„Maybrit Illner: Klimaschutz – keiner will‘s bezahlen?“ ZDF, Donnerstag, 20.Mai 2021, 22.15 Uhr.
Grüne-Co-Chef Robert Habeck hat in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag Rache für den Sport seiner Co-Chefin Annalena Baerbock genommen, die ihn völlig ohne Not öffentlich als eine Art dummer Schweinebauer vorgeführt hatte.
Wörtlich sagte der Ex-Minister und promovierte Philosoph über Ideen Baerbocks zu einer Abschaffung von Kurzstreckenflügen: „Low hanging fruits!“
Das Thema Corona kühlt ab, dafür wird jetzt das Thema Erderwärmung wieder heiß. Maybrit Illners Gäste:
Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie war vorher Umweltminister und Kanzleramtschef – mehr geht nicht. Sein Credo: „Klimaschutz können wir nur mit eine starken Wirtschaft stemmen.“
Habeck musste als Vorzeigekopf der Partei jetzt dringend was für sein Image tun. Sein Statement zur Sendung: „Ohne Klimaschutz steht die Freiheit auf dem Spiel!“
Die Politökonomin Prof. Maja Göpel („Scientists for Future“) berät die Bundesregierung in Umweltfragen. Ihre Warnung: „Gegen die Klimakrise gibt es keinen Impfstoff!“
Der Unternehmer Georg Kofler (Ex-„PRO7“) besitzt ein Beratungsunternehmen für Energieeffizienz und murrt: „Ein deutscher Klimalockdown wird weltweit überhaupt nichts ändern!“
Der Journalist Gerald Traufetter („Spiegel“) erwartet durch die Klimakrise „neue, harte Verteilungskämpfe“.
Profis im Hochspannungsfeld zwischen Information und Ideologie. Es drohten starke Ausschläge!
Zum Start ein Menetekel
Die Talkmasterin malte gleich mal eine unerquickliche Vision an die Wand: „Nach dem Corona-Lockdown der Klima-Lockdown?“
Ein ZDF-Einspieler trug zur Nervosität bei. O-Ton: „Nur noch gut sechs Milliarden Tonnen CO2. Mehr darf Deutschland nicht ausstoßen, sonst sind die weltweiten Klimaziele in Gefahr.“ Kann man wirklich um die „weltweiten Klimaziele“ bangen, wenn der deutsche Anteil an den Emissionen nur bei zwei Prozent liegt?
Gelungenstes Revanchefoul
Grüne-Kanzlerkandidatin Baerbock hatte Habeck mit einer arroganten Bemerkung herabsetzen wollen: „„In manchen Dingen sind wir sehr anders“, sagte sie in einem Interview mit Habeck. „Und da gibt’s natürlich Themen. Vom Hause her kommt er – Hühner, Schweine, ich weiß nicht, was haste? – Kühe melken. Ich komm eher aus’m Völkerrecht, ja, da kommen wir aus ganz anderen Welten im Zweifel …“
Jetzt wollte sie mit der Abschaffung von Kurzstreckenflügen punkten. Im Illner-Talk grätscht Habeck sie nun seinerseits hart ab: „Da geht es eher um ein Symbol“, meint er und spottet: „Low hanging fruits (niedrig hängende Früchte)“.
Denn, so Habeck kühl: „Der klimawirksame Gewinn ist nicht so besonders hoch. Das muss man einfach zugeben. Es ist eher ein Beispiel dafür, was man alles machen kann, was niemandem wirklich weh tut. Die ökonomische Frage, wie teuer Fliegen wird, ist davon zu trennen.“ Rumms! Altmaier lächelt still vor sich hin.
Ehrlichstes Bekenntnis
Und Habecks Rivalin bliebt trotz Abwesenheit auch in der zweiten Runde präsent. „Sie haben eine Spende von 750.000 Euro an die FDP gegeben, und zwar aus Angst vor einer grünen Kanzlerin Annalena Baerbock“, patzte die Talkmasterin den Unternehmer an. „Das muss eine ganz schön große Angst sein!“
„Angst ist eine viel zu negative Kategorie!“ konterte Kofler. „Ich bin ein proaktiver Mensch, ich will Werte unterstützen wie Marktwirtschaft, Unternehmertum, Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft, und die finde ich bei der FDP am besten aufgehoben!“
Dann ging schon der Zoff los
„Es kommt auf die Ehrlichkeit an“, meinte Altmaier zur umstrittenen CO2-Steuerung. „Robert Habeck, den ich ja durchaus schätze, hat gesagt, er ist dagegen, es über den Preis zu machen…“
Weiter kam er nicht, denn der Grüne funkte sofort dazwischen: „Herr Altmaier!“
Der Minister wollte sich nicht unterbrechen lassen: „Ich habe Sie doch auch ausreden lassen!“ wehrte er sich.
Doch Habeck ließ sich nicht abschütteln: „Einzig über den Preis“, korrigierte er, mit der Betonung auf „einzig“.
„Sie hatten 85 Prozent der Redezeit bisher!“ beschwerte sich Altmaier. „Sie mogeln nämlich!“
„Sie sollen mich nicht falsch zitieren!“ zürnte Habeck.
Hitzigstes Rededuell
Altmaier suchte Unterstützung bei der Talkmasterin: „Mir fallen Sie immer ins Wort, wenn ich versuche, anderen Kontra zu geben!“ klagte er.
Als Illner die stumme Sphinx spielte, wurde der Minister richtig sauer: „Das ist die Unehrlichkeit Ihrer Partei!“ pupte er den Grünen an.
„Das geht echt gut los!“ blaffte Habeck zurück. „Unehrlichkeit! Verlogenheit! Herr Altmaier!“ Oh je…
Unwillkommenste Analyse
Prof. Göpel hatte „überhaupt keine Lust, über Kosten für den Klimaschutz zu reden, ohne dass wir mindestens die Kosten für das Verweigern des Klimaschutzes auf den Tisch legen“.
Und, so die Wissenschaftlerin weiter: „Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, wir haben viel zu lange zu wenig getan. Deshalb ist jetzt die Diskussion so erhitzt und angestrengt, weil es jetzt sehr radikal wird!“
Lautester Alarmruf
„Das Verfassungsgericht hat gesagt: Klimapolitik ist Freiheitspolitik!“ kommentierte Habeck. „Sie ist nicht Verbotspolitik, oder Ökodiktatur. Sie sichert Freiheit!“
„Wir haben einen Höllenjob zu machen“, kündigte der Grüne-Chef danach an und rasselt seine Themen runter: „Ausbau der erneuerbaren Energien. Ausbau der Stromnetze. Gebäudesanierung. Eine veränderte Mobilitätsform.“ Und: „Wir werden Wohlstand anders definieren müssen.“ Aua!
Und wieder Zoff
Auch Altmaier blieb voll im Wahlkampf-Modus: „Ich war vor zehn Jahren Umweltminister in Berlin“, erinnerte er, „und da haben mir die Grünen gesagt: Wir brauchen keine Stromleitungen in Baden-Württemberg, wir müssen dort Windräder bauen. Die Grünen regieren dort seit zehn Jahren, und es sind dort so gut wie keine Windräder gebaut worden!“
„Alle Landesregierungen der Grünen bringen den Bau von Stromtrassen gegen alle Widerstände nach vorne bringen!“ behauptete Habeck. Auch gegen grüne Widerstände in den Kommunen, aber das sagte er nicht. Stattdessen schimpfte er: „Diese Vergangenheitsbeschau ist einfach nervig!“
Wissenschaftlichste Expertise
„Taxonomie, Vorgaben für nachhaltiges Investment, lässt sich sicherlich noch ambitionierter formulieren“, dozierte die Politökonomin. Ihre Sorge: „Wir sind mit dem Anteil nachhaltige Finanzen sehr klein.“
„Wie verändert sich das möglichst schnell?“ fragte sie dann. „Indem wir sehr schlaue regulative oder standerdsetzende Vorgaben machen, sodass sich die Pioniere (umweltbewusste Unternehmen) sehr viel schneller noch wieder absetzen können, dass wir einen Race zum Tropf haben.“
Zum Schluss war auch noch von einem „virtuosen Zyklus von Innovation und Anpassung“ die Rede. Leute! Wir sind doch hier nicht im Hörsaal!
Gretchenfrage des Abends
„Was wird in fünf Jahren der Liter Benzin kosten? wollte Illner von Habeck wissen.
„Gegenüber den sieben, acht Cent, die jetzt draufgekommen sind, noch mal das Doppelte“, schätzte der Grüne.
Wackerste Positionierung
Danach wollte Illner Habeck mit dem Hinweis kitzeln, dass man bei der CO2-Bepreisung in seiner Partei schon weiter sei. Ihre spitze Frage: „Wird es gelingen, Annalena Baernock weiter zu einer Kanzlerkandidatin zu machen, die von Greta Thunberg genauso nett gefunden wird wie von Herrn Merz?“
„Alles über den Preis zu machen geht nicht“, antwortete Habeck. „Da bin ich teilweise auch in Differenz zu Leuten aus meiner Partei.“ Uff!
Temperamentvollstes Statement
Für Kofler war viel zu viel vom Staat die Rede. „Wir brauchen Innovationen!“ rief er in die Runde, „und ich glaube nicht, dass die von Staatskanzleien kommen, von Ämtern, sondern die kommen von leidenschaftlichen Unternehmern, von Erfindern, von risikobereiten Investoren. Sie debattieren hier über die politischen Rahmenbedingungen. Ich bin hier im richtigen Leben!“
Lustvollster Seitenhieb
Habeck nutzte ein Lob für Elon Musk zu einem Tritt ans Schienbein seines CSU-Kontrahenten Andreas Scheuer: Auch die deutsche Autoindustrie habe beim Elektroauto „Gewehr bei Fuß“ gestanden, „aber dann wurde ihr signalisiert, von schlauen Verkehrsministern: Packt das mal alles wieder weg, wir machen den sauberenn Diesel, Freunde!“
Drei Minuten später tat es ihm Leid: „Ich bin eben falsch abgebogen, weil ich diesen billigen Punkt gegen Andreas Scheuer machen wollte“, gestand er und fordert ganz unparteilich: „Die Aufgabe ist: Wie kommen möglichst viele Menschen möglichst kostenfrei von A nach B? Mobilität ist auch Freiheit!“
Letztes Gefecht
Beim Thema Heizen, Vermieter und Wohnungsbau kriegten sich die beiden Politiker noch einmal in die Haare: „Das ist ein Popanz, den Sie hier aufbauen!“ wütete der Habeck.
Altmaier hatte endgültig Hals und Faxen dick und wetterte zurück: „Sie haben das Gesetz nicht verstanden!“
„Wir haben das Gesetz gemacht, weil Sie es nicht hingekriegt haben!“ konterte Habeck. Hm – jetzt ging es hier zu wie im Bundestag.
Optimistischste Prognose
„Wenn es uns gelingt, dass die deutsche Wirtschaft in den nächsten Jahren wieder wächst und wir einen Teil dessen dafür verwenden, die sozialen Folgen dieses Klimaschutzes abzufedern“, hoffte Altmaier, „dann werden wir nicht alle arm, und wir müssen auch nicht aufhören, die Annehmlichkeiten des Lebens zu genießen.“ Howgh!
Kniffligste Frage
Zum Finale sollte Habeck auf den Grill: „Annalena Baerbock, 25.000 Euro übersehen“, meldete Illner über späte Nachreichungen meldepflichtiger Einkünfte. „Und Cem Özdemir, 20.000. Müssen Sie auch noch was nachmelden?“
„Ich bin ja nicht im Bundestag!“ antwortete Habeck cool. „Ansonsten ärgern sich die beiden Kollegen sicherlich am meisten darüber.“ Amen!
Fazit: Altmaier schmunzelt oft, und Habeck grient fast die ganze Zeit über süffisant, aber wenn’s drauf ankam, kloppten sich die beiden wie die Kesselflicker. Die Professorin steuerte Fachchinesisch bei und hämmerte zwischendurch wütend auf den Tisch. Das war ein Heißmangel-Talk der Kategorie „Hauen und Stechen“.