„Anne Will: Weiter abhängig von Putins Gas – Wie schafft Deutschland die Energiewende?“ ARD, Sonntag, 24.Juli 2022, 21.45 Uhr.
Was für ein absurdes Theater! Die grüne Parteigröße Göring-Eckardt würde unsere Atommeiler notfalls nun doch länger laufen lassen, es darf nur nicht so heißen. Halten die uns eigentlich für doof? Anne Wills Gäste:
Katrin Göring-Eckardt (56, Grüne). Die Bundestagsvizepräsidentin knüpft eifrig neue Tarnnetze, unter denen Kernkraftwerke länger laufen könnten.
Alexander Graf Lambsdorff (55, FDP). Der Fraktionsvize behauptet: „Deutschland ist in der Nato keineswegs isoliert, auch wenn Polen und die baltischen Staaten das gelegentlich anders intonieren.“ Hm – die lagen bei Putin allerdings bisher immer richtig.
Norbert Röttgen (57, CDU).Der Außenpolitiker kämpft erbittert gegen rot-grüne Waffenlieferbremsen.
Nina Scheer (50, SPD). Die Energiepolitikerin findet „die Behauptung angeblich benötigter Atomenergie für die Energiesicherheit widerlegt“. Uff!
Petra Pinzler (57). Die Journalistin („Zeit“) warnte schon früh: „Wenn man Putin nicht deutlich Stopp sagt, legt er nach“.
Das neue ARD-Strickmuster: Drei Ampel-Politiker gegen einen aus der Opposition. Das Zoff-o-Meter hofft trotzdem auf eine faire Debatte!
Sportlichster Einspieler
Zur Einstimmung zeigt Talkmasterin Will einen Ausschnitt aus der Durchhalterede des Kanzlers am Freitag, in der Scholz versprach, „dass wir gemeinsam die schwierigen Zeiten bewältigen, dass wir zusammenhalten.“ Kernsatz des Kanzlers: „You never walk alone! Niemand wird mit den Herausforderungen alleingelassen!“
„Er hat sich sehr weit rausgewagt“, urteilt die „Zeit“-Journalistin kühl. „Er suggerierte immer noch, dass der Staat es eigentlich kann. Meine Einschätzung ist: Er wird es nicht halten können.“ Rumms!
Bürgerfernster Schwurbelanfall
SPD-Scheer schöpft tief aus dem funktionärssprachlichen Klischee-Fundus der Berliner Polit-Blase: Das „massive Einsparen“ müsse als „kollektiver gemeinsamer Akt angegangen werden“, fordert sie. Ui!
„Da gibt es auch eine konzertierte Aktion“, lobt die Energiepolitikerin ihre Regierung. „Die Dramatik, die in den Gaspreisen gegeben ist, ist noch nicht angekommen.“ Ja was!
Schlappste Expertise
Graf Lamsbdorff versucht es mit einem weiten Einwurf: „Ich muss jetzt mal antworten – das mag ein bisschen überraschen – als Fußballfan, 1.FC Köln“, outet er sich und doziert: „‘You Never Walk Alone‘ ist das, was den FC Liverpool und seine Anhänger verbindet. Ein enormes Gefühl des Zusammenstehens, der Solidarität.“
Seine Analyse: „Es war ein vom Bundeskanzler bewusst gewähltes Zitat, um zu sagen: Wir machen das hier zusammen. Da sind alle gefordert. Alle müssen da zusammenstehen. Wie es danach weitergehen wird, das werden wir mal sehen.“ Heißt: Blankoscheck her!
Billigste Schuldzuweisung
Göring-Eckardt thront im lila Kirchentagsoutfit zur Rechten der Talkmasterin und tut, was sie immer gerne macht: ein Ablenkungsmanöver starten. „Wir können unmöglich alles ausgleichen, was in den vergangenen Jahrzehnten versäumt worden ist!“, ledert sie los und guckt ihr CDU-Gegenüber scharf an, denn Röttgen war mal Umweltminister.
Auch das Gendern kommt nicht zu kurz: „Das machen wir gemeinsam“, spielt die Grüne den Kanzler-Ball weiter, mit aktueller Ergänzung: „Das machen wir als Mann- oder Frauschaft.“
Überfälligste Richtigstellung
Röttgen setzt den Talk wieder aufs Gleis: „Es geht hier nicht um Energiepolitik!“, macht er der Runde mit beschwörenden Gesten klar. „Es geht um den Krieg, den Putin führt. Gegen die Ukraine, gegen Europa!“
Der Grünen passt das nicht ins Konzept: „Das möchten Sie gerne, Herr Röttgen, dass es nicht um Energiepolitik geht!“, schnaubt sie.
Doch damit kommt sie nicht durch. „Der Kontext ist nicht, wie sieht eine gute Energiepolitik aus?“, stellt der CDU-Mann fest. „Der Kontext ist: Putin führt einen Krieg! Einen Energiekrieg, einen Hungerkrieg, einen militärischen Krieg. Das ist die Dimension, um die es geht!“
Massivste Kanzlerschelte
„Ein sozialstaatlicher Ansatz, diesem Krieg zu begegnen, wird nicht ausreichen“, kritisiert der Ex-Minister dann das Kanzler-Statement. „Darum verspricht er mehr, als er halten kann.“
Röttgens Vorwurf: „Es fehlt nicht an Kommunikation, es fehlt an Aktion. Warum gibt es keine Einsparstrategie?“
Prompt geht das Zoff-o-Meter los
Göring-Eckardt schießt parteipolitisches Sperrfeuer: „Doch!“, unterbricht sie den CDU-Mann. „Die gibt’s auch!“ Ihr berühmtes wissendes Lächeln soll signalisieren: „Ach ihr kleinen Dummerchen!“
Doch Röttgen kennt die Zwischenruf-Nadelstich-Taktik aus jahrzehntelanger Talk-Erfahrung: „Es gibt keine Bund-Länder-Kommunaltreffen“, beharrt er ungerührt. „Es gibt keine Einspar-Strategie, die im Bundestag eingebracht worden ist und sich in Gesetzen ausdrückt. Es ist ein halbes Jahr vertrödelt worden!“
Aggressivste Retourkutsche
„Ich wollte etwas sagen zu Herrn Röttgens Vergesslichkeit“, ätzt Göring-Eckardt prompt. „Ich finde, das wäre wirklich der Moment, dass Sie heute Abend hier sagen: Wir haben so lange versäumt, dafür zu sorgen, dass wir mehr Erneuerbare haben!“
Dann faltet die Grüne theatralisch die Hände: „Wir haben so lange versäumt, uns unabhängig von Putin zu machen!“, schlägt sie dem CDU-Mann als Sündenbekenntnis vor. „Das ist Ihre Regierungszeit gewesen! Da ist das mindeste an Redlichkeit, was man aufbringen muss, dass man das einmal sagt.“ Bereuet!
Ernüchterndstes Debattenchaos
„Die Leute kaufen gerade elektrische Heizlüfter wie die Wahnsinnigen!“, klagt Alexander Graf Lambsdorff
„Jetzt wird wieder alles durcheinandergeworfen!“, beschwert sich die „Zeit“-Journalistin.
„Es ist das Gasspeicherfüllstandsgesetz verabschiedet worden“, verteidigt sich SPD-Scheer und schimpft, in „unverantwortlicher Weise“ werde Untätigkeit suggeriert, „mit Beispielen, die sich ganz schnell widerlegen lassen…“
„Naja!“, zweifelt die Talkmasterin laut und grinst sich eins.
Berlinischste Perspektive
„Wenn wir ein Tempolimit von 120 hätten, 80 auf Landstraßen, und jede zweite Freizeitfahrt wegfallen würde, dann hätten wir schon fast zehn Prozent des Öls gespart“, rechnet die „Zeit“-Journalistin frohgemut vor.
Außerdem, so Pinzler weiter: „In den Städten haben wir hohe Ozon-Werte, die sind durch den Verkehr verursacht.“ Horrido! Da sind sie wieder, die Anti-Auto-Argumente der Urban-Society.
Bitterster Befund
Röttgen unternimmt den nächsten Versuch: „Putin spielt mit unserer Angst“, warnt er nun schon händeringend. „Das ist außenpolitisch ein Desaster! Wir haben 95 Milliarden in seine Kassen gespült! Wir haben die volle Droh- und Erpressungsdominanz an Putin übergeben!“
Seine düstere Prognose: „Unsere Planungen gegen die Klimakatastrophe funktionieren nicht mehr. Wir werden mehr Kohle einsetzen müssen. Wir werden Kompromisse beim Klimaschutz machen müssen!“
Vergesslichster DebattenbeitragJetzt ist der Bock aber fett! „In 16 Jahren Angela Merkel ist es nicht gelungen, einen einzigen LNG-Terminal zu bauen!“, poltert Lambsdorff durch das wütende Wortgewirr und schlägt sich demonstrativ an die Stirn: „Das ist doch grotesk!“
Die vier FDP-Jahre unter der Kanzlerin lässt der Graf dabei locker unter den Tisch fallen.
Unredlichste Argumentation
Zur Atomfrage hat die Grüne ein typisches Göring-Eckardt-Statement vorbereitet: „Wir brauchen keine Laufzeitverlängerung“, behauptet sie, „weil das, was die Atomkraftwerke leisten könnten, nicht relevant ist für das Problem, das wir in diesem Winter haben.“
Aber, so die Grüne weiter: „Wir haben ein Sonderproblem, und dieses Sonderproblem ist in Bayern entstanden, weil Horst Seehofer gesagt hat: Leitungen möchte ich nicht bauen, weil er sich nicht mit seinen Bürgerinitiativen überwerfen wollte.“
Was sie unterschlägt: Sehr viele dieser Bürgerinitiativen wurden und werden von grünen Lokalpolitikern gepusht.
Unliebsamster Einwand
„Sie lenken ab!“, funkt die Talkmasterin prompt dazwischen. „Wir sind bei den Kernkraftwerken, und in München sprechen sich gerade Grüne und SPD für eine Verlängerung von Isar 2 um sechs Monate aus!“
Doch Göring-Eckardt ist darauf vorbereitet: „Eine Laufzeitverlängerung wird es nicht geben!“, verspricht sie noch einmal, hält die Schwurfinger aber hinter den Rücken und fügt schlau hinzu: „Die Frage ist, wie gehen wir mit diesem Sonderproblem um?“
Überflüssigstes Dementi
Dann lässt die Grüne die Katze mit einem Auge aus dem Sack gucken: „Dieses Sonderproblem kann heißen, dass die Brennstäbe noch ausgebrannt werden müssen, damit man in Bayern über die Runden kommt.“
Heidewitzka! Immer diese Bayern! Die Talkmasterin will den Eiertanz abkürzen: „Also Streckbetrieb“, übersetzt sie knapp und bündig
Wie stets weist Göring-Eckardt unter Druck energisch zurück, was niemand behauptet hat: „Das heißt nicht, dass wir einfach so weitermachen können wie in der Vergangenheit“, trompetet sie und zieht dramatisch die Brauen hoch.
Gretchenfrage des Abends
Die Talkmasterin will den Pudding endlich an die Wand nageln: „Heißt das, Sie lassen einen Streckbetrieb zu?“, bohrt sie mit einem tiefen Blick in die Augen.
Die Antwort der Grünen, bekräftigt mit zackigen Handbewegungen: „Wenn es dazu kommt, dass wir eine wirkliche Notsituation haben, dass Krankenhäuser nicht mehr arbeiten können, dann müssen wir darüber reden, was mit den Brennstäben ist.“
Na also! Aber soll das nun etwa heißen, dass erst Patienten in Gefahr geraten müssen, bevor die Grünen ihre Ideologie mal wenigstens für ein paar Wochen sein lassen?
Neuester Dreh
Weitere Angstmacher Göring-Eckards: In Frankreich könnten Atomkraftwerke wegen der Hitze nicht mehr gekühlt werden, und in der Ukraine drohe Gefahr durch Raketen.
„Ich war gerade in Odessa“, meldet sie, „und dort haben sie mir gesagt, das Atomkraftwerk Saporischja ist schon wieder umstellt von Putins strategischen Waffen, und wir wissen nicht, was dort passiert.“
Diplomatischster Antwortversuch
„Ich sehe bei den Partnern insgesamt in der Koalition sagen wir mal: eine Offenheit dafür, Dinge so zu analysieren, wie sie sich objektiv darstellen“, würgt Lambsdorff zum Schluss auf Anfrage mit unsicherem Händefuchteln hervor. Das ist so ungefähr das genaue Gegenteil von dem, was das Publikum soeben zu hören bekam.
Klarste Kante
Röttgen bleibt die Aufgabe, den neuen Qualm aus den alten Nebelkerzen wegzublasen: „Ob Tempolimit oder Laufzeitverlängerung, es ist alles durch Ihre parteipolitisch festgelegten Positionen vorgeprägt“, hält er der Grünen vor.
Sein Urteil: „Wir haben eine Sonderlage. Und um das Stromsystem anzupassen und zu stabilisieren, würde ich die Atomkraftwerke noch weiterlaufen lassen.“ Finito!
Zitat des Abends
„Wir haben einen Krieg im Osten des Kontinents und reden über Tempolimit!“ Alexander Graf Lambsdorff
Fazit
Immer neue Argumente mit immer weniger Überzeugungskraft, tiefe Einbrüche in zweifelhafte Logiklinien und schon fast panikartige Gegenangriffe auf den gesunden Menschenverstand: Das war ein Talk der Kategorie „Rückzugsgefecht“.