„maischberger. die woche“. ARD, Mittwoch, 2.Juni 2021, 22.50 Uhr.
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat in der ARD-Talkshow „maischberger. die woche“ die bisher klarste Trennungslinie der deutschen Konservativen zur Rechten gezogen.
Wörtlich sagte der CDU-Chef: „Rechts heißt alles, was ein Gedankengut hat, das mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar ist. Das war schon seit Konrad Adenauer so, dass wir da eine klare Abgrenzung hatten.“
Laschet muss in Sachsen-Anhalt zeigen, dass er Wählerstimmen ziehen kann. Eltern grübeln über die Frage, ob sie ihre Kinder impfen lassen sollen. Viel Betrieb an Sandra Maischbergers Nachtschalter! Die Gäste:
Laschet soll für die Union das Kanzleramt verteidigen. Ein Selbstgänger wird das nicht!
Prof. Alena Buyx, Chefin des Deutschen Ethikrats, sagt klipp und klar: „Ich würde meine Kinder sofort impfen lassen!“ Die seien allerdings noch im Grundschulalter.
Stefan Aust, der alte Weise des deutschen Journalismus („Spiegel“, WELT), wirbt für seine Autobiographie.
Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt talkt für den NDR.
Die Journalistin Ulrike Herrmann schreibt für die „taz“.
Der Kolumnist Jan Fleischhauer kommentiert für „Focus“.
Echt spannende Besetzung! Die erste Etappe führte über den Boulevard
Meyer-Burckhart setzte aufs bunte Leben: Seine Gewinner der Woche waren Karl-Heinz Rummenigge (vorgezogener Rücktritt) und „Rolling Stones“-Drummer Charlie Watts (80.Geburtstag).
Maischberger passte das nicht: „Wir sind ja meistens eine politische Sendung“, mäkelte die Talkmasterin. Ob es denn wenigstens etwas gebe, was Politiker daraus lernen könnten? Hätte Laschet zurücktreten und Söder den Vortritt lassen sollen?
„Armin Laschet ist im Grunde der Charlie Watts der CDU“, blödelte der NDR-Moderator beherzt weiter. „Der Backbone im Hintergrund. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass er ein erfolgreicher Kandidat und Kanzler werden würde, könnte – wenn er denn wollte.“
Häh? Was gab es denn vor der Sendung zu trinken?
Ungewöhnlichste Statements
„taz“-Herrmann machte im gleichen Stil weiter. Ob Laschet denn den Härtetest in Sachsen-Anhalt gewinnen werde? wollte Maischberger von ihr wissen. Orakel-Spruch der Journalistin: „Ja, er wird ihn gewinnen, aber es wird kein Gewinn sein.“ Ui!
„Focus“-Fleischhauer zog sich mit einer Binse aus dem Minenfeld der riskanten Vorhersagen: „Die gute Nachricht für die CDU ist: Wahlen werden immer noch im Westen gewonnen!“
Über die Streitigkeiten in der Union sagte der Publizist: „„Das Haus des Herrn hat viele Zimmer!“ Neckischste Fragen
Beim Hauptinterview kam die Talkmasterin dem Kanzlerkandidaten erst mal mit dem „Stimmt – Stimmt nicht“-Spiel. Ob er das Panzerglas der deutschen Politik sei, nahezu unkaputtbar? „Pffft!“ machte Laschet. „Ich hoffe mal, dass ich unkaputtbar bin.“ Zu weich, zu liberal, zu rheinisch? Laschet lächelnd: „Drei gute Qualitäten!“
Was denn, auch „weich“? stutzte Maischberger. „Weich ist nicht gut“, verbesserte sich Laschet eilig. „Dieses Klischee haben, glaube ich, einige in den letzten Wochen gelernt, dass es falsch ist.“
Lange verspottet, oft unterschätzt? Auch damit ließ sich der Routinier nicht aus der Reserve locken: „Unterschätzt? Kann man gut mit leben. Und es gehört scheinbar mit zur Politik, dass manche Freude auch am Spott haben.“
Elegantester Seitenhieb
„Laschet hat nicht nur Durchhaltevermögen, sondern er verfügt über die Gabe, im entscheidenden Moment zum großen Punch auszuholen“, las Maischberger als nächstes vor.
„Ein paar Beispiele dafür gibt es“, stimmte der Kanzlerkandidat zu.
„Herr Söder weiß es“, assistierte die Talkmasterin.
Und Laschet? Er griente und nickte. Die Journalistenrunde grinste: Gegen Söder macht es immer Spaß.
Entschlossenste Antwort
„Herr Laschet ist zu schwach, die Rechtsverschiebung in der CDU aufzuhalten“, zitierte Maischberger dann aus ihrem Fragenkatalog.
„Das glaube ich nicht!“ widersprach der Kandidat energisch. „Die wird aufgehalten! Die wird’s nicht geben!“
Denn, so Laschet: „Ich glaube, dass die CDU immer stark war, wenn sie wirklich alle Strömungen hatte: christlich-soziale, konservative und liberale.“ An seiner Wahl auf dem Bundesparteitag lasse sich erkennen: „In der Achse wird nichts verschoben!“
Klarste Ansage
Über die Kritik an der CDU-nahen Werte-Union und ihrem neuen Vorsitzenden sagte der Kanzlerkandidat klipp und klar: „Das ist eine Vereinigung, die sich gründet außerhalb der CDU, institutionell und organisatorisch nicht mit der CDU verbunden.“
Sein strikte Warnung: „Wenn ein CDU-Mitglied da die Hand der AfD reichen würde, wäre das ein Grund, ihn aus der CDU zu entfernen!“
Zu den Sprüchen des Werte-Union-Chefs Max Otte, er warne vor einer neuen Diktatur, sagte Laschet kurz angebunden: „Das ist Unsinn, und Unsinn ist kein Parteiausschlussgrund.“
Schwierigster Dialog
Die Talkmasterin zeigte den heftig kritisierten Tweet, den Otte nach der Ermordung des Kasseler CDU-Regierungspräsidenten Walter Lübcke ins Netz stellte. O-Ton: „Es sieht alles so aus, dass der Mörder ein minderbemittelter Einzeltäter war, aber die Medien hetzen schon jetzt gegen die ‚rechte Szene‘.“
Maischbergers fällige Frage an Laschet: „Wäre das eine rote Linie, die er nicht überschreiten darf?“
„Das hat er ja gelöscht“, beschwichtigte der CDU-Chef. „Das ist Jahre her…“
„Zwei Jahre genau“ präzisierte die Talkmasterin.
„Das ist nicht akzeptabel!“ gab Laschet sichtlich genervt zu. „Es ist ein Tweet, der zu schnell mit zu wenig Verstand geschrieben worden ist und der deshalb zu Recht gelöscht worden ist.“
Verärgertster Vorschlag
Die Talkmasterin lässt sich nicht abschütteln: „Sie sehen darin keine rechte Gesinnung, die Sie stören könnte?“ setzte sie nach.
Jetzt wurde der Stuhl heiß. „Das ist eine Dämlichkeit!“ platzte Laschet heraus.
„Es gibt auch rechte Dämlichkeiten“, hielt die Talkmasterin gegen.
Laschet wurde sauer: „Ich kenne persönlich kein einziges Mitglied der Werte-Union“, sprudelte es aus ihm heraus. „Auch die Konservativen bei uns wollen mit dieser Truppe nix zu tun haben! Insofern finde ich es überbewertet. Aber wir können gerne die Sendung über die Werteunion machen!“ Puh…
Heftigste Auseinandersetzung
2018 und 2019 hätten Friedrich Merz und Jens Spahn Grußworte an die Werte-Union gerichtet, hakte Maischberger nach.
Laschets empörter Konter: „Sie werden Jens Spahn und Friedrich Merz jetzt nicht auch noch zu Rechtsradikalen erklären! Ich bin todsicher: Heute würde kein Friedrich Merz und kein Jens Spahn ein Grußwort an diese Gruppe schicken!“
Entschiedenste Definition
Zu seinem Magdeburger Wahltweet „Der Kampf gegen Rechts gelingt nur mit klarer Kante“ sagt Laschet: „Rechts ist ein Synonym, vor dem wir im Moment stehen. Die Position ist klar: Rechts ist das, was wir im Moment als Bedrohung für das parlamentarische demokratische System insbesondere durch die AfD sehen.“
Mehr noch: „Ich glaube nicht, dass irgendeiner der echten Konservativen gesagt hat: Ich bin ein Rechter. Denn Rechts ist in Deutschland als Begriff seit der Nazizeit diskreditiert.“
Wütendste Gegenattacke
Dann fand Maischbergers Bohrer den empfindlichsten Nerv: „Wieviel Prozent darf die AfD haben, damit Sie zufrieden sind?“ fragte sie.
„Das ist nett formuliert“, kommentierte der Kandidat erst noch lächelnd, schaltet dann aber auf bitter ernst: „Als wäre die Frage, ob die AfD auf Platz 1 oder auf Platz 2 liegt, mein Problem, oder das Problem der CDU!“
Dann ging Laschet zum Angriff über: „Das ist für mich eine erschütternde Verkürzung!“ wetterte er mit erhobener Faust. „Wenn in einem deutschen Landtag die AfD auf Platz 1 liegt, ist das ein Problem für die Demokratie in Deutschland!“
Härtester Vorwurf
„Dass Sie das gar nicht als Problem betrachten!“ patzte der Kandidat dann die verdutzte Talkmasterin an. „Ich kämpfe gegen die AfD. Ich wäre erfreut, wenn auch ein paar andere, SPD, oder Grüne, sagen: Wir müssen alles tun, damit dieses nicht passiert!“
„Das tun sie doch“, wagt Maischberger einzuwerfen, doch der CDU-Chef wollte jetzt unbedingt aus Kritikern Unterstützer machen: „Das ist inzwischen Allgemeingut, man sagt das so und macht es zum Problem für die CDU!“ schimpfte er, dabei sei die AfD doch für alle Demokraten eine Gefahr.
Zornigste Geste
„Ich bin zufrieden, wenn Reiner Haseloff Ministerpräsident und die CDU stärkste Fraktion bleiben“, fügte Laschet hinzu und stieß den Zeigefinger anklagend in Richtung der Talkmasterin vor: „Ich wäre im Interesse der Demokratie froh, wenn auch Sie zufrieden wären, wenn die AfD nicht auf Platz 1 1iegt!“ Rumms!
„Ich habe das überhaupt nicht zu beurteilen“, wehrt sich Maischberger, „weil, ich bin kein kämpfender Wahlkämpfer…“
„Doch!“ blaffte Laschet sie zornig an. „Das ist für die Zivilgesellschaft, auch für Journalismus, eine Kernfrage, ob die AfD auf Platz 1 liegt! Und das zu banalisieren und zum Problem für die CDU zu machen, verkennt die Gefahr, die hinter dieser Truppe steckt!“ Uff – das war deutlich!
Informativste Zweitthemen
Aus Berlin wurde Ethik-Professorin Buyx zugeschaltet: „Das muss man ganz individuell entscheiden“, erklärte sie zur Frage der Kinderimpfung. „Deswegen bin ich ein großer Verfechter davon, das zu einem freiwilligen Angebot zu machen.“
Publizist Aust nannte zum guten Schluss als größte Leistung eines Bundeskanzlers, „wie Helmut Kohl die Wiedervereinigung gemanagt hat“. Denn: „Er hat diese historische Chance unglaublich gut und unglaublich schnell und sehr pragmatisch gelöst.“
Als größte Fehlleistung bezeichnete es der WELT-Mann, „dass Frau Merkel mit der Flüchtlingskrise sehr unbeholfen und nicht sehr klug umgegangen ist.“ Aua!
Fazit: Ein CDU-Politiker im Fegefeuer, die Talkmasterin mit glühenden Zangen, die ARD-Inquisition im Vollbildmodus und die anderen Gäste nur unter ferner liefen: Das war eine Talkshow der Kategorie „Haut den Lukas“.