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Lockdown-Zoff bei „hart aber fair“: Röttgen fordert Bundestagsdebatte über Grundrechts-Einschränkungen

„hart aber fair: Verzeihung, wir haben da eine Frage: Scheitert Deutschland in der Krise?“ ARD, Montag, 29.März 2021, 21.45 Uhr.

CDU-Vize Norbert Röttgen hat in der ARD-Talkshow „hart aber fair“ am Montag energisch gefordert, Lockdown-Maßnahmen endlich durch Parlamentsbeschlüsse zu legitimieren.

Wörtlich sagte der Politiker, das Format Bundeskanzlerin plus Ministerpräsidenten „funktioniert nicht mehr, und es jetzt auch schädlich gewirkt“. Deshalb forderte Röttgen klipp und klar: „Entweder wird das jetzt zügig repariert, oder der Bundestag muss von seinen Gesetzgebungskompetenzen Gebrauch machen!“

Das Land hängt in den Seilen: Zu wenig Impfstoff, zu viel Impfzoff, und was am besten klappt, sind die Türen zu den Talkshowstudios. Frank Plasbergs Gäste:

Röttgen sieht den Absturz der Union mit Grausen und will dringend die Reset-Taste drücken.

Der Politologe Prof. Herfried Münkler schlägt Alarm: „Wir gehen in ein Jahrhundert der Pandemien hinein!“

Die Journalistin Melanie Amann („Spiegel“) schießt immer wieder scharf auf die Kanzlerin in ihrem „Fachidioten-Turm“.

Die Publizistin Marina Weisband (Grüne) wollte Plasberg heute eine Petition zu Corona mitbringen.

Der US-Publizist Matthew Karnitschnig („Politico“) spottet: „Die einigen geimpften Deutschen, die ich kenne, sitzen in New York.“

Polit-Oldie Klaus von Dohnanyi (SPD) sollte mit Plasberg über frühere Krisen reden, doch kurz zuvor rauchte leider sein Rechner ab, und ein Handy hat er nicht. Schade!

Typische Talkrunde in Corona-Zeiten: Hoher Härtegrad, aber ganz unterschiedliche Ziele.

Zum Start ein Nachbeben

Zur Einstimmung sollte „Spiegel“-Amann den Auftritt der Kanzlerin tags zuvor bei „Anne Will“ kommentieren. „Das war eine Breitseite!“ wettert sie los.

Begründung: „Die gespielte Harmonie mit den Ministerpräsidenten wurde aufgebrochen. Früher wurde immer der faulste Kompromiss umgesetzt. Jetzt wird immerhin mal Klartext gesprochen. Ich habe das als Kampfansage (der Kanzlerin) verstanden: Wenn ihr nicht mehr mitspielt, spiele ich auch nicht mehr mit!“

Lauteste Alarmsirene

Danach läutete Röttgen die Sturmglocken: „Entscheidend ist, dass wir am Beginn der ernstesten und gefährlichsten Phase dieser Pandemie sind!

Plasberg wagte trotzdem eine kleine Lockerungsübung auf Kosten des als Unke bekannten SPD-Gesundheitsexperten: „An dieser Stelle sitzt normalerweise Lauterbach. Das muss mit dem Stuhl zusammenhängen!“

Weitreichendste Aufforderung

Zum Prozedere erklärte Röttgen: „Ich glaube nicht, dass wir jetzt in der Karwoche zu Ergebnissen kommen. Aber in der Woche nach Ostern muss die Ministerpräsidentenkonferenz zu angemessenen Entscheidungen kommen.“

Falls nicht, so der CDU-Politiker, „bin ich dafür, dass danach in der Sitzungswoche des Bundestages ein Gesetz eingebracht wird, das gefahrenadäquat die Entscheidungen trifft“ – also vom 12. bis 16.April.

Emotionalstes Statement

„Wir erleben eine enorme Vertrauenserosion“, klagte Publizistin Weisband. Jetzt gehe es darum, „rasch zu handeln und viele Tote zu verhindern!“

Über ihre persönliche Situation sagte sie: „Ich sitze wie viele andere seit einem Jahr zu Hause mit einem Kleinkind, und ich bin müde!“

Überraschendste Behauptung

„Ich wäre bereit, noch härtere Einschränkungen kurzfristig in Kauf zu nehmen“, erklärte Weisband danach aber und forderte „auch am Wochenende und während der Ostertage zu impfen.“

Denn: „Das ist das, was über 50.000 Menschen wollen, die gerade eine Petition für den Lockdown unterschieben haben, in unter 24 Stunden!“ Es hatte also geklappt.

Interessanteste Info

Ein ARD-Einspieler zitierte den Verfassungsrechtler Prof. Christoph Möllers: Die Kanzlerin könne Länge und Inhalt des Lockdown auch „per Bundesgesetz ohne Einigung mit den Ministerpräsidenten beschließen“. Hammer!

„Der Bundestag kann das Infektionsschutzgesetz so verändern, dass konkretere Vorgaben und Entscheidungen im Gesetz direkt getroffen werden oder an den Bundesgesundheitsminister als Rechtsverordnungsermächtigung gegen werden“, erläuterte Röttgen.

