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Klima-Zoff bei Maischberger: Als Altmaier von Aktivisten niedergebrüllt wurde

„maischberger, die woche: Die Klimakrise – Deutschland auf der Anklagebank“. ARD, Mittwoch, 18.November 2020, 21.45 Uhr.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist in der ARD-Talkshow „mischberger. die woche“ am Mittwoch an einen peinlichen Auftritt bei „Fridays for Future“ erinnert worden.

Im März hatten Aktivisten den Minister bei einer Demo erst heftig kritisiert und dann niedergebrüllt. Jetzt versuchte die „Fridays for Future“-Sprecherin Luisa Neubauer (Grüne), die total aus dem Ruder gelaufene Aktion gegenüber Altmaier zu rechtfertigen.

Vor der Talkshow hatte die ARD einen Beitrag gezeigt, der nicht nur „Fridays for Future“-Fans von einer neuen Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Ziele gegen die Mehrheit der Menschen träumen ließ: In dem SF-Film „Ökozid“ steht die Bundesrepublik nicht mehr nur wie schon jetzt am Pranger, sondern als angeblicher Umweltverbrecherstaat sogar vor einem Internationalen Strafgerichtshof. „maischberger. die woche“ schnitzte sich aus dem ARD-Drama das Thema. Die Gäste:

Altmaier will widerstrebende Interessen mit einer „Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft“ ausbalancieren.

Neubauer fordert, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag auch in der Realität für Umweltzerstörer den Straftatbestand „Ökozid“ einführt. Starker Tobak!

Mohamed Nasheed, Ex-Staatspräsident der Malediven, fürchtet bei steigendem Meeresspiegel um sein Inselparadies.

Der Schauspieler Edgar Selge spielt den Strafrichter in „Ökozid“.

Die Politökonomin Maja Göpel berät die Bundesregierung zum Thema „Globale Umweltveränderungen“.

Stefan Wolf, Chef eines Autozulieferers, soll bald den Arbeitgeberverband Gesamtmetall übernehmen.

 

Politik, Medien, Experten, Altmaier gegen Neubauer – nomen est omen? Zu erwarten waren wirtschaftsfreundliche Pirouetten und klimakämpferische Blutgrätschen.

Ehrlichstes Bekenntnis

„Der Film hat mich sehr bewegt“, gestand Selge gleich zu Beginn. „Ich gehöre zu der grauen Masse, die eine große Angst vor Veränderungen hat, die aber gerne formuliert, dass sie etwas für den Klimaschutz tut, und die darüber depressiv und unglücklich ist.“

Seine Selbstanalyse: „Diese Doppelzüngigkeit kann Menschen sehr traurig machen. Das tut irgendwann weh und hat eine Wirkung auf unsere Psyche.“

Interessanteste Gegenrede

Altmaier machte sich das Urteil nicht schwer: „Kunst darf fast alles“, erklärte er. „Ich finde es völlig o.k., dass in solchen Filmen versucht wird, das Thema plastisch zu schildern.“

Zur Sache räumte der frühere Umwelt- und heutige Wirtschaftsminister ein: „Wir haben natürlich auch Fehler gemacht. Wir hätten den CO2-Ausstoß schneller reduzieren können. Aber wir haben ihn um 40 Prozent reduziert, obwohl die Wirtschaft mehr als doppelt so groß ist wie 1990!“

Dann wurden die Claims abgesteckt

Es wird blockiert, es wird verhindert, es wird verschleppt!“ schimpfte Aktivistin Neubauer.

Politik hat Verantwortung jenseits des kurzfristigen Wählerwillens“, meinte Regierungsberaterin Göpel.

Mich stört, dass immer nur einzelne Länder in die Pflicht genommen werden“, kritisierte Autozulieferer Wolf.

Düsterste Prophezeiung

Der Ex-Präsident von den Malediven erschien in einer Aufzeichnung auf den Monitor. Seine Klage: Die Korallenbleiche vernichte die schützenden Riffe vor den Inseln, und schon heute zehre die Anpassung an den Klimawandel mehr als ein Viertel des Staatshaushalts auf.

