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Impf-Talk bei Maybrit Illner: Warum der Ex-Revoluzzer Daniel Cohn-Bendit jetzt für Notstandsgesetze ist

„Maybrit Illner: Virus ohne Grenzen – hat Europa die Kontrolle verloren?“ ZDF, Donnerstag, 28.Januar, 22.25 Uhr.

Der Grüne-Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit, der seine Karriere in der Zeit der 1968er Studentenunruhen vor allem gegen umstrittene Notstandsgesetze begann, hat sich in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstag energisch für ein neues Notstandsgesetz eingesetzt.

Unterschied: Damals sollten neue Gesetze die Macht staatlicher Institutionen auch in Krisenzeiten absichern, heute geht es um bessere Möglichkeiten staatliche Einflussnahme auf die Produktion lebenswichtiger Impfstoffe bei Pharmafirmen.

Angriff der Mutanten, so hießen früher schlechte Filme. Heute geht’s dabei um schlechte Politik. Maybrit Illners Gäste:

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte: „Wir können das Virus nur stoppen, wenn Europa einig und stark ist.“

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte: „Die EU hat zu langsam und zu wenig Impfstoff bestellt!“

Cohn-Bendit warnte: „In einer Pandemie bringen nationale Alleingänge gar nichts.“

Die Politologin Cathryn Clüver Ashbrook klagte: „Die USA haben genug Impfstoff, aber die Verteilung funktioniert schlecht.“

Die Journalistin Tonia Mastrobuoni („La Repubblica“) weiß: „Italien droht mit einer Klage gegen die Impfstoffhersteller.“

Diana Zimmermann, ZDF-Studiochef in London, stellt fest: „Die Briten impfen schneller und konsequenter als die Deutschen!“

 

Eine Talklandschaft mit Vulkanen und tückischen Bruchlinien. Altmaier gab die Marschrichtung: „Diese Virusmutationen sind ein wirklicher Notfall“, machte er gleich im ersten Satz klar. „Es besteht die Gefahr, dass es zu Rückschlägen kommt!“

Seine dramatische Warnung: „Es geht um wenige Tage, um zu verhindern, dass sich diese Mutationen, vor allem die, die viel ansteckender ist als das übliche Virus, unkontrolliert ausbreiten!

Persönlichste Klage

Der alte Bürgerschreck Cohn-Bendit hat nicht nur die Tonsur, sondern auch die milde Denkungsart Joe Bidens adaptiert. „Ich bin seit einem Jahr nicht in Frankreich gewesen“, klagte er. „Ohne Test kommen Sie nach Frankreich nicht rein! Und Sie müssen dann zehn Tage in Quarantäne!“

„Sie wollen eine europäische Zuständigkeit für Gesundheit? Ich auch!“ schmetterte der Grüne dann der Talkmasterin entgegen. „Fünfzehn Jahre lang haben wir dafür gekämpft! Aber die Nationalstaaten wollten das nicht…“

Unwillkommenste Idee

Die Talkmasterin brachte Putins Impfstoff ins Thema und peilte den FDP-Chef an. „Man müsste fast zynisch fragen: Soll sich die Bundesregierung auch an Moskau wenden? Frau Merkel hat Unterstützung zugesagt bei der Zulassung von Sputnik V!“

Lindner holte tief Luft. „Dass wir im internationalen Rahmen von G20 über die Frage des Impfens sprechen sollten, würde ich ausdrücklich bejahen“, antwortete er dann mit diplomatischer Vorsicht.

Weitblickendste Ankündigung

Denn, so der Liberale drastisch: „Wir stehen vor einer Menschheitsproblematik. Wir müssen uns auf Sicht der nächsten 18 Monaten mit den Gesellschaften beschäftigen, die über nicht genug finanzielle Mittel verfügen.“

„Und da haben die entwickelten Nationen eine Verantwortung im G20-Kontext“, fügte Lindner ohne Wenn und Aber hinzu. „Da wären Russland und China mit dabei.“

Fundierteste Kritik

Als nächstes nahm Lindner Brüssel auf die Hörner: „Ganz offensichtlich gab es die Befürchtung, zu viel zu zahlen“, vermutete er, „und deshalb ist zu wenig zu langsam bestellt worden!

Dann kam bei ihm der Wirtschaftsliberale durch: „Unternehmerisches Denken wäre gewesen, wenn die EU gesagt hätte: Wir kaufen jetzt alles, was wir bekommen können, im Zweifel mehr, als wir jetzt brauchen, und geben es dann in die Welt ab“, dozierte er.

Gelungenste Defensivaktion

Der Wirtschaftsminