„Maischberger“. ARD, Dienstag, 15.November 2022, 23 Uhr.
Die Ampel lernt soeben Demokratie: Beim Bürgergeld geht es überraschender Weise gar nicht um eine vermeintlich höhere Moral, sondern schlicht um simple parlamentarische Mehrheiten! Außerdem talkt Sandra Maischberger heute über gefährliche Klimakleber. Die Gäste:
Winfried Kretschmann (74, Grüne). Der Chef vom Ländle bringt es auf den Punkt: Die Demokratie sei „weniger ein Lieferservice als eine gemeinsame Aufgabe.“
Markus Blume (47, CSU). Bayerns Wissenschaftsminister mahnt: „Klimaschutz geht nur mit den Menschen, nicht gegen sie!“
Aimée van Baalen (22). Die Aktivistin der „Letzten Generation“ kritisiert nicht nur Klimasünden: „Die einen machen jedes Jahr drei Kreuzfahrten, die anderen können ihre Rechnungen nicht bezahlen.“
Susanne Gaschke (55). Die Journalistin (NZZ) macht klar: „Das Bürgergeld ist nicht etwas, was Hubertus Heil oder Olaf Scholz den Menschen spendieren, sondern Steuern, die auch Menschen aufbringen, die sehr wenig Geld verdienen.“
Hubertus Meyer-Burckhardt (66). Der TV-Moderator (NDR-Talkshow) findet es als früherer Werbetexter gut, dass die Ampel aus dem „stigmatisierten Hartz IV“ ein „Bürgergeld“ machte: „Das klingt nach Demokratie, nach Augenhöhe.“
Markus Feldenkirchen (47). Der Journalist („Spiegel“) wittert bei Bürgergeld-Kritikern „ein Menschenbild, das davon ausgeht, dass manche den ganzen Tag im Bett liegen und Bier trinken.“ Horrido!
Weisheit des Alters, Ungeduld der Jugend: Das Zoff-o-Meter ist gerüstet!
Drastischste Start-Statements
Journalistin Gaschke warnt vor sozialpolitischer Naivität: „Man sollte nicht so weltfremd sein, auszuschließen, dass Menschen ein solches System auch ausnutzen.“ Aber: „Es gibt auch Menschen, die wahnsinnig wenig verdienen, mit schrecklichen Arbeitszeiten, und sagen: Warum soll jetzt noch am Wochenende anderen Leuten die Fußnägel lackieren?“
Über den Gesundheitsminister schimpft sie: „Ich habe zu Hause lange Listen, wovor Herr Lauterbach schon alles gewarnt hat. Ich habe da einen Stapel. Er hat immer auf die dramatischste Variante gesetzt.“
Exemplarischste Erinnerung
Der Ministerpräsident macht erst mal klar, dass es früher im Winter ganz anders zuging: Er wuchs in der Nachkriegszeit auf. „Sie sind aus Polen geflüchtet“, merkt die Talkmasterin dazu an. „Ich weiß, dass Ihre Schwester damals gestorben ist…“
„Das Leben in meiner Kindheit war höchst bescheiden“, erzählt Kretschmann gewohnt unprätentiös. „Wenn’s kalt war, waren die schönen Eisblumen am Fenster. Ich habe noch auf Strohsäcken geschlafen, das war ganz normal.“
Dringendster Appell
Heute sei alles viel besser, denn, so der Grüne weiter: „Es ist schöner, wenn man in ein Bett gehen kann, wo man nicht schon friert wenn man nur dran denkt!“
Seine Mahnung: „Wir müssen uns das Sparen angewöhnen. Wir müssen effizient sein, denn der übernächste Winter kommt ja auch. Da muss die Sparrate erhalten bleiben, sonst bekommen wir Probleme!“
Altersmildeste Antwort
Maischberger möchte mehr Pep und spielt eine Attacke der Berliner Bürgermeisterin ein: „Es gibt Menschen, die haben schon alles auf Sparflamme“, wetterte Franziska Giffey vor vier Tagen gegen Kretschmann. „Wenn man dann Waschtipps gibt, ist das keine Hilfe, das ist Hohn, das ist zynisch!“
Starker Tobak! Doch Kretschmann zuckt nicht mit der Wimper: „Das sind so zugespitzte Äußerungen in der Politik, damit muss man umgehen können. Das lege ich jetzt nicht auf die Goldwaage.“ Uff!
Realistischste Prognose
Zum Streit um das Bürgergeld sagt Kretschmann voraus: „Jetzt kommt der Vermittlungsausschuss. Wir werden eine Lösung finden. Positiv! Deswegen habe ich mich dazu überhaupt nicht geäußert.“
Seine Taktik: „Ich wusste, die Union wird es ablehnen. Da ist es gut, wenn es auch ein paar gibt, die nicht auf die Bäume gestiegen sind. Dann müssen sie nämlich nicht mehr runter. Ich kann jetzt dafür sorgen, dass da ein ordentlicher Kompromiss rauskommt zum 1.Januar.“
Politischste Antwort
Die Talkmasterin setzt die Kneifzange an: Wo die Union einen Punkt habe? will sie wissen. „Beim Schonvermögen? Bei der Karenzzeit?“
Doch der Ministerpräsident lässt sie abblitzen: „Das sage ich jetzt natürlich nicht“, grient er. „Wenn ich vorher schon selber sage, was dabei rauskommen soll, kann ich ja nicht verhandeln.“ Heiterkeit am Medientresen!
Schwäbischste Wärmemeldung
„Das heißt, Sie haben eine Meinung, aber sie sagen es jetzt nicht“, übersetzt Maischberger. „Ja“, bestätigt Kretschmann umstandslos, und jetzt lacht auch das Publikum. Füchse muss man fangen, wenn sie jung sind!
„Wir kalt ist es bei Ihnen zu Hause, im Winter?“, erkundigt sich die Talkmasterin dann. „Wir heizen zu Hause sowieso nur ein Zimmer, das Wohnzimmer“, berichtet der Grüne. „Und in meiner Behörde sind es 19 Grad.“
Wortreichste Misserfolgsmeldung
2011 hatte Kretschmann vollmundig versprochen: „Wir wollen bei der Windkraft von ein Prozent auf zehn Prozent der Stromerzeugung kommen. Dazu müssen wir jedes Jahr hundert Windräder aufstellen.“ 2022 waren es aber nur drei.
In der Defensive lässt der sonst gern lakonische Grüne-Star plötzlich eine Wort-Kaskade rauschen: Schuld an der Luftnummer seien erstens seine Vorgänger, zweitens die Bundesregierung, drittens die topographischen Bedingungen mit wenig Wind im Mittelgebirge und viertens die EU. Puh!
Ehrlichstes Eingeständnis
Maischberger packt den Stier bei den Hörnern: „Sie regieren jetzt elf Jahre“, hält sie Kretschmann vor. „Sind Sie auch Schuld daran, dass junge Klimaschützer die Geduld verlieren?“
„Ja“, gibt der Ministerpräsident notgedrungen zu. „Da sind wir auch mit Schuld daran. Wir haben viel gemacht, aber es geht nicht schnell genug und nicht intensiv genug. Diese Anmahnung dieser jungen Leute nehmen wir ernst und wir nehmen sie auch an.“ Hosianna!
Heftigster Vorwurf
„Sie waren Maoist in Ihrer Jugend“, erinnert ihn die Talkmasterin listig. „Die Maoisten waren radikale Linke. Haben Sie Verständnis für die jungen Menschen, die sich auf die Straße kleben?“
„Verständnis habe ich natürlich schon“, erklärt Kretschmann. „Aber man muss bei den Mitteln immer darauf achten, ob sie auch zielführend sind. Wenn 85 Prozent der Bevölkerung deren Methoden ablehnen, haben sie mit Zitronen gehandelt. Dann schaden sie einem forcierten Klimaschutz, statt ihn voranzubringen.“ Rumms!
Schärfstes Urteil
Der Grüne setzt sogar noch einen drauf: „Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel“, poltert er plötzlich los. „Das ist genau die Erfahrung aus meiner linksradikalen Vergangenheit!“
Dann hebt er beschwörend die Hände: „Ziviler Ungehorsam, auf den sich die jungen Leute berufen, hat ja den Sinn, ein Appell an die Mehrheit zu sein, dass sie ihre Politik ändert“, doziert er. „Wenn ich damit aber das Gegenteil erreiche und die Bevölkerung gegen mich aufbringe, diene ich nicht dem Ziel!“
Klarste Kante
„Die Gesetze sind unsere Mutter, hat Sokrates gesagt. In einer Demokratie muss man sich an die Gesetze halten“, rüffelt der eisgraue Ministerpräsident die jugendliche Konkurrenz. „Das ist die allererste Bürgerpflicht.“ Er selbst habe nie ein Gesetz gebrochen. Einzige Ausnahme: „Ich habe einmal gekifft.“
Kretschmanns Ärger: „Wir können uns immer weiter überholen: Wer ist am radikalsten bei den Zielen? Aber Kunstwerke zu bewerfen, mit Ketchup, das ist doch in Bezug auf den Klimaschutz vollkommen sinnfrei!“
Verblüffendster Wutanfall
Und jetzt ist der Ministerpräsident doch noch auf dem Baum: „Was wir brauchen, sind die Maßnahmen, die Instrumente, dass das auch klappt!“, ruft er und fuchtelt wütend mit den Händen. „Ich habe kein Erkenntnisproblem! Wir haben ein Umsetzungsproblem!“
Dann aber rettet er sich schnell wieder in ruhigere Fahrwasser. Deutsche Panzer für die Ukraine? „Finde ich richtig und wichtig.“ Boris Palmer? „Sollten wir schnell wieder mit den Mitgliedsrechten in die Partei aufnehmen.“ Wer wird Weltmeister? „Deutschland.“ Heidewitzka!
Erstaunlichstes Versprechen
„Wer Kunstwerke beschädigt, wer Menschen in Gefahr bringt, der kann sich nicht Klimaschützer nennen!“, grollt CSU-Politiker Blume auf der Zielgeraden, „der ist am Ende eher ein Klima-Radikaler!“
„Wir schauen uns die Kunstwerke vorher immer ganz genau an“, verteidigt sich Aktivistin van Baalen. „Wir prüfen, ob eine Glasscheibe davor ist. Und bei den Rahmen begleichen wir den Schaden. Das zahlt dann die Einzelperson, die dort an dem Protest beteiligt war.“ Ui!
Überfälligste Frage
In der Schlusskurve geht es um Gefahren durch klimaschutzbeseelte Straßenblockaden: „Nehmen Sie in Kauf, dass Menschen zu Schaden kommen?“, fragt Maischberger.
„Wir lassen immer eine Rettungsgasse“, behauptet van Baalen rasch. „Wenn ein Krankenwagen durch muss, lassen wir die Autos abfließen und das Blaulicht durch.“
Letzte Ausfahrt
Wirklich? „In Berlin gibt es 13 bis 17 Fälle, wo die Einsatzleitung sagt, wir sind zu spät gekommen“, weiß die Talkmasterin. Vor allem den Tod einer Radfahrerin unter einem Betonmischer laste die Feuerwehr auch Klimaklebern an.
„Hier steht Aussage gegen Aussage!“, wehrt sich die Aktivistin. Die Notfallärztin sage, dass der Stau bei dem Unfall komplett irrelevant gewesen sei. Die Polizei sei vorab informiert worden und habe dann den Verkehr geregelt. Und, so van Baalen: „Jeden Tag gibt es 1400 Staus.“ Ihr Ernst?
Unrühmlichste Ausrede
Der Klimaaktivist Tadzio Müller drückte es anders aus: „Scheiße, aber nicht einschüchtern lassen“, twitterte er nach dem Unfall. „Es ist Klimakampf, nicht Klimakuscheln, & shit happens.“
Erklärung der Klimaschützerin dazu: „Tadzio Müller ist nicht bei uns aktiv. Er ist nicht Teil der Letzten Generation. Er spricht hier für sich, und nicht für die Bewegung.“ Amen.
Zitat des Abends
„‚Ich gucke das nicht‘ ist Selbstüberschätzung. Da wird der Emir trotzdem in den Schlaf finden…“ Hubertus Meyer-Burckhardt über den Boykott von WM-Übertragungen.
Fazit
Gnadenlose Kommentare an der Grenze zur Hassrede, aber zum Glück auch ausgewogene Ansichten auf Konsenskurs und ein abgezocktes Auswärtsspiel des populären Superschwaben. Das war eine Talkshow der Kategorie Goethe: „Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern“.