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Impfstoff-Talk bei Anne Will: Der Bundesgesundheitsminister verspricht 36 Millionen Dosen

„Anne Will: Ohne Schonfrist: Gelingt der Ampel-Start in der Corona-Krise?“ ARD, Sonntag, 28.November 2021, 21.45 Uhr.

Die deutsche Politik kurz vor dem Viren-GAU: Die einen halten den Deckel fest, die anderen fummeln am Ventil, und einige stehen immer noch auf der Leitung.

Die Gäste:

Jens Spahn (41, CDU). Der Bundesgesundheitsminister auf Abruf führt allerletzte Abwehrgefechte.

Annalena Baerbock (40, Grüne). Die Außenministerin in spe will „die nächsten Tage nutzen, um sich ein ehrliches Bild zu machen“. Uff!

Christian Lindner (42, FDP). Der Chefliberale findet für seinen Kampf um bürgerliche Freiheitsrechte außerhalb seiner Partei kaum noch Verbündete.

Manuela Schwesig (47, SPD). Die wiedergewählte MeckPomm-Ministerpräsidentin lobt sich für niedrige Inzidenzen und geringe Hospitalisierungsraten.

Melanie Amann (43). Die Journalistin („Spiegel“) forderte schon im Februar bei „Anne Will“ eine „übergreifende Taskforce“ gegen die Pandemie.

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Start mit Selbstkritik

Spahn blickt auf die Zeit zurück, als Begriffe wie 2G (Geimpft/Genesen) aufkamen: „2G haben wir schon im August diskutiert“, gesteht er, das sei aber nicht möglich gewesen, „weil im Wahlkampf zumindest einige den Ungeimpften nicht dieses Signal senden wollten. Das war im Nachhinein falsch. Ich hätte da mehr insistieren müssen!“

Zum Boostern bekennt der Noch-Minister: „Wir haben Anfang September einen Beschluss zwischen Bund und Ländern gehabt, allen über 60-jährigen eine Auffrischimpfung anzubieten. Auch da hätte ich nachdrücklicher sagen müssen, dass das eben jetzt auch passieren muss!“

Aktuellster Anti-Corona-Katalog

Spahns Forderungen klingen wie eine Art Lockdown soft: Bundesweit Kontakte reduzieren, auch durch staatliche Entscheidung. Keine Großveranstaltungen. Feiern aller Art können nicht stattfinden. 2G+ (Geimpft/Genesen mit Antigen-Schnelltest) als Voraussetzung für Treffen im Innenraum, und auch dann mit Maske. Oha!

Sportlichste Attacke

„Wir haben im Sommer gesagt: Lasst euch impfen!“ erinnert Schwesig. Das gelte für „alle Politiker“, sie wolle da „keinen Parteienstreit“.

Aber, so die Ministerpräsidentin: „Offensichtlich ist es so, dass nicht alle Länder das gleich umsetzen. Bayern war bis vor kurzem ein Land, wo zu Fußballspielen zu viele Zuschauer kommen konnten, mehr als es unsere bundesweite Verabredung zugelassen hat.“

Ihr Ärger: „Ständig hat mein Fußballverein in MV, Hansa Rostock, gesagt: Warum dürfen wir nicht so viel wie Bayern?“

Konstruktivster Ansatz

Lindner denkt auch an die negativen Lockdown-Folgen: Gestern habe er vor einer Berliner Apotheke in der Schlange auf einen Test gewartet und sei von der Inhaberin eines Modegeschäftes angesprochen worden: Ihren Familienbetrieb gebe es seit über 60 Jahren, und ein weiterer Lockdown wäre das Ende.“

„In der nächsten Woche wird es einen Bund-Krisen-Stab geben, unter Leitung eines deutschen Generals“, kündigt der FDP-Chef dazu an. „Wir wollen bis Weihnachten viele Millionen Menschen zusätzlich boostern oder auch Erstimpfungen verabreichen.“

Lindners energische Forderung: „Jeder, der medizinisch verantwortbar eine Spritze halten kann, um eine Impfung zu geben, soll das in den nächsten Wochen tun!“ Auch wenn „die Ärzte das kritisch sehen, aus berufsständischen Interessen, die ich verstehen kann: Die müssen jetzt zurückstehen!“

Ärgerlichster Vorwurf

Will nervt den Chefliberalen mit unwillkommenen Lockdown-Andeutungen: Der Chef des Robert-Koch-Instituts, Prof. Lothar Wieler, fordere jetzt „alle Maßnahmen“ gegen die Pandemie einzuleiten“, und für den künftigen Bundeskanzler gebe es „nichts, was nicht in Betracht gezogen werden kann“.

„Sie wollen einen Konflikt inszenieren, der nicht besteht“, beschwert sich Lindner prompt und verteidigt schwungvoll das Infektionsschutzgesetz der Ampel: „Auch jetzt sind alle Möglichkeiten auf dem Tisch, aber wir haben dafür gesorgt, dass wieder das Parlament die Entscheidungen trifft!“

Optimistischstes Versprechen

Für die Impfstoffe kündigt Spahn an: „Wir werden in den nächsten Wochen jede Woche drei Millionen Biontech-Dosen und sechs Millionen Moderna-Dosen liefern. Das werden in den nächsten vier Wochen 36 Millionen Impfungen. Wenn die stattfinden, bin ich ein glücklicher ausscheidender Gesundheitsminister!“

Wichtigste Einschränkung: „Weder der Krisenstab noch das Impfen wird diese Welle, so wie sie jetzt ist, in dieser Höhe, mit dieser Belastung im Gesundheitswesen, brechen“, warnt Spahn „Das tun nur kontakteinschränkende Maßnahmen und ein klares Signal der Politik!“

Schlimmste Vision

„Wenn wir jetzt nicht alles tun, werden wir am Ende kein wirkliches Gesundheitssystem und keine Krankenhäuser mehr haben“, fürchtet Baerbock.

Ihre Forderungen: Deutschlandweit 2G, und „dass wir bei den Ungeimpften wirklich hart in die Kontaktbeschränkungen reingehen müssen“. Dazu „Großveranstaltungen komplett absagen“, auch kleinere wie die Weihnachtsmärkte, und Impfbusse „vor jeder Schule“.

Deftigster Verweis

Die alte Regierung zeigt vorwurfsvoll auf die neue, die neue zeigt auf die Länder, SPD und Grüne gucken auf die FDP“, bilanziert die Talkmasterin betreten. Ihre Kritik: „Die Ampel verspielt damit noch vor ihrem eigentlichen Start sehr viel Vertrauen!“

„Das Problem war, dass nie vorausschauend geplant wurde“, assistiert die „Spiegel“-Journalistin, „und wenn wir wirklich in der Scheiße saßen, gab es niemanden, der wirklich schnell und entschieden reagieren konnte.“ Oha!

Dann geht der Zoff so richtig los

Lindner nimmt Amann und Will aufs Korn: „Ich frage Sie, welche Experten sind es denn, die jetzt konkret gerade einen flächendeckenden pauschalen Lockdown fordern?“

„Mehrere Virologen“, antwortet die Talkmasterin ungerührt. Rumms!

Der FDP-Chef verteidigt noch einmal das neue Infektionsschutzgesetz: „Alle Maßnahmen, die gegenwärtig von den Experten gefordert werden, sind rechtlich möglich“, orgelt er.

„Nein!“ widerspricht die „Spiegel“-Frau und ruft die führende Wissenschaftsakademie in den Zeugenstand: „Die Leopoldina hat gesagt, das Gesetz ist ein ganz fatales Signal, weil mehrere Maßnahmen, die dringend notwendig wären, danach nicht mehr möglich sind!“ Aua…

Heftigster Wortwechsel

„Dann möge man mir diese konkreten Maßnahmen nennen“, fordert Lindner.

„Ich sag‘s Ihnen gerne“, legt Amann los und spielt auf den heftig kritisierten Baerbock-Spruch an, nach zehn Tagen werde die Ampel analysieren, wie es weitergeht. Stachlige Nachfrage der „Spiegel“-Frau an den FDP-Chef: „Soll ich es Ihnen direkt sagen, oder willen Sie zehn Tage warten?“

„Ich finde übrigens eine solche Polemik auch nicht ratsam!“ rüffelt Lindner die Journalistin. Die motzt trotzdem weiter: Mögliche Maßnahmen auszuschließen, „das ist für mich Ideologie!“

Verräterischste Mimik

Baerbock eilt dem neuen Koalitionspartner zu Hilfe: „Das Problem ist, dass diese Möglichkeiten nicht alle ausgeschöpft werden“, beteuert sie. „Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass sie alle komplett angewandt werden.“

Mit einem Blick auf die Journalistin fügt die Grüne-Chefin unwirsch hinzu: „Sie verdrehen die Augen!“

„Ich verdrehe die Augen, weil in Sachsen zurzeit mehr gemacht wird, als nach Ihrem Gesetz möglich ist“, kontert Amann. Soll heißen: Künftig auch im schlimmsten Fall kein Lockdown mehr.

Erschütterndste Szene

Der bewegendste Einspieler zeigt eine alte Frau aus dem Erzgebirgskreis. „Mein Mann ist an Corona gestorben“, schluchzt sie. „Ich war im Krankenhaus. Jetzt halte ich mich von meinen Enkeln fern, weil ich Angst habe, dass die was von der Schule mit nach Hause bringen. Und jetzt fahre ich auf den Friedhof…“

Ihre verzweifelte Klage: „Es ist doch unmöglich, was hier passiert! Das dürfte nicht sein! Und wenn im Sommer schon was gemacht worden wäre, dann wäre das alles nicht halb so schlimm!“

Verständlichster Wunsch

„Das ist wahrscheinlich der anspruchsvollste Regierungsübergang in der Geschichte der Bundesrepublik„, urteilt Spahn bedrückt. „Das tut alles wahnsinnig weh!“

Seine Hoffnung: „Ich würde gern auch mit meinem Nachfolger/meiner Nachfolgerin die Dinge besprechen, weil wir jetzt in einer schwierigen Phase die Übergabe machen…“ Den/die gibt es aber noch immer nicht.

Letztes Gefecht

Die Ministerpräsidentin teilt lieber noch einen Seitenhieb aus: „Herr Söder, alles, was er jetzt öffentlich fordert für Deutschland, kann er machen, muss er auch machen, ohne dass ich natürlich meinen bayerischen Kollegen dort vor Ort reinregieren will…“

Aber, so Schwesig weiter: „Es ist immer schwierig, dass die, die sich selber fragen müssen, habe ich schon genug getan, andere immer belehren.“ Heidewitzka, Frau Kapitän!

Fazit

Zwecklos-Fragen, Nullwert-Antworten, die dringend nötige Einigkeit wurde ständig beschworen, aber immer nur vorgetäuscht. Stattdessen Meinungsaustausch im Kesselflicker-Modus und peinliche Profilgefechte auf ermüdender Plattfußwache: Das war eine Talkshow der Kategorie: „Letzte Ausfahrt“.

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