„Anne Will: Halbzeit für die GroKo – viel erreicht, viel versäumt?“. ARD, Sonntag, 10.November 2019, 21.45 Uhr.
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat in der ARD-Talkshow „Anne Will“ am Sonntag bekräftigt, eine Auseinandersetzung mit innerparteilichen Gegnern in der Frage der Kanzlerkandidatur für 2021 nicht zu scheuen.
Wörtlich sagte die in der Union nicht unumstrittene Politikerin: „Solange es fair bleibt, gibt es keine Diskussion, die ich fürchte!“
Talkmasterin Anne Will hatte versucht, mit dem Kanzlerthema Schwung in die müde Runde zu bringen: „Muss Friedrich Merz auf dem Parteitag wieder eine schlechte Rede halten?“ Doch Annegret Kramp-Karrenbauer nahm den Namen ihres prominentesten Konkurrenten nicht in den Mund.
„Wie organisiert man die Übergabe eines Staffelholzes?“ fragte der Politologe Herfried Münkler noch einmal nach und erinnert an das Ende der Kanzlerschaft Helmut Kohls.
„Wir haben keine Erbmonarchie in Deutschland!“ antwortete die CDU-Chefin und wollte dann auch noch mit einer Binse punkten: „Am Ende entscheiden die Wählerinnen und Wähler!“
Schwerster Schwurbelanfall
Ähnlich schwer tat sich auch die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer mit der Frage, wie der SPD-Parteitag über die Zukunft der GroKo entscheiden werde. Ihre Antwort klang wie aus dem Lehrbuch für professionelle Informationsverweigerung: „Wir werden einen Beschluss vorlegen, der sinngemäß in die Richtung geht, wie die Große Koalition zu bewerten ist.“ Uff!
Doch die Ministerpräsidentin kann auch Klartext: „Wir sind nun einmal in einer schwierigen Situation“, gestand sie. „Wir sind als Partei wirklich am Boden!“
Interessantester Vorschlag
Politologe Münkler kritisierte die Prozedur zur Wahl der neuen SPD-Spitze heftig: „Die Anlage des Prozesses ist ausgesprochen ungeschickt!“ schimpfte er. „Wer Spannung braucht, soll einen Krimi gucken!“
„Was ist eigentlich, wenn das 51:49 ausgeht?“ fragte Journalist Nico Fried rhetorisch und zog die Antwort wie ein As in den Ärmel: „Dann sollte man Franziska Giffey noch mal ins Spiel bringen!“
„Das würde das ganze Verfahren ad absurdum führen!“ protestierte Dreyer, und damit war endgültig die Luft raus.
Zum Start der Talkshow hatten die beiden Spitzenpolitikerinnen eine eher matte Zustandsbeschreibung der Großen Koalition abgeliefert. „Kompromisse fühlen sich immer wie halbe Niederlagen an, nicht wie halbe Siege“, klagte Kramp-Karrenbauer. Immerhin zeigte sich die CDU-Chefin sicher, dass die neue Rente nicht in den CDU-Gremien scheitern werde
Vollmundigstes Eigenlob
„Die meisten Menschen, die profitieren, werden Frauen sein“, lobte wiederum Dreyer die neue Grundrente. „Das ist ein großer sozialpolitischer Meilenstein! Die GroKo hat etwas fertiggebracht, was für Deutschland wichtig ist!“ Dafür gab‘s den ersten Beifall.
Klügste Analyse
„Ein Problem der Koalition ist, dass sie auch dort, wo sie Erfolge erzielt, diese offensiv schlecht kommuniziert“, stellte der Politologe fest und lieferte auch gleich die Begründung: „Weil immer eine Seite als Gewinner und eine als Verlierer dargestellt wird!“
Das wurde in diesem Talk allerdings sorgfältig vermieden. Kramp-Karrenbauer redete nicht mehr von „Bedürftigkeitsprüfung“, sondern nur noch von „Bedarfsprüfung“, und Dreyer neben ihr hütete sich vor jeder Form von Siegermiene.
Klagelied des Abends
„Wir haben in der GroKo das Bild vermittelt, dass wir schlechter zusammengearbeitet haben, als es in der Tat der Fall ist!“ gestand Kramp-Karrenbauer selbstkritisch.
Doch damit soll jetzt endgültig Schluss sein, denn, so die CDU-Chefin: „Wir sind nicht gewählt worden, damit wir uns wie ein Therapiezirkel mit uns selbst beschäftigen.“
Verständlichster Wunsch
„Koalieren und gleichzeitig Opposition sein führt selten zu guter Regierungsarbeit“, bilanzierte die WELT-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld kühl.
Im Ringen der Koalitionsparteien sah die Journalistin „ein politisches Tauziehen, bei dem man sich wünscht, das Seil möge in der Mitte reißen, damit es endlich zu Ende ist.“ Treffer!
Lahmste Luftnummer
„Wir stehen im Rentensystem vor großen Herausforderungen“, gab Kramp-Karrenbauer emotionslos bekannt.
„Wir sind in einem großen Strukturwandel“, fügte Dreyer routiniert hinzu. „Wir haben schon ganz viel geliefert. Die Frage ist: Trauen wir uns das auch gemeinsam zu?“
Der SZ-Journalist hielt es nicht mehr aus: „Wenn ich höre, mit welcher Begeisterung die Damen das hier vortragen, könnte es ja noch was werden!“ sagt er ironisch, und das Publikum ist amüsiert.
Ausgelutschte Argumente, Fragen aus dem Alttalkcontainer, viel routinierte Lustlosigkeit und eine Meinungsvielfalt wie in einer chinesischen ZK-Sitzung: Das war ein Talk der Kategorie „Laumichels Nachtgesang“.