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Klima-Talk bei Plasberg: FDP-Lambsdorf mahnt die Netflix-Gemeinde

„Hart aber Fair: “ Welt im Klimawandel: Wieviel können wir selbst tun?“ ARD, Montag, 17.Februar 2020, 21 Uhr.

Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag Alexander Graf Lambsdorff hat in der ARD-Talkshow „Hart aber Fair“ am Montag die Netflix-Gemeinde vor dem Stromverbrauch und den damit verbundenen Gefahren für das Klima gewarnt, die durch das extensive Filmegucken entstünden.

Wörtlich sagte der Politiker: „Zwei Stunden Streaming belasten das Klima genau so stark wie ein Inlandsflug!“

Eine Quelle nannte Lambsdorff nicht. Eine Studie der französischen Denkfabrik „The Shift Project“ zeigt etwa, dass durch das Fliegen rund 2 bis 2,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entstehen, der digitale Datentransfer aber das Doppelte davon ausmacht – wegen des hohen Stromverbrauchs.

Besonders negativ wirke sich das Streaming aus, weil dabei Daten um die halbe Welt geschickt würden. Am meisten Strom werde verbraucht, wenn Daten über den Mobilfunk abgerufen. Denn die alten Kupferkabel, über die die Datenübertragung heute hauptsächlich liefen, benötigten ein starkes Signal, das viel Energie verbrauche.

Außerdem attackierte der FDP-Politiker die nicht nur seiner Meinung nach doppelbödige Strategie der Grünen bei der Windkraft: Während sich die Ökos auf Bundes- und Landesebene für gewaltige Stromtrassen einsetzten, versuchten auf örtlicher Ebene Bürgerinitiativen auch mit Grünen diese Leitungen zu verhindern.

Das hören die Friday-for-Future-Kids dann wohl nicht so gern. Und auch der populäre grüne Tübinger Bürgermeister Boris Palmer hielt sofort dagegen.

Dürre, Feuer, Flut: Auf dem blauen Planeten wird es immer ungemütlicher. ARD-Talkmaster Frank Plasberg ging den Problemen mit einer attraktiven Gästerunde nach:

  • Graf Lambsdorff musste tüchtig für seine Partei punkten, denn die hat sich in Thüringen einen AfD-Virus eingefangen.
  • Palmer möchte seine Stadt bis 2030 klimaneutral kriegen.
  • Die Ex-RTL-Moderatorin Janine Steeger schrieb das Buch „Going Green. Warum man nicht perfekt sein muss, um das Klima zu schützen“.
  • Der Meteorologe Mojib Latif (65) möchte den Deutschen das Verzichten schmackhaft machen: Dafür gebe es dann ja gute Luft und eine Zukunft für die Erde.
  • Die Energiewirtschaftspräsidentin Marie-Luise Wolff (61) fordert mehr Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren.
  • Der Chemieprofessor Michael Braungart setzt auf Innovation: „Lasst uns nützlich, statt nur weniger schlecht sein!”

Politiker und Experten im gleichen Boot. Gab es trotzdem mal zwei Meinungen? Es gab!

Schöne neue Welt: Autorin Steeger strampelt sich lieber mit einem Lastenfahrrad ab, statt das Auto zu nehmen, und jubelte jetzt darüber, dass sie „lachend an Menschen vorbeifährt, die im Stau stehen.“

Dümmster Vergleich

Energie-Präsidentin Wolff meldete: „Wir stellen jetzt 120 Kraftwerke ab oder um, aber wir haben noch keinen Ersatz dafür. Wir kennen Länder, wo öfter mal der Strom ausfällt. Das können wir uns in Deutschland nicht leisten!

Immerhin, so die Expertin: „Wir schalten bis zum Jahr 2030 schon 55 Prozent der Kraftwerke ab!“

„Aber demnächst geht ein neues Kraftwerk in Datteln ans Netz“, meckerte Plasberg. „Das kommt mir vor, als wenn man noch eine Kutschenfabrik baut, nachdem das Auto am Fließband erfunden wurde!

Und schob gab‘s den ersten Zoff

„Dafür gehen ganz viele alte Kohlekraftwerke vom Netz!“ klärte Wolff den Talkmaster auf. „Die sind deutlich emissionsintensiver!“

Billiger Taschenspielertrick!“ schimpfte Latif, und das bunte Publikum applaudierte wie auf Kommando.

Bösartigste Unterstellung

Expertin Wolff wollte widersprechen, doch Plasberg unterbrach sie sofort: „Sie sind die Vorstandsvorsitzende eines grünen Stromunternehmens. Werden Sie auch als Feigenblatt bezahlt? Weil, zu Ihrem Verband gehören auch EON, RWE…“

Doch die Präsidentin konterte ihn kühl aus: „Stellen Sie sich vor: Ich bekomme gar nichts dafür. Ich mache das freiwillig und unentgeltlich.“ Rummmms!

Kühnstes Dementi

Palmer war sauer, weil die Bundesregierung erst die Solarindustrie ruiniert habe und jetzt die Windkraft blockiere.

„Die Offshore-Windkraftanlagen sind kein Problem“, entgegnete Lambsdorff. „Das Problem ist der Transport des Stroms vom Norden in den Süden. Und da blockieren insbesondere die Grünen den Ausbau der Trasse!“

„Welche Grünen sind das?“ fragte Palmer höhnisch. „Meinen Sie Horst Seehofer? Also Grüne sind’s nicht!“

Wie bitte? In Thüringen und Bayern gibt es schon seit Jahren geharnischte grüne Proteste gegen die geplanten Trassen. Aber Faktenchecker Plasberg machte keinen Mucks.

Wichtigster Streitpunkt

Meteorologe Latif forderte kompromisslos autofreie Innenstädte: „Warum muss man unbedingt durch den größten Stau zum letzten Laden fahren?“

„Sowas gibt es schon“, erläuterte Lambsdorff. „Heute heißt dass ‚Fußgängerzone‘.“

Wir können uns jetzt besoffen reden, dass das alles ohne Verzicht möglich wäre“, warnte der FDP-Politiker, „aber seien wir bitte ehrlich: Wer sich entschleunigen will, kann dann eben an bestimmten Sachen einfach nicht mehr teilnehmen!“

Verblüffendste Logik

Dann holte Plasberg Prof. Braungart in die Runde und stellte ihn als „Hero of the Planet“ vor.

Der Wissenschaftler führte sich gleich mit einer sehr interessanten Perspektive ein: „Die Leute meinen, sie schützen die Umwelt, wenn sie sie weniger zerstören“, sagt er. „Die Greta hat das Klima nicht geschützt, nur weil sie mit dem Zug fährt. Sie hat es nur etwas weniger zerstört!“

Provokativste These

Braungarts radikaler Ansatz: Umweltschutz funktioniere nur, wenn es nicht weniger, sondern überhaupt keinen Abfall mehr gebe, z.B. durch 100prozentig abbaubares Plastik.

Alles andere sei, so Braungart drastisch, „wie wenn man sein Kind nicht mehr zehn Mal, sondern nur noch fünf Mal schlägt.“

„In dieser Logik, hat die DDR die Umwelt besser geschützt als der Westen“, behauptete er. Uff!

Interessanteste Idee

Dazu hatte der Professor voll abbaubare Produkte mitgebracht: Turnschuhe, T-Shirts, essbare Möbelbezüge.

„Ist das jetzt die wissenschaftliche Kuh, die quer im Stall steht?“ rätselte Plasberg.

Am meisten staunte die Runde über Braungarts Vorschlag, künftig keine Waschmaschinen mehr, sondern nur noch Waschvorgänge zu kaufen. Sein Plan: Der Hersteller liefert die Maschine an und holt sie nach 3000 Waschgängen wieder ab. Vorteil: Die Maschine lebt länger und braucht zudem weniger giftiges Plastik. Hm – spannend!

Ironischste Frage

Nächstes Thema: Lebensmittel. Ein ARD-Einspieler zeigte: Käse ist fast so klimaschädlich wie das zuletzt so oft zitierte Schweinenackensteak.

Unser Leben ist schlecht für das Klima“, sagte Lambsdorff sarkastisch. Und Plasberg setzte noch einen drauf: „Sollen wir jetzt die Fortpflanzung einstellen?“

Palmer will alle mitnehmen: „Wir müssen den Menschen ermöglichen, mit Lebensgewinn etwas fürs Klima zu tun“, riet der populäre Kommunalpolitiker. „Es nützt nichts, die Menschen ändern zu wollen. Dafür ist weder die Politik noch der Klimaschutz da!“

Ungewöhnlichster Vorschlag

Palmer hatte auch dafür eine Idee dabei: Kostenloser Nahverkehr, aber dafür 30 Euro im Monat für jeden Parkplatz – auch für den an der Straße.

Plasberg war nicht überzeugt: „Seit wann gewinnt man etwas durch Wegelagerei?“ fragte er spitz.

Engagiertes Publikum

„Absurde Denkweise!“ schimpfte Prof. Braungart. „Die Leute denken, sie tun etwas Gutes, nur weil sie weniger Schweinereien begehen!“

So viel zum Thema „Schuldmanagement“. Das Publikum belohnte jede Wortmeldung des Wissenschaftlers mit fröhlichem Beifall, sogar noch dann, als Braungart den Begriff „Heisenbergsche Unschärferelation“ auftischte. Ächz!

Kritischste Zuschauerreaktionen

Plasberg-Hiwi Brigitte Büscher las Zuschriften vor: „Darf ich demnächst nicht mehr ausatmen?“ – „Die Luft ist sauber, die Bevölkerung pleite!“ – „Bei uns im Norden wird alles mit Windrändern zugepflastert, dass man sich vorkommt wie Don Quichotte!“

„Wir haben nicht über Thüringen und Lindner gesprochen“, frotzelte Plasberg zum Schluss den FDP-Politiker. „Ein schöner Abend!“

Viel klimapolitischer Biedersinn, leitmediale Besserwisserei und ein meteorologisches Motzgewitter, aber auch ein gelungener talktherapeutischer Meinungsaufbau ohne parteipolitische Zwangsbelehrung: Das war ein Talk der Sorte „E-missionsarm“.

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