Teletäglich

Lockdown-Talk bei „Hart aber Fair“: Plasberg verspottet Corona-Opfer

„Hart aber Fair: Lockdown und kein Ende: Wie geht es Ihnen in der Krise?“ ARD, Montag, 25.Januar 2021, 22.15 Uhr.

Der ARD-Talkmaster Frank Plasberg hat in seiner Sendung am Montag den Schriftsteller Jan Weiler als Corona-Opfer verhöhnt.

Wörtlich sagte Plasberg nach einer Klage Weilers, ihm sei wegen des Virus eine Lesereise durch 60 Städte geplatzt, mit ironischem Bedauern: „Oh! Der arme Schriftsteller! Müssen wir sammeln?“

Deutschland im Corona-Crash: Homeoffice und die Bude voller Kinder! Eigener Laden vor der Pleite! Krankenhäuser voller Sterbender! Plasbergs Gäste:

Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) will das Homeoffice durchpauken.

Die Gesundheitspsychologin Prof. Monika Sieverding erforscht das Impfverhalten der Deutschen.

Die Notfallärztin Carola Holzner schreibt das Blog „Doc Caro – Medizin für Alle“.

Die Friseurin Kirstin Vietze führt ihren Salon in vierter Generation und ist Vizeweltmeisterin.

Der Schriftsteller Jan Weiler („Maria, ihm schmeckt’s nicht!“) verlor nach einer Corona-Infektion den Geruchsinn.

Plasberg wieder mit starker Frauenquote! Zum Start gab’s eine Psychoanalyse. Denn die Professorin weiß, warum es jetzt so viel Frust gibt: „Weil die Hoffnung enttäuscht worden ist, dass es Ende des Jahres vorbei sein könnte mit diesem Lockdown.“

Ihre Erklärung: „Man weiß nicht, wie es weitergeht. Das kann dann zu so einem Gefühl von Hilflosigkeit führen, das dann in Wut, Frust, Enttäuschung oder Ärger umschlägt.“

Bedenklichste Diagnose

„Wenn man immer hadert, ist das sicher nicht gut für die Psyche“, erklärte Prof. Sieverding weiter. „Man konzentriert sich auch in den Medien leider zu stark auf die negativen Meldungen!

Ihre Sorge: „Wir könnten wir uns jeden Tag freuen, dass es zwei Firmen geschafft haben, einen wirksamen Impfstoff herzustellen. Stattdessen zermartern wir uns gegenseitig mit Vorwürfen, dass es nicht ganz so schnell losgeht, wie es eigentlich geplant war. Das tut uns allen, auch als Gesellschaft, nicht gut!“

Berechtigtste Klage

Wenn man mit drei Kindern Homeschooling macht, kommt man selber zu nichts“, weiß die Friseurmeisterin. Und dazu die Sorgen: Seit vier Monaten geschlossen, ein Schuldenberg am Wachsen, sie schlafe immer schlechter.

Das Schlimmste: „Man sieht kein Licht mehr am Ende des Tunnels. Ich habe Kredite aufgenommen. Wie soll ich das bewältigen?“ Ihr Salon ist 108 Jahre alt. Sie selbst steht seit 30 Jahren an der Schere.

Irrste Info

Schriftsteller Weiler hat Corona bereits hinter sich. Das Tropeninstitut München nehme ihm regelmäßig Blut ab, um zu sehen, ob er noch Antikörper habe, erzählte er.

Für den Fall, dass ich keine mehr habe, bin ich auf Wartelistenplatz 39.705.506“, schwadronierte er. „Angeblich erfolgt meine erste Impfung am 8.August.“ Heiterkeit in der Runde!

Unpassendster Zwischenruf

So ganz ohne sei es aber auch für ihn nicht, klagte Weiler dann: Geplante Lesereise durch 60 Städte, aber nur zwei hätten stattgefunden…

„Oh! Der arme Schriftsteller! Müssen wir sammeln?“ blödelte Plasberg, schobt dann aber salvierend hinterher: „Das höre ich jetzt viele Zuschauer sagen…“

Peinlichster Moment

Beim Öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann man sich über solche Sorgen leicht lustig machen, denn dort sind die fetten Bezüge ungefährdet. Wie sagt das Sprichwort so schön: Auf einem fremdem Ursch ist gut durch Feuer reiten!

Sammeln muss man nicht, aber gut die Hälfte meines Einkommens ist weg“, klärte Weiler den Talkmaster auf, und das Feixen verschwand.

Und Weiler setzte noch einen drauf: „Diese komische Diskussion über Privilegien finde ich gegenüber den Künstlern und den Kulturschaffenden absolut zynisch!“

Entbehrlichster Mutmacher

„Für die Frage, wie kommen wir jetzt aus dieser Krise, sind drei i’s wichtig“, dozierte Heil. „Das eine ist die internationale Situation. Da gibt’s übrigens auch Hoffnung. Ich weiß nicht, ob das hier irgendjemanden noch interessiert, aber ich mich freut‘s, dass es einen neuen amerikanischen Präsidenten gibt.“

Punkt gemacht! Die Zustimmung blieb allerdings lau. „Das zweite i sind die aktuellen Infektionen“, lehrte der Minister weiter. „Und das dritte i ist das Impfen. Das ist unsere einzige Chance, da richtig rauszukommen.“

Heils Credo: „Es ist auch Teil der Erklärung, dass wir es immer wieder erklären!“

Interessantestes Phänomen

Über die Corona-Leugner sagte die Psychologin: „Das ist eine ganz, ganz kleine Minderheit, die jetzt in den Medien hochgepusht wird. In Deutschland sind das unter einem Prozent. Und die sind entweder naiv oder egoistisch oder unwissend oder reaktant…“

Plasberg stellte die Ohren auf: „Was sind die?“

„Reaktant“, erläuterte die Professorin. „Reaktanz ist ein psychologischer Zustand, wenn ich den Eindruck habe, dass meine Handlungs- und Entscheidungsfreiheit eingeschränkt ist und ich das absolut nicht nachvollziehen kann“ Heiliges Ofenrohr! Wieder was dazugelernt!

Ungewöhnlichste Erkenntnis

Dieses Virus ist total ungerecht, weil es jeden treffen kann in dieser Gesellschaft“, rief Heil mit Emphase. Hm – aber ist das nicht im Gegenteil sogar besonders gerecht? Auch Justitia ist blind!

„Es gibt ein Kommunikationsproblem“, stellte Ärztin Holzner fest. „Die Leute sind nicht informiert. Keiner weiß mehr, wie viele Leute dürfen sich wann mit wem treffen? Mir fehlt in dem ganzen Management die Transparenz!“

Treffsicherster Seitenhieb

„Ich könnte auch wieder ein bisschen mehr Schlaf hin und wieder gebrauchen“, seufzte der Minister, „aber ich will jetzt nicht jammern auf hohem Niveau. Ich habe ja auch eine Amtsverantwortung!“

Dann kritisierte Heil die Ministerpräsidentenkonferenz bei der Kanzlerin: „Wir hatten eine Situation im Oktober und dann im November, dass viele gesagt haben: Mensch, hätten die mal schneller entschieden!“

Wir wollen uns auch keine Ministerpräsidenten vorstellen, die Computerspiele machen während der entscheidenden Konferenz“, höhnte Plasberg.

Doch Heil mochte auf den Vorwurf gegen Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow nicht einsteigen: „Ich breche jetzt erst mal keinen Stab, über niemanden.“ Und die Linke wird ja vielleicht noch gebraucht, etwa wenn Olaf Scholz im Herbst Kanzler werden will.

Extremste Position

Ein ARD-Einspieler zeigte den radikalen Vorschlag des Kölner Gastwirts Daniel Rabe: „Die Kindergärten müssen geschlossen werden! Die Busse müssen leergemacht werden! Wir brauchen Ausgangsbeschränkungen! Es darf keine Bundesliga mehr stattfinden! Es kann nicht sein, dass viele Büros immer noch voll sind!“

Doch Heil lässt dem Versuchsballon schnell die Luft aus: Geschlossene Kitas würden ja bedeuten, dass viele Krankenschwestern oder Kassiererinnen nicht mehr zur Arbeit kommen könnten.

Schlimmster Shitstorm

Die Ärztin hat auf ihrem Blog gepostet: „Ich bin sauer. 24 Stunden Notaufnahme, kein Schlaf, fast stündlich Covid-Patienten.“

Prompte Reaktionen auf Facebook: „Schämen Sie sich nicht, für den Dreck, den Sie hier verbreiten?“ – „Du bist so ein verlogenes Stück Sch…!“ – „Wie armselig, so eine Angst zu verbreiten, aber bestimmt wurde Ihre Meinung gekauft!

Zwiespältigste Medienschelte

„Wir nehmen zu viel Rücksicht auf die“, schimpfte Autor Weiler. „Ich finde, dass man solche Leute auch in solchen Sendungen wie hier nicht zitieren sollte!“

„Dann bildet sich eine Blase, die sagt: Zensur!“ verteidigte sich Plasberg. „Ist das der richtige Weg, zu sagen: Gibt’s nicht, findet nicht statt?“

Klarste Kante

„Es gibt Leute, die haben Zweifel“, urteilte Heil. „Und es gibt harte Leugner von Realitäten.“ Er selbst diskutiere etwa auch mit AfD-Wählern, aber: „Was ich nicht mache, ist, eingefleischte Neonazis zu überzeugen. Da ist es sinnvoller, eine Parkuhr vollzuquatschen!“

Wir wissen doch alle: Wir kriegen nach dieser Sendung, Herr Plasberg inbegriffen, alle auch wieder irgendwelche irren Mails oder Briefe von solchen Leuten“, fügte Heil hinzu. „Das darf man sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen, weil die Mehrheit in diesem Lande anständig und vernünftig ist.“

Ärgerlichster Kritikpunkt

Der letzte Einspieler zeigte prominente Haarschnitte aus der Fußball-Bundesliga. „Der Druck, den wir haben, ist, dass sie damit zur Schwarzarbeit einladen“, schimpft Harald Esser vom Zentralverband der Friseure.

„Das ist so eine Art Überlebensreflex“, erklärte Vietze die Sünden der Kollegen. „Bei 60 Prozent Kurzarbeitergeld kann ich das zwar nachvollziehen, aber es ist eine Katastrophe!“

Fairste Grätsche

„Die Spielergewerkschaft widerspricht“, meldet Plasberg, „und sagt, Schwarzarbeit, das stimmt nicht, da gibt’s Familien und Freunde der Fußballer, die können sowas wunderbar selbst machen.“

„Die können auch Brüder und Schwestern haben, die Friseure sind“, konterte Vietze, „aber selbst das darf ja zurzeit nicht gemacht werden!“

Hier ging es weniger um Styling als vielmehr um Stil: „Ich glaube, die hätten jetzt auch mal mit langen Haaren Fußball spielen können“, sagte die Friseurin, „um sich ein bisschen solidarisch zu zeigen!“

Interessanteste Schlussworte

„Ich wünsche mir eine Generalamnestie für Schüler“, sagt Autor Weiler zum Finale. „Alle Abiturienten kriegen pauschal eine 2,8 und müssen nicht zur Prüfung!“

Der Talkmaster wollte von seinen Gästen auch noch was Persönliches erfahren. Der Minister hat sich „vorgenommen, mich stärker zurückzunehmen, über die Entscheidungen von anderen zu urteilen. Ich denke immer noch ein bisschen nach.“

Und, so Heil: „Das zweite ist, sich nicht von jeder noch so dringenden Nachricht bei Twitter irgendwie beeinflussen zu lassen. Das habe ich vorher auch nicht, aber jetzt noch weniger.“ Amen!

Fazit: Herzhafte Statements aus Expertenmund ohne die so häufig störenden dauerbenebelten Leichtbegabten. Der Talkmaster verzichtete fast komplett auf seinen schulmeisterlichen Pickelhaubenstil, doch inhaltlich ging es trotzdem voll zur Sache. Das war eine Show der Kategorie „Friendly Fire“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert