„maischberger. die woche“. ARD, Mittwoch, 4.Dezember 2019, 22.45 Uhr.
Juso-Chef Kevin Kühnert hat in der ARD-Talkshow „maischberger. die woche“ am Mittwoch die Lage der SPD mit einem vielsagenden Vergleich aus dem Fußball beschrieben.
„Sie wollten doch mal Sportreporter werden. Wo würden Sie denn jetzt die SPD sehen: Mittelfeld? Abstieg? 2-Liga?“ hatte die Talkmasterin Sandra Maischberger den ihrer Meinung nach „neuen starken Mann der SPD“ gefragt.
„Wir sind in einem Relegationsspiel“, antwortete der Juso-Chef, der als Strippenzieher bei der Wahl der neuen SPD-Vorsitzenden gilt und beim Parteitag am Wochenende selbst zum SPD-Vize gewählt werden möchte. „Es entscheidet darüber, in welche Richtung es geht!“
Zwei GroKo-Killer gewinnen die SPD-Wahl gegen zwei GroKo-Fans, alles macht sich auf einen Regierungswechsel gefasst, und jetzt heißt es plötzlich: April, April? Da wollte Maischberger mal den roten Pudding an die Wand nageln!
Mit dabei: Ex-ZDF-Moderator Peter Hahne, ARD-Moderatorin Susan Link („Morgenmagazin“) als Meisterin der talkshowtypischen Luftleimerei und „Spiegel“-Autor Markus Feldenkirchen – er steuerte einst zur Wahlschlappe der Bundes-SPD 2017 eine journalistische Hinrichtung des Kandidaten Martin Schulz bei.
Den unterhaltsamen Schluss besorgte Entertainer Thomas Gottschalk, der in seinem Huch „Herbstbunt“ den Kampf gegen das Älterwerden beschreibt.
Kurze Aufwärmphase
Die Drei an der Talk-Theke spulten erst mal mitgebrachte Sprüche ab. „Wir sind eine Gesellschaft zwischen zwei Freitagen“, spottete ARD-Link, „Friday for Future und Black Friday!“ „Wir erleben die Verzwergung von zwei Volksparteien: CDU und SPD!“ lästerte Hahne. „Spiegel“-Feldenkirchen forderte einen längeren Atem: „Wir müssen die Kurzfristigkeit in der Politik überwinden!“
Gönnerhaftester Spruch
Dann trat Kühnert aus dem Publikum ins Helle. Hahne empfing ihn in altväterlicher Weise: „Als ich anfing, Willy Brandt zu interviewen, haben Ihre Eltern noch nicht mal daran gedacht, dass sie heiraten und ein Kind bekommen würden!“
Maischberger wollte lieber über Politik reden: Ob Kühnert stolz auf die künftigen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sei?
So doof ist Kühner aber nicht, dass er in eine so plumpe Eitelkeitsfalle tappen würde: „Das habe ich ja nicht allein geschafft“, antwortete er. „Ich habe auch nicht 116.000 Parteimitgliedern den Stift geführt!“
Klarste Ansage
Die Talkmasterin hatte sich vorgenommen, den Juso-Chef mit der GroKo-Frage zu grillen. Damit kam sie aber nicht weit. Denn bei jedem passenden Zitat, mit dem sie ihn aus der Reserve locken will, zweifelte Kühnert einfach entweder die Quelle oder den Wortlaut an.
Listigste Frage
Dann machte Maischberger den schwer geschlagenen Finanzminister zum Tagesordnungspunkt: „Sollte Olaf Scholz jetzt zurücktreten?“
Doch Kühnert hielt auch hier gekonnt den Ball flach: „Er hat sich darum beworben, Mannschaftskapitän zu werden, und es nicht geschafft. Aber deshalb muss er jetzt ja nicht den Platz verlassen!“
Die Talkmasterin hoffte trotzdem auf ein Foul: Immerhin soll der Juso-Chef auf dem Parteitag zu Lasten von Scholz neuer Partei-Vize werden. „Hat er Ihnen Leid getan?“ fragte sie sanft.
„Das ist eine komische politische Kategorie“, erwiderte Kühnert kühl. „Ich habe keine Schadenfreude empfunden…“
Gretchenfrage des Abends
Maischberger rang tapfer um ein Statement zum Juso-Slogan „Nikolaus ist GroKo-Aus“. Doch auch bei der Frage nach einem Ausstieg der SPD aus der Regierung hielt Kühnert die Karten ganz dicht vor der Brust: „Das wird der Parteitag entscheiden!“
Die Talkmasterin ballerte immer neue Esken-Zitate raus, die den Plan belegen sollen, die GroKo zu killen. Und Kühnert konterte immer wieder mit Hinweisen auf den Parteitag, der über allen stehe: Esken habe sich ja nicht etwa zur „Diktatorin“ wählen lassen.
Als Maischberger trotzdem nicht lockerließ, fuhr Kühnert einen knallharten Konter: „Wir müssen bei der Sache bleiben!“ mahnte er und guckte plötzlich fast so böse wie Greta. „Wir können zwei Tage vor dem Parteitag hier kein Heiteitei machen!“
Über seine persönlicher Meinung sagte der Juso-Chef klipp und klar: „Ich bin immer noch auf der Position No GroKo. An meiner Haltung hat sich nichts geändert!“
Blumigste Nicht-Prognose
Weitere Erkundungsvorstöße Maischbergers wehrte Kühnert mit Sprüchen ab: „Ich bin nicht das Orakel von Delphi!“ – „Ich kann Ihnen kein Horoskop machen!“ – „Ich mache mir jeden Tag Gedanken, ich bin ja nicht zum Cocktailtrinken unterwegs!“
Auskunftsfreudiger wurde der Juso-Chef nur, als es gegen die CDU ging: Annegret Kramp-Karrenbauers Hinweis, die „Respektrente“ könne nur kommen, wenn die SPD in der Koalition bleibe, nennt Kühnert umstandslos einen „Erpressungsversuch“.
Nach der Jugend das Alter
Hahne wollte in dem Interview eine „Kurz-Entzauberung“ des Juso-Chefs beobachtet haben. Thomas Gottschalk dagegen sah das ganz anders: „Ich war beeindruckt von Kevin Kühnert“, erklärte er. „Er hat Visionen, und dass vermisse ich bei manchen älteren Politikern!“
Der Entertainer, mit 69 fast so alt wie die NATO („Aber mir geht es besser“), redete erst mal über die acht Tabletten, die er täglich nimmt: „Drei für den Blutdruck, eine gegen Asthma, eine gegen Allergien, bei den anderen weiß ich das nicht so genau.“
Interessanteste Erkenntnisse
Im Ping-Pong mit Maischberger sackte er immer wieder fett Beifall ein: „Der Notwendigkeit, vernünftig zu werden, verweigere ich mich!“ – „Im Alter ist das Aussehen eine Frage der Beleuchtung!“
Auch ein Kollegenfoul war dabei: Botox lehne er ab, sagt Gottschalk, „sonst ende ich wie Bohlen!“
Fazit: Ausdauerndes Dickbrettbohren, leider ohne Durchbruch, aber Tapferkeitsmedaille für die Talkmasterin. Von den Gästen Argumente wie aus dem Agitprop-Straßentheater, altfränkisches Pathos und viel Kokettiererei: Das war ein Talk nach Prediger 1,14: „Alles ist Eitelkeit und Geistesplage!“