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Lockdown-Zoff bei Anne Will: Peter Altmaier verteidigt die Bundesregierung gegen massive Kritik

„Anne Will: Streit um die Bundes-Notbremse – lässt sich die dritte Welle so brechen?“ ARD, Sonntag, 18.April 2021, 21.45 Uhr.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die Pläne der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag gegen teils heftige Kritik verteidigt.

Wörtlich sagte der Politiker dabei:  „Einige sagen, es ist nicht scharf genug, ohne genau zu sagen, wie es verschärft werden soll. Und andere sagen, das ist alles viel zu scharf. So kann es am Ende nicht funktionieren!

 

Riesen-Dilemma für Anne Will: Ganz Deutschland lauert auf die für heute angekündigte Entscheidung im Duell Laschet gegen Söder, aber so lange nichts klar ist, lässt sich kaum darüber talken. Also muss es beim Corona-Thema bleiben. Die Gäste

Altmaier fordert einen Lockdown mit Ausgangssperren: „Sonst zehntausende zusätzliche Tote!“

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) warnt vor unvorsichtigen Eingriffen in unsere Grundrechte.

Partei- und Fraktionschef Christian Lindner (FDP) droht weiter mit einer Verfassungsklage.

Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt (Grüne). fordert mehr Tempo.

Der Kölner Klinikdirektor Prof. Michael Hallek warnt vor totaler Überlastung: „Es ist fünf nach Zwölf!“

Die Journalistin Melanie Amann („Spiegel“) kritisiert, dass einige Länderchefs immer wieder die Corona-Beschlüsse der Bund-Länder-Gipfel unterlaufen.

 

Entscheider und Experten im Pro und Contra. Wie heftig werden die Attacken?

Zum Start fragte die Talkmasterin bei ARD-Studioleiterin Tina Hassel noch schnell mal nach: Ob man jetzt mit einer Entscheidung im Machtkampf Laschet-Söder rechnen könne? Nein, meint die Kollegin, und sie würde sich auch „sehr wundern, wenn die irgendwann um Mitternacht vor irgendwelche Kameras treten würden.“

Dramatischste Lagebeschreibung

Der Klinikdirektor wurde aus Köln zugeschaltet. „Ich habe heute wieder viele Patienten gesehen, die auf den Intensivstationen unseres Klinikums um ihr Leben kämpfen“, berichtete der Mediziner sichtlich bewegt.

Seine erschütternde Bilanz für Deutschland: „5000 Intensivpatienten. Zwei Drittel der Intensivstationen nicht mehr aufnahmefähig.“ Für seine Klinik: „Weiche Triage (wesentliche Eingriffe verschieben), sieben OP-Säle geschlossen.“

Härtester Vorwurf

„Aus diesem Grund glauben wir, dass alle politischen Maßnahmen, die jetzt die Pandemie einschränken, schnell, effizient und nachhaltig erfolgen müssen“, forderte der Mediziner. „Wir haben keine Zeit für ein Gesetzgebungsverfahren, dass dann noch in drei Wochen nicht entschieden ist!

„Was uns bedrückt und auch erzürnt: Diese Situation ist mit Ansage“, fügte Hallek hinzu. „Experten warnen seit Januar vor dieser Entwicklung. „Wir sind besorgt, dass die jetzige Situation abermals zu langsam bekämpft wird  und deswegen viele Menschen leiden und sterben müssen.“

Betroffenheit in der Runde!

Wichtigste Ankündigung

Altmaier drückte auf seinem deutlich zu kleinen Plastiksessel immer wieder Rücken und Knie durch. „Die Regelung der Demokratie und des Grundgesetzes können wir nicht außer Kraft setzen“, verteidigte er sich.

Aber: „Wir können das Mitte nächste Woche verabschieden“, hoffte der Minister. „Dann wäre es das vermutlich schnellste Gesetzgebungsverfahren, das wir in den letzten Jahren durchgeführt haben.“ Halleluja!

Schon gab es den ersten Zoff

Will war nicht zufrieden, der Talkmasterin dauert das alles viel zu lange: „Halten Sie das wirklich für verantwortungsvoll?“ patzte sie den Minister an.

Die Regierung kann nur das tun, was sie nach dem Grundgesetz tun darf“, erwiderte Altmaier etwas bräsig.

Die Talkmasterin wollte ihm daraufhin gleich mal auf die Sprünge helfen: „Sie kann telefonieren, sie kann Allianzen bilden, sie kann werben, sie kann einen spitzenmäßigen Vorschlag machen…“

Interessanteste Schuldzuweisung

„Aber das haben wir doch gemacht!“ behauptete Altmaier und führt zum Beweis die Notbremse an. Sein Vorwurf an die Ministerpräsidenten: „Leider hat sich herausgestellt, dass es offenbar viel einfacher war, bestimmte Öffnungen zu machen, als sie anschließend wieder zurückzunehmen.“ Puh! Schwarzer Peter, du musst wandern!

