einer Petrischale im Labor statt!“

Hans möchte den DJ mit der Aussicht auf Konzerte gewinnen: „Wir wollen jetzt keinen harten Lockdown, sondern, dass Menschen in die freie Luft gehen, wenn sie getestet sind.“

Seine vielen Kritiker quer durch die Parteien konterte der CDU-Politiker mit überragenden Zahlen: „Wir haben 400 Teststellen im Saarland, und wir laufen auf 200.0000 Tests in der Woche zu. Das sind 20 Prozent der Bevölkerung!“

Ärgerlichster Seitenhieb

In Richtung seines thüringischen Kollegen Bodo Ramelow ätzt Hans: „Es wird immer gerne damit kokettiert, dass das Saarland die Hälfte der Fläche eines Landkreises an anderen Stellen in Deutschland hat, und dann ist es eine kleine Region…“

Aber, so Hans weiter: „Jetzt, wo ein Modellprojekt gemacht wird, ist es auf einmal eine große Region. Da muss man schon ein wenig realistisch bleiben!“

Höflichste Kanzlerinkritik

„Ich finde den Meinungsfindungsprozess von Frau Merkel sehr schwierig“, analysiert DJ van Dyck. „Wir wissen  doch gar nicht, was schlägt sie uns am Samstag vor, was dann am Montag beschlossen werden soll!“

Sein Ärger: „Ein Lockdown nach dem anderen bringt uns nicht weiter! Jetzt heißt es plötzlich: Brücken-Lockdown. Was soll das bedeuten? Kommt dann ein zweites Schloss an den bereits geschlossenen Laden?“

Massivster Vorwurf

Prof. Brinkmann nahm vor allem Schulen und Unternehmen in den Blick: „Wir testen viel zu wenig in Bildungseinrichtungen und Betrieben“, kritisierte sie.

Sie habe nichts gegen Modellprojekte wie im Saarland, fügte die Virologin hinzu, aber der Zeitpunkt sei falsch, „jetzt, wo in den Intensivstationen Menschen liegen und sterben.“ Rumms!

Ordnungsruf des Abends

„Wenn Schleswig-Holstein Läden öffnet, machen sich Hamburger auf dem Weg“, warnte Tschentscher. „Deswegen bin ich seit geraumer Zeit der Meinung, dass wir im Einzelhandel einheitliche Regeln haben müssen.“

Bestes Beispiel

„Unser Problem ist: Wir haben heute eine Entscheidung zu treffen, um etwas zu verhindern, das in drei oder vier Wochen zu vermeiden ist: eine Überlastung der Intensivstationen“, erläuterte der Bürgermeister.

Aber, so Tschentscher: „Die Wissenschaft hat uns eine Sturmflutwarnung geschickt. Da können wir nicht sagen: Och, ein bisschen windig ist es schon, aber der Wasserstand ist noch Normal Null!“

„Sondern man muss die Schotten zumachen“, forderte der Bürgermeister, „und den Leuten sagen: Parkt eure Autos nicht mehr an der Elbe, jetzt kommt das Wasser!“

Umstrittenste Erfolgsmeldung

„Wir haben in Hamburg eine sehr gute Erfahrung gemacht“, freute sich Tschentscher zum Schluss. „Wir haben das ruhigste Osterwochenende seit Jahrzehnten erlebt. Und die Polizei berichtet, dass man auch weniger Verstöße im privaten Raum mitbekommt. Wenn man nicht mehr in Gruppen unterwegs sein kann, wird das alles zur Ruhe gebracht.“

Der DJ hat keinen Bock auf Stille: „Ich finde es befremdlich, wenn der Erste Bürgermeister von Hamburg abfeiert, dass das Osterfest besonders ruhig war“, mosert von Dyck. „Ich finde, es gibt was zu feiern, wenn wir wieder gesellschaftliches Leben möglich machen können.“ Uff!

Doch Tschentscher vergießt darüber kein Quaranträne: „Ich wollte das nicht abfeiern“, kontert er, „sondern darauf hinweisen, dass eine Ausgangsbeschränkung sehr stark wirksam ist. Gerade damit Sie im Sommer wieder Konzerte veranstalten können.“ Halleluja!

Fazit: Das Dauerthema mit neuen Infos und Argumenten. Alle wollen endlich Lösungen, und keiner hat mehr Lust auf neue Einschränkungen: Das war ein Talk der Kategorie „Bockdown“.

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