Klarste Kante

„Diese Pandemie haben wir auch wegen des autoritären Überwachungsstaates China“, fügte der CDU-Politiker hinzu. „Weil in diesem Staat mit seinem Überwachungs- und Angstsystem die Meldung von Problemen nach oben sehr gefährlich ist.“

Schlimmste Anklage

Bald 100 Millionen Amerikaner und fast die Hälfte der Bevölkerung in Großbritannien seien bereits geimpft, erklärte Journalist Karnitschnig. „Ich überlege mir, in die USA zu fliegen, damit ich schneller geimpft werden kann!“

Sein massiver Vorwurf: Nicht für den Osterruheplan hätte sich die Kanzlerin entschuldigen müssen, „sondern für die vielen Toten in den Altenheimen und anderswo. Das sind Abertausende! Und über die redet keiner mehr!“

Schockierendstes Schlagwort: „Ich halte das für eine organisierte Lebensgefahr“, beschrieb die „Spiegel“-Journalistin den aktuellen Sachstand.

Prompt ging der Zoff los

„Der Bundestag als das zentrale Organ unserer Demokratie hat eine eigene Verantwortung“, stellte Röttgen klar.

„Wo ist denn dann der Gesetzentwurf?“ fragte Amann vorwurfsvoll.

„Wenn der Bundestag in der nächsten Sitzungswoche zusammentritt, muss er als Gesetzgeber dazu aktiv werden“, erwiderte der CDU-Politiker.

„Schöne Worte!“ giftete Amann.

„Das kann man nicht kritisieren mit ‚Warum habt ihr das noch nicht gemacht‘, entgegnete Röttgen. „Es wird kommen, in der nächsten Sitzungswoche!“

Temperamentvollste Klarstellung

Röttgen ärgerte sich auch über „die Vorstellung, dass Frau Merkel dem Bundestag sagt, jetzt macht mal das Gesetz, und dann sitzen dort irgendwie 700 Schafe, oder die Koalitionsmehrheit, die hinterhertrotten.“ Hm – das klang dann sogar schon ein bisschen nach Kanzlerindämmerung!

„Die Ministerpräsidenten wollen wiedergewählt werden. Frau Merkel nicht“, assistierte Prof. Münkler.

Ein weiterer ARD-Einspieler zeigte Merkel in einem ZDF-Interview vom 8.März 2000. Auf die Frage nach ihrer größten Stärke hatte sie damals gesagt: „Dass ich, wenn’s nottut, Dinge laufen lassen kann, schweigen kann und aufs Ende abwarten kann.“

Konsequenteste Vorschläge

„Sofort Lockdown! Verpflichtendes Homeoffice! Wo das nicht geht: verpflichtendes Testen!“ forderte Weisband.  „Schulen zumachen, aber dezentrale Beschulung und Betreuung in Kleingruppen!“

Außerdem: „Dezentrale Betreuung von Kita-Kindern. Vielleicht sogar Ausgangssperren. Und gleichzeitig Impfen, Impfen, Impfen! Und zwar flexibler in der Reihenfolge und bei allen Hausärzten!“ Lockern erst bei Inzidenzzahl 10. Jetzt ist sie bei 134. Uff!

Scharfsinnigste Analyse

„Wir galten als Logistikweltmeister und sind verknöcherte Bedenkenträge!“ schimpfte Plasberg. „Woher kommt das?“

„Man hat einer Vorstellung von Gerechtigkeit und Reihenfolge den Vorzug gegeben gegenüber dem Prinzip der Effizienz“, analysierte Prof. Münkler.

Und, so der Politologe: „Die Verantwortung beim Impfen ist vom Bund nach unten an die Länder und bei der Beschaffung des Impfstoffs nach oben an die EU abgegeben worden. Das hat nicht geklappt.“

Unwillkommenstes Vorbild

„Die Chicago Boys, die Ökonomen aus Chicago, die Trump beraten haben, sagten: Kaufen, kaufen, kaufen, egal was es kostet“, schilderte Münkler.

Das Deutsche an unsere Strategie sei, so der Professor: „Eine gewisse Regelhaftigkeit. Der Versuch, es allen recht zu machen. Nicht durchzufahren und zu sagen: O.k., die Trümmer beseitigen wir hinterher. Sich mit niemandem anzulegen.“

Münklers beklemmende Vorhersage: „Wahrscheinlich wird das Problem auch sein, dass wir tendenziell alle zwei, drei Jahre Erneuerungsimpfungen brauchen. Die Briten denken darüber schon nach.“

Überraschendste Erkenntnis

„Wir müssten wieder ein bisschen deutscher werden“, meinte Röttgen dazu, denn: „Es war schon vorher unsere Schwäche, dass wir Verwaltung nicht mehr so gut können wie unser Ruf ist.“

Seine Analyse: „Wir haben es auch ein bisschen übertrieben mit dem moralischen Imperativ ‚keinen Impfstoffnationalismus‘.“

Brisantestes Schlusswort

Röttgens mutige Forderung: „Wir müssen lernen, dass es legitim ist, wenn ein Staat sich um seine Bürger kümmert. Das ist kein Nationalismus!“

„Aus diesem Impuls, der scheinmoralisch ist, haben wir es auf eine Ebene gegeben, die EU, die dafür überhaupt nicht qualifiziert war“, fasste der CDU-Politiker zusammen. „Das haben wir übertrieben. Das ist auch eine Lehre, die wir ziehen sollten.“ Amen!

Fazit: Viel Rückblick, viel Durchblick, alle Argumente säuberlich sortiert, Lösungsvorschläge ohne Ideologie, Ermutigung statt Ermüdigung: Das war eine Talkshow der Kategorie „Krisengewinn“.

 

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