Klarste Kante

„Es ist ein sehr, sehr sensibler Eingriff in die  Grundrechte der Menschen geplant!“ warnte Lindner, und danach gleich noch mal: „Es geht um die Grundrechte der Menschen!“

Für die geplante Ausgangssperre etwa „brauchen wir ein geordnetes Verfahren“, fügte der FDP-Chef hinzu und verweist auf parteieigene Vorschläge: „Es wird Änderungen am Gesetz geben!“

Berechtigtste Kritik

„Die Beratung aus der Wissenschaft zeigt eindeutig, dass drinnen mehr passiert als draußen“, stellte Müller fest. Sein bedrückendstes Beispiel: „Ich habe Schülergruppen, die sind seit vier Monaten nicht in der Schule!“

Müllers Klage: „In der Großsiedlung Gropiusstadt leben 50.000 Menschen. Keiner hat einen Garten, keiner eine Terrasse. Menschen auf engstem Raum, abends keine privaten Kontakte, und jetzt soll man auch nicht mehr joggen gehen können. Da muss ich kein Wissenschaftler sein, um zu verstehen, was das anrichtet!“

Griffigster Vergleich

„Die Ausgangssperre wird nur dann überhaupt in Frage kommen, wenn alle anderen Maßnahmen ergriffen worden sind“, meinte Göring-Eckardt. Erst einmal fordere sie Maßnahmen in der Arbeitswelt: Masken, Hygiene, Testpflicht der Unternehmer.

Ihr Ärger: Bisher sei es damit so, „als ob ich auf die Baustelle gehe und sage, ach, heute brauche ich keinen Helm!“

Und wieder Zoff

„Das ist weder fair noch korrekt“, verteidigte sich Altmaier. „In meinem Ministerium sind 75 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice!“

„Aber das hat damit doch nichts zu tun!“ bremste ihn die Journalistin aus.

„Das ist doch was ganz anderes!“ grollte auch die Grüne. „Sie lenken ab!“

„Völlig egal, was ich denke!“ gab die Talklmasterin zu.

Ordnungsruf des Abends

Der Mediziner hatte genug gehört. „Unsere demokratische Konstitution ist nicht mehr in der Lage, mit einer Bedrohung wie einer Pandemie so zurechtzukommen, dass die Menschen sich sicher fühlen und die Mitarbeiter im Gesundheitswesen und die Patienten sich geborgen fühlen“, stellte er enttäuscht fest.

Sein Appell: „Pandemiebekämpfung ist ein Gesamtkunstwerk. Wir müssen jetzt schnell und einheitlich agieren. Solidarität aller demokratischen Parteien! Jetzt mal kurz den Wahlkampf beiseiteschieben!“

Strengste Ermahnung

Denn, so der Professor: „Es ist wichtig, dass man wieder spürt, dass die demokratischen Parteien in dieser Krise an einem Strang ziehen und nicht gegeneinander arbeiten, weil gerade Kanzlerwahljahr ist!

Seine Warnung in Richtung Schulen: „Das Pandemiegeschehen geht jetzt noch stärker in die jüngeren Generationen. Wir haben viel jüngere Patienten als noch vor wenigen Wochen.“

Überflüssigste Beschwerde

Im Dauerfeuer seiner Kritiker richtete sich Altmaier plötzlich wütend auf: Es sein ein unfaires Spiel im Gange, und die Kritiker würden einander ständig widersprechen: „So geht es nicht!“

Das aber provozierte Lebhafter Widerspruch von allen Seiten. Dem Minister passt das erst recht nicht: „Ich habe alle ausreden lassen!“ wehrte er sich. Darauf spöttisches Gelächter der beiden Damen. Uff! Der Mann hat‘s echt nicht leicht!

Härteste Abrechnung

Dann war der Bock fett: „Sie sind ein Mitglied dieser Bundesregierung, die seit 13 Monaten dafür verantwortlich ist, diese Pandemie zu managen!“ wetterte die Journalistin. „Und jetzt sitzen Sie hier und sagen: Ja, wir tun unser Bestes…“

„Aber Frau Amann!“ murrte der Minister. „Was Sie sagen…“

„Nein! Jetzt rede ich mal aus!“ stoppte ihn die „Spiegel“-Frau, muss allerdings im gleichen Satz zugeben: „Jetzt habe ich leider den Faden verloren.“ Aber: „Das heißt nicht, das ich jetzt nicht noch weiterreden möchte.“ Heidewitzka, Frau Kapitän!

Ungeschicktester Einwurf

Lindner machte noch einen Punkt: Er fürchte „über Wochen eine Ausgangssperre, wo nach den jetzigen Regelungen, die Sie vorgeschlagen haben, Herr Altmaier, selbst ein geimpftes älteres Ehepaar nicht vor die Tür treten darf zum Abendspaziergang. Und das ist unverhältnismäßig!“

Und was sagte der Minister dazu: „Nach 21 Uhr“, lautet sein Einwand. Hm…

Lindners Konter: „Sowas führt dazu, dass die Leute sagen: Ich halte mich nicht mehr daran, die haben jetzt Maß und Mitte verloren!“

Kürzestes Finale

Will zeigte, dass sie auch dann nicht vor dem Gendern zurückschreckt, wenn es eine eher negativ besetzte Bezeichnung betrifft: „Um es jetzt mal ganz spießig und oberlehrerinnenhaft zu machen…“

Die ausufernde Debatte dämmte die Talkmasterin damit aber auch nicht mehr ein: „Jetzt muss ich … Entschuldigung, wir sind schon weit über die Sendezeit hinaus“, sagte sie und brach in der Aufregung zwei Minuten zu früh ab. „Wir machen weiter mit den Tagesthemen.“ Dann, Brüder, eine gute Nacht…

Fazit: Unbewiesene Behauptungen, unbeachtete Widerlegungen, unangebrachte Vorwürfe, unangemessene Kritk, unwillkommene Wahrheiten – das war ein Un-Talk der Kategorie „unbefriedigend“.

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