„maischberger.die woche“. ARD, Mittwoch, 10.März 2021, 22.50 Uhr.
In der ARD-Talkshow „maischberger. die woche“ haben Experten aus dem Impf- und Klinikdienst eindringlich vor einer dritten Corona-Welle im April gewarnt.
Erschreckendste Vorhersage: „Wenn wir so weitermachen, würden die Infektiösität und schon allein dadurch die Fallzahlen steigen“, fürchtete etwa der Professor für Klinische Pharmazie Thorsten Lehr. „Für die kommende dritte Welle wird die Impfung überhaupt nicht ausreichen!“
Und, noch gefährlicher: Bei den hohen Zahlen, so LÖehr, „haben wir auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass wieder Mutanten auftreten, die dann vielleicht gegen die Impfung resistent sind!“
Die Infektionszahlen steigen langsam, die Geduld schwindet schnell. „maischberger. die woche“ suchte Erklärungen. Außerdem im Programm: Das Buckingham-Beben, das Gender-Gefecht, das Löw-Lebewohl. Viel Holz fürs Spättalk-Lagerfeuer! Die Gäste:
Lehr forscht an der Universität des Saarlandes über „Individualisierung der Arzneimitteltherapie durch pharmakometrische und pharmakogenetische Ansätze“.
Jürgen Zastrow, Chef der Kölner Kassenärzte, sorgt sich um die Impfbereitschaft im Volk.
Die ZDF-Lady Petra Gerster („heute“) erntet viel Lob, aber auch harte Kritik für ihr konsequentes Gendern.
Die Schriftstellerin Nele Pollatschek (33). mosert: „Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer!“
Katharina Hamberger. Die Journalistin arbeitet im Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks.
Ansgar Graw (59). Der Kolumnist gibt das Debattenmagazin „The European“ heraus.
Walter Sittler (68). Der Schauspieler klagt: „Corona ist für die gesamte Filmbranche ein Desaster!“
Medizin und Medien: Wer heilt, wer infiziert, wer amputiert? Zum Aufgalopp ein Mausgalopp:
Journalistin Hamberger macht eine Liebe aus Kindertagen zum Gewinner der Woche: „Für mich ist das Maus“, rühmt sie die ARD-Zeichentrickfigur. „Die ist 50 geworden! Als sie 25 wurde, gab‘s Sticker, die hat mein Vater stapelweise gekauft!“
Die Talkmasterin kommt gleich zur Sache: „Ist die eigentlich männlich oder weiblich?“ will sie wissen.
Hambergers gendergerechte Antwort: „Geschlechtsneutral! Das hat sie selbst letztens bei Twitter gesagt.“
Schwungvollste Abrechnung
Verlierer der Woche sind für Sittler die demaskierten Masken-Raffkes aus der Union: „Denen ist gar nicht klar, dass sie was Falsches tun“, vermutet der Schauspieler. „Das ist das Erschreckende dabei!“
„Jetzt wird man erst mal gucken müssen, ob die Staatsanwaltschaft gegen beide noch ermittelt“, meint Kolumnist Graw. „Aber wenn wir jetzt überhaupt keine Partei mehr haben, die in irgendeiner Form an der deutschen Wirtschaft, am deutschen Mittelstand ist – das ist ja nicht die Cosa Nostra!“
Verständnisvollster Vergleich
Über das Leipziger Fundraising-Diner des Bundesgesundheitsministers mit mangelhafter Corona-Sensibilität sagt Sittler unverblümt: „Es war eine selten dämliche Aktion!“
„Von der Optik her miserabel“, urteilt auch Graw. Die krummen Spendensummen von jeweils 9999 Euro, weil Zuwendungen ab 10.000 Euro meldepflichtig sind, vergleicht der Kolumnist mit einem Tempo-30-Schild: „Da fahren Sie ja auch mit 29 vorbei, und nicht mit 25!“
Dann wieder Sittler: „Politiker müssen nicht alles wissen, aber sie müssen die richtigen Berater haben!“ Eindrucksvollstes Beispiel
Ein ARD-Einspieler zeigt Amerikaner, die sich die Impfung im Drive-in holen wie Hamburger am Autoschalter von McDonalds.
Der Chef des Impfzentrums Köln ist mit einer Fliege, erschienen, wie sie einst der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zelebrierte. „Für mich ist das ein Traum!“, sagt er zu den Bildern aus den USA.
Denn, so der Impfarzt: „Entscheidend ist: möglichst schnell möglichst viele Menschen!“
„Absolut!“ stimmt der Pharmazie-Professor zu. „Ich würde mich sofort anstellen!“
Skurrilstes Beispiel
Über die Lage in der Bundesrepublik spottet Zastrow: „Das Problem ist, dass versucht wird, das, was an Impfstoff fehlt, durch politischen Aktivismus auszugleichen!“
Sein bestes Beispiel ist, „dass Köln am 14. Dezember innerhalb von zwei Wochen ein Impfzentrum aufmachen musste, das am 8.Februar, sieben Wochen später, in Betrieb gegangen ist. Wir mussten da erst mal Staub wischen!“
Ehrlichste Auskunft
„Was haben Sie denn gemacht, wenn Sie am Abend Impfstoff übrig hatten?“ erkundigt sich die Talkmasterin.
„Überstunden!“ antwortet Zastrow. „Wir sind ziemlich resistent gegen Impfdrängler, aber irgendwann ist es dann 22 Uhr, und dann haben Sie im Altenheim noch drei Dosen liegen. Da fragt man dann irgendwann: Ist der Hausmeister schon geimpft?“
Sein Credo: „Entscheidend ist doch nur, dass der Impfstoff in die Arme kommt! Was aber nicht geht, ist, dass einer sagt: Weil ich Verwaltungsdirektor bin, bin ich als erster dran.“
Schärfste Kritik
Der nächste Einspieler zeigt den Bundesfinanzminister mit dem vollmundigen Versprechen: „Es wird bis zu zehn Millionen Impfungen pro Woche geben. Dass das jetzt gut vorbereitet wird, dafür habe ich gesorgt!“
Bei den Praktikern kommen die markigen Worte gar nicht gut an. „Das muss Herr Scholz verantworten, was er da erzählt!“ murrt der Impfarzt.
Interessanteste Darstellung
Prof. Lehr hat eine Grafik mitgebracht. Die Kurven zeigen die Impfgeschwindigkeit bei wöchentlich ein, zwei oder drei Millionen.
„Bei einer Millon haben wir im Juli etwa 25 Prozent geimpft“, erklärt der Experte. „Bei drei Millionen Impfungen pro Woche wären wir im Juli bei 80 Prozent.“
Nüchternste Einschätzung
„Und wo wäre die Scholz-Kurve hier?“ fragt Maischberger.
„Die würde raketenartig durch die Decke gehen“, antwortet Lehr, „aber die haben wir nicht eingezeichnet, weil sie in unseren Augen recht unrealistisch ist.“
„Wieso macht ein Politiker in einer so verantwortlichen Stellung so etwas?“ wundert sich die Talkmasterin.
„Das ist natürlich die Hoffnung“, antwortet der Professor diplomatisch. „Ich gehe davon aus, dass jeder Politiker gerne möchte, dass wir solche Impfquoten erreichen. Aber ich sehe da noch gewissen Schwierigkeiten in der Umsetzung…“
Eindringlichste Warnung
„Wir sind momentan an einem wirklichen Wendepunkt“, berichtet Lehr weiter. „Die zweite Welle ist quasi fertig. Wir werden sie nicht weiter senken können“ – wegen des steigenden Anteils der britischen Mutante.
„Bis April werden 90 Prozent der Infektionen durch diese Mutanten verursacht sein“, sagt Lehr voraus. Außerdem gebe es jetzt wieder mehr Mobilität und auch eine gewisse Pandemiemüdigkeit. Trotzdem sei jetzt für Lockerungen „der absolut falsche Zeitpunkt“!
Stärkster Tobak
Zu den sensationellen Vorwürfen gegen die britische Königsfamilie sagt Sittler: „Der Rassismus ist in England genauso vorhanden wie bei uns und in den USA. Ich glaube, dass das in der Form stattgefunden hat, wahrscheinlich beim Weintrinken oder so.“
„Es ist die schwerste Belastungsprobe, seit Lady Di ihre Situation in einem Interview dargestellt hat“, urteilt Graw. Aber, so der Kolumnist über Herzogin Meghan: „Sie ist ja kein kleines Mädchen, das sich in den Buckingham-Palast verirrt hat!“
Sportlichste Kommentare
Über den Abschied des Bundestrainers sagt Graw: „Ich glaube, es war richtig, dass er geht, er hätte es nur früher machen sollen.“
„Fußball ist ein sehr theatralischer Vorgang“, erklärt der Schauspieler. „Aber es gibt Zeiten, da ist das Spektakel vorüber, und da muss man wissen, wann man gehen muss.“
Gendergerechteste Schlussrunde
Zum Finale nimmt sich die Talkmasterin den „total emotionalen Streit“ um das Gendern vor. Die ZDF-Moderatorin lobt ihren Kollegen Claus Kleber, der damit als erster angefangen habe: „Das hat ich sehr verblüfft, aber auch gefreut!“
Denn, so Gerster: „Vor allem hat er mit jeden Zweifel daran genommen, dass man das Gendersternchen tatsächlich sprechen kann.“
Heftigste Konsequenzen
Allerdings: „Die große Mehrheit der Zuschaurinnen lehnt das ab“, gibt Gerster zu. „Ich bekomme viel wütende Zuschauerpost und muss jede Woche sehr viele Briefe beantworten.“
Beispiel: „Ein Zuschauer hat mir ganz erbost meine Bücher zurückgeschickt: Jemand, der gendert, von dem möchte er keine Bücher im Regal haben.“
Ein anderer hat geschrieben, er hätte mir immer vertraut, aber jetzt spräche ich plötzlich eine andere Sprache, nicht mehr seine Sprache, und jetzt hätte ich ihm mich selbst weggenommen.“ Ui!
Interessantestes Statement
Danach kündigt die Talkmasterin einen ungewöhnlichen Beitrag an: „Heinrich Horwitz, Schauspieler, bat darum, nicht in die Kategorien Mann und Frau einsortiert zu werden!“
Horwitz dann selbst im letzten Einspieler des Abends: „Ich bin jetzt dreimal gemissgendert worden! Ich bin kein ‚Herr‘, und ich bin auch nicht Schauspieler oder Regisseur. Ich bin Schauspieler*in und Regisseur*in. Ich bin eine geoutete lesbische nichtbinäre Person!“
Letztes Gefecht
Die SPD-Politikerin Gesine Schwan hat dafür einen Shitstorm kassiert. Dass sie Horwitz nicht korrekt als Schauspielperson gegendert habe, findet sie allerdings trotzdem „nicht schlimm.“
Gerster nimmt die Politikerin in Schutz: „Den Shitstorm fand ich ungerecht“, erklärt die Moderatorin, „denn sie kannte ja den Heinrich Horwitz nicht.“
„Das war jetzt gerade nicht korrekt, gendersprachlich!“ mahnt Schriftstellerin Pollatschek. Ihre ernüchternde Erkenntnis: „Jedes Mal, wenn ich ein Geschlecht anzeige, laufe ich Gefahr, es falsch zu machen.“ Uff!
Fazit: Zivilisierte Debatte, aber lange Strecken im Referat-Stil und auch einige lästige Schlaumeiereien
Zur Geisterstunde. Das war eine Talkshow der Kategorie „Spätfolge“.