Nasheeds verheerendste Prognose: „Wir werden in 50 oder 80 Jahren nicht mehr da sein. Wenn das Wasser weiter ansteigt, sind wir nur noch einen Meter über dem Meeresspiegel. Wir müssten in ein anderes Land umsiedeln. Aber dann müsste ein Viertel der Weltbevölkerung umziehen!

Schlimmstes Schreckensbild

Wir haben eine Million Araber gesehen, die von Syrien nach Europa gekommen sind“, fügte der Politiker hinzu. „Wir haben gesehen, was dann passiert ist. In Europa brach die Panik aus. Man hat die Tore geschlossen!“

Seine Hoffnung: „Die erneuerbaren Energien sind immer billiger. Der Verbrennungsmotor ist eine obsolete Technologie. Die neuen Technologien werden wirtschaftlicher sein.“

Der dringende Appell des Malediviers: „Wir brauchen drastisches Handeln! Wir müssen jetzt sofort aktiv werden und sehr viele Dinge gleichzeitig tun!“

Ernüchterndstes Beispiel

Altmaier wollte nicht allein auf der Anklagebank sitzen: „Ich war als Wirtschaftsminister in Indonesien und habe sehr dafür geworben, dass man dort Windräder und Solaranlagen installiert“, berichtete er.

Doch, so das enttäuschende Ergebnis: „Der Energieminister hat mir gesagt, Herr Minister, wir haben Kohlevorräte. Die Kohle ist für uns die preiswerteste Energie. Wir wollen schnell wachsen. Unsere Menschen wollen Wohlstand!

Provozierendste Frage

Hätten wir jetzt die Bundeswehr schicken sollen, um dort einzumarschieren und die Kohlekraftwerke am Neubau zu hindern?“ fügte Altmaier hinzu.

Und: „In China wird mir gesagt, wir müssen Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke bauen, und erneuerbare Energie, weil unser Land so schnell wächst. Und wenn ich in Russland bin, gibt es viele Menschen, genau wie in den USA, die vom Klimawandel überhaupt nicht überzeugt sind!“

Griffigstes Schlagwort

„Alle anderen sind schuld!“ spottete Neubauer. Die Ursache sei doch ganz klar eine „Kumulation von Emissionen“, und „in diesem Zusammenhang könnte man sagen: Klimakrise made in Germany!“

Ihre ungewöhnlich These: „Wir sind dafür verantwortlich, uns an die Pariser Klimaziele zu halten, unabhängig davon, wie die Deutschen gerade bei einer Bundestagswahl darüber abstimmen. Das ist schon demokratisch vereinbart.“ Uff! Diskussion überflüssig? Parlament machtlos? Souveränìtät ade?

Klügstes Gegenargument

„Wir haben die Entscheidung getroffen, die Kernkraftwerke abzuschalten“, erinnerte Altmaier. „In Frankreich wird kaum noch Kohlestrom produziert, aber dafür die Hälfte des Stroms aus Kernkraftwerken.

Sein Vorwurf: Niederländer, Briten, auch die Chinesen würden auf Atomstrom setzen, aber „die Klimabewegung sagt, in ihrer großen Mehrheit jedenfalls: Nein, das ist keine Alternative.“

Ungewöhnlichster Vergleich

Göpel ist Transformationsforscherin, weshalb sie den Streit jetzt schiedsrichtern sollte: Kohle, Kernkraft, Erneuerbare? „Weil wir jetzt wirklich eine Handlungsnotwendigkeit haben, muss ökonomisch nicht immer das Maximale rauskommen“, urteilte sie, „sondern es wird vielleicht auch hoch unökonomisch sein.“ Also vor allem teuer.

Ob da die anderen mitziehen? „Das machen wir bei Corona doch auch“, meinte die Expertin, dass wir zu dem Zeitpunkt das Entsprechende tun, „wo wir sehen, das ist jetzt absolut notwendig, um zukünftig viel höhere Kosten abzuwehren.“

Härteste Attacke

Selge hat Bock auf Zoff: „Sie haben rhetorisch gefragt, ob Sie die Bundeswehr nach Indonesien schicken sollen“, patzt er den Minister an. „Die können Sie auch hier in Deutschland nach Garzweiler II schicken, das ist viel einfacher!“

Maischberger musste nun doch lachen: „Das ist aber kein Aufruf zur Revolution, Herr Selge, oder?“

„Keine Ahnung“, antwortete der Schauspieler. Seine Forderung: Mehr Politiker, die überzeugt seien, dass der Kampf gegen den Klimawandel jetzt notwendig sei, „statt immer nur auszutarieren zwischen Lobbyinteressen und Jagd nach Wählerstimmen.“ Uff!

Schlaueste Idee

Altmaier ballte kämpferisch die Fäuste: „Ich habe vorgeschlagen, dass wir im Bundestag, im Bundesrat und überall in den Städten und Gemeinden eine Charta verabschieden: Klimaneutral spätestens 2050!“ sagte er mit Nachdruck.

„Da haben dann die jungen Menschen gesagt: 2050 ist zu spät“, beschwerte sich der Minister dann sogleich.

Altmaiers knappstes Credo: „Der Planet ist global.“ Peter Altmaier

Wichtigste Absichtserklärung

„Wir könnten viel mehr Elektrofahrzeuge verkaufen, wenn es eine vernünftige Ladestruktur gäbe“, klagte Wolf. „Auf dem schönen neuen Hauptstadtflughafen gibt es 18.000 Parkplätze, aber nur genau zwanzig Ladepunkte!“

Aber: „Wir steigen aus dem Verbrennungsmotor aus“, kündigt der designierte Verbandschef an. „Aber wir wollen alle Menschen, die bei uns einen Arbeitsplatz haben, mitnehmen. Und wir werden sie alle mitnehmen können, wenn wir einen zeitlichen Weg strukturieren.“

Kühnste Vorhersage

Neubauer zitierte aus einer Studie für „Fridays for Future“, aus der deutlich werde, „dass wir etwa mit einer Halbierung des Pkw-Bestands in Deutschland rechnen“.

Ihre Frage: „Wie kann Mobilität aussehen, die tatsächlich sozial und ökologisch verträglich ist?“ Und wie kriegt man dann die Chinesen aus den schönen deutschen SUVs?

Misslungenster Auftritt

Zum Schluss zeigte die Talkmasterin ein Video von der ersten großen „Fridays für Future“-Demo Anfang 2019. Kommentar aus dem Off: „Die Wut der Jugendlichen richtet sich gegen die Politik. Ein Dialog ist schwierig.“

Altmaier war dort, aber eindeutig auf der falschen Veranstaltung, denn er wurde prompt per Megaphon niedergemacht. „Wir sind hier, weil Sie Ihre Arbeit nicht ordentlich machen!“ pöbelt ihn ein Aktivist an.

„Jaaaaa!“ brüllen die Demonstranten.

Der Minister lächelt verkniffen, dreht sich dann um und sagt wütend zu seinen Begleitern: „Das war echt ’ne Scheißidee!

Entlarvendste Hintergrund-Info

Jetzt wirkte Neubauer gar nicht glücklich über den ARD-Clip: „Wir haben vor diesem Moment ein langes Gespräch geführt, bei Ihnen in Ihrem Büro“, sagte sie entschuldigend zu dem Minister. „Ich finde, das war eine unnötige Polemisierung, oder Polarisierung.“

Ihre Story: „Wir haben dem Büro von Herrn Altmaier erklärt, dass wir es nicht für sinnvoll halten, zu einer Demo zu kommen, bei der wir seine Arbeit derart kritisieren.“

Zu Altmaier sagte die Aktivistin im Stil eine Entschuldigung: „Deswegen haben wir Ihr Büro gebeten, nicht zu kommen. Das ist dann vielleicht falsch angekommen.

Fazit: Jede Menge Selbstgewissheit mit einer Prise ideologischen Schwerhörens, aber auch tapfere Ansagen aus der Autobranche, und der Minister im Zoff kein Wackelpeter, sondern mal so richtig sauer: Das war ein Talk der Abteilung „Reizklima“.

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