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Laschet bei Anne Will: „Man kann auch mit einem Kurs der Mitte solche Wahlen gewinnen!“

„Anne Will: Machtwechsel im Weißen Haus – können Biden und Harris die USA wieder vereinigen?“ ARD, Sonntag, 8.November 2020, 21.45 Uhr.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, Kandidat für den CDU-Vorsitz und damit für die nächste Kanzlerschaft, hat die Wahlentscheidung für den Demokraten Joe Biden auch aus einer ganz persönlichen Perspektive gefeiert.

Wörtlich sagte der Politiker, der sich als Mann der Mitte positioniert: „Biden hat bewiesen, dass die These falsch ist, überall in der Welt werden sich in Zukunft Menschen wie Trump durchsetzen.“

Laschets Argument: „Bolsonaro in Brasilien, Johnson in England? Nein: Man kann auch mit einem Kurs der Mitte solche Wahlen gewinnen.“

Amerika eiert, Deutschland feiert, Trump klagt und Anne Will fragte kundige Gäste:

  • Außenminister Heiko Maas (SPD) ist genau so vorsichtig, wie es die einschlägigen Erfahrungen mit US-Gerichten geraten sein lassen. Er wurde aus dem Home Office in Potsdam zugeschaltet.
  • Laschet ist als Außenpolitiker eigentlich zweite Wahl hinter seinem Konkurrenten Norbert Röttgen, doch der hatte seinen Auftritt schon letzte Woche bei „Hart aber Fair“.
  • Der Bürgerrechtler und Pastor Al Sharpton hielt die Trauerrede für George Floyd, dessen Tod die „Black Lives Matter“-Bewegung lostrat. Der Geistliche kam in einer Aufzeichnung aus Washington auf den Monitor.

– Die Politologin Prof. Lora Anne Viola lehrt am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der FU Berlin.

– Die Historikerin Prof. Hedwig Richter lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München.

– Peter Rough, US-Politologe mit österreichischen Wurzeln, ist Mitglied der Republikanischen Partei und wurde aus Washington zugeschaltet.

– Klaus Brinkbäumer, Ex-Chef des „Spiegel“, war mal US-Korrespondent.

Drei Politiker, drei Professoren, ein Journalist: Gibt’s heute Friedenskerzenlicht oder immer noch Kloppe? Das Zoff-o-Meter ist gerüstet!

Optimistischste Vorhersagen

Laschet verbreitete gleich mal Zuversicht: Er könne sich nicht vorstellen, dass Trump das Ergebnis in Frage stellen werde, meinte der Ministerpräsident. Denn: „Ich habe großes Zutrauen in die amerikanischen Institutionen!

Maas wollte Ähnliches übermitteln, hatte aber Pech mit der Technik, und sein Statement kam erst mal nur wie aus dem Häcksler an.

„Das kennt im Moment jeder aus dem Homeoffice“, tröstete ihn die Talkmasterin. „Können Sie irgendwie an Ihrem Rechner was schieben? Zur nächsten Milchkanne laufen?“

Der Außenminister ruckelte sich aber auch ohne Positionswechsel zurecht. „Das, was jetzt noch kommt, ist ein unangenehmes Nachspiel“, sagte er über Trumps juristische Aktionen, „aber es wird an dem Wahlergebnis nichts mehr ändern!“

Verwirrendste Erklärung

„Gibt es einen Weg, wie er sich im Amt halten könnte?“ wollte die Talkmasterin von der US-Politologin wissen.

„Eigentlich nicht“, antwortete Prof. Viola. „Es gibt ein geregeltes Verfahren. Am 12.Dezember wird sich das Wahlkollegium treffen…“

„8. Dezember“ unterbrach Will.

„Am 12., äh, am 16. Dezember“, verbesserte sich die Professorin. „Bis zum 8.Dezember müssen die Wahlleute von den Bundesstaaten bestimmt sein, und am 14.Dezember stimmen sie ab.“ Uff!

Interessanteste Info

Jetzt gehe es vor allem darum, so die Politologin, wie lange Trump noch behaupten wolle, dass er die Wahl gewonnen habe. „Das ist wichtig für seine Anhänger“, erklärte sie. „Wird er eingestehen, dass er verloren hat, und wird das seiner Wählerschaft helfen, die Präsidentschaft von Joe Biden als legitim zu akzeptieren?“

Exakteste Erklärung

Historikerin Prof. Richter weiß, was da noch alles passieren kann: „Im 6.Januar muss im Kongress ausgezählt werden im Kongress“, berichtete sie. „Fall das nicht funktioniert, muss das Repräsentantenhaus entscheiden.“

Aber, so die deutsche Professorin: „Es stimmt dann nicht nach Abgeordneten ab, sondern jeder Staat bildet eine Gruppe, und diese Gruppe hat nur eine Stimme.“ Uj – da geht jetzt wohl das große Rechnen los.

Kritischster Kommentar

Republikaner Rough prangerte Sünden an: Republikanische Wahlbeobachter seien aus demokratischen Hochburgen verwiesen worden, und massenweise seien Briefwahlunterlagen an Leute verschickt worden, die sie gar nicht beantragt hätten.

Aber, so seine Erwartung: „Am 20.Januar wird es einen friedlichen, geordneten Übergang geben.“ Na denn…

Schlimmste Bedenken

In einer Demokratie sind Verlierer systemrelevant“, stellte Maas fest. „Es muss Gewinner und Verlierer geben. Da ist vielleicht bei Herr Trump noch nicht ganz richtig angekommen.“

Seine Sorge: „Wenn das so weitergeht, wie das im Weißen Haus getan wird, muss man befürchten, dass sich in den kommenden Wochen diese Spaltung noch weiter vertiefen wird. Und das ist das letzte, was die Vereinigten Staaten im Moment brauchen.“

Illusionsloseste Prophezeiung

Über Bidens Ankündigung, er wolle das Land heilen, sagt Maas: „Das wird eine Herkulesaufgabe. Es wird davon abhängen, welche Rolle Donald Trump spielen wird.“

Begründung des Ministers: „Es gibt ja jetzt schon viele, die vermuten oder befürchten, dass er auf der politischen Bühne bleibt und seine Fans weiterhin mobilisiert und polarisiert.

Verheerendste Bilanz

Brinkbäumer rechnete knallhart ab: „Covid-19 bedroht die gesamte Nation. Das Land ist gespalten. Es gibt wirtschaftliche Not. Die Infrastruktur ist wirklich kaputt. Es gibt eine Bildungskrise.“

Mehr noch: „Die Verschuldung ist enorm gewachsen. Die soziale Gerechtigkeit ist keine mehr. Rassismus! Internationale Krisen! Man kann endlos weitermachen!“

Interessanteste Bewertung

Joe Biden hat ja nicht wirklich Wahlkampf gemacht“, urteilte Rough. „Er hat sich in wichtigen Fragen zurückziehen können. Es war keine Pro-Biden, sondern eine Anti-Trump-Wahl!“

Jetzt aber, so der Republikaner, „stellt sich die Frage, ob Biden den Weg der technokratischen Elite, die in Washington dominiert, einschlägt oder ob er versucht die Arbeiterschicht zurückzugewinnen.“

Klügste Warnung

Denn „außer Trump“, fügte Rough hinzu, hätten die Republikaner einen sehr guten Wahlabend gehabt: Mehrheit im Senat verteidigt, demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus eingedämmt, in den Landtagen eine super Performance geliefert.

Sein Urteil: „Das ist kein Wahlausgang, der Biden erlaubt, einen harten Linkskurs zu fahren. Wenn er sich als Wetterfahne von einem linken Wind nach links blasen lässt, dann wird es schwierig sein, mit den Republikanern zu koalieren!“

Verblüffendste Vorhersage

„Der Stil wird sich ändern“, sagte Rough über seine Republikaner voraus, „aber sie entwickeln sich zu einer multiethnischen Arbeiterpartei. Sie inszeniert sich als eine Art Bollwerk gegen nicht demokratisch legitimierte Machtkonzentrationen, sprich: Hollywood, Silicon Valley, die Universitäten, die großen Medienhäuser die Finanzwelt.“

Elegantester Vorwurf

„Das ist alles Institutionen, die in den vergangenen Jahren das Ethos der erwachte Linken übernommen haben und viele Amerikaner verprellten“, fügte der Republikaner hinzu. „Das kommt manchmal nicht so in Augenschein, weil auch die deutsche Berichterstattung durch das Prisma dieser Akteure gebrochen wird.“ Ujujuj!

Aufschlussreichste Beobachtung

Wenn es um Hass in den Medien geht, sieht Brinkbäumer keinen Unterschied zwischen Pro-Trump und Anti-Trump: „Sie finden bei Fox News, bei CNN, bei MSNBC und sowieso den großen Networks nachmittags eine wunderbare Nachrichtenberichterstattung“, sagte er.

Aber: „Abends, wenn die Primetime kommt, wenn das Geld verdient wird“, erklärte der Journalist weiter, „gibt es diesen Ein-Personen-Shows, wo Dinge verdreht werden, der Gegner denunziert wird, wo gehasst wird, und da sind CNN und MSBNC auf der liberalen Sete genauso scharf wie Fox News auf der konservativen Seite!“

„Ich glaube, dass die Forderung ‚Defund the Police‘ – „Entzieht der Polizei Geld‘ den Demokraten enorm geschadet hat“, fügte Brinkbäumer noch hinzu.

Fundierteste Warnung

„Die Biden-Harris-Administration wird Europa umarmen, besonders Deutschland“, prophezeite Rough, „aber da werden auch ein paar Forderungen kommen.“ Als da wären: „Ausgewogenheit in der Sicherheitspolitik, in der Handelspolitik, gemeinsame Ausrichtung gegenüber China.“

Ob Deutschland dann zu einer harten Haltung bereit sei? Auch wenn es Volkswagen einiges an Exportgeschäft koste? Roughs Prognose: „Jetzt kommen die harten Fragen auch auf Deutschland zu!

Unwillkommenste Wahrheit

„So wird es kommen“, stimmte Laschet zu. „Wir haben jetzt einen Präsidenten, der auch durch seine irischen Wurzeln die Europäische Union versteht. Aber wir werden einen größeren Teil bei der Sicherheitspolitik leisten müssen.“

Bewegendstes Statement

„Wir haben Erleichterung und Freude verspürt“, berichtete Pastor Sharpton aus Washington. „Trump hat uns die Luft genommen. Jetzt haben wir wieder ausgeatmet!“

Die im Vergleich zu 2016 deutlich höhere Zustimmung bei schwarzen Wählern habe Trump durch unternehmerische Versprechungen erreicht, meint Sharpton. Sein abschließendes Urteil: „Trump hat verloren, und die Schwarzen, die für ihn gestimmt haben, haben auch verloren.

Wichtigste Unterscheidung

„Dass man Amerikaner nach der Hautfarbe aufteilt, ist nicht wirklich ein konservatives Weltbild“, wehrte sich Rough. „Die Rechte sollten für alle Hautfarben und Konfessionen gelten!“

Entscheidender Unterschied, so der Republikaner: „Wir sind ein Schmelztiegel, aber das heißt nicht, dass wir ein multikulturelles Land sind. Wir haben eine Leitkultur!

Fazit: Schnelldrehende Realitätsoptimierung, eifriges Spätmerken und Nachtreten bis zum politischen Kreuzbandriss, aber auch Kommentare ohne Tunnelblick und glaubwürdige Gemeinsamkeiten auf der Suche nach Auswegen aus der Krise: Das war ein Talk der Kategorie „Heilsendung“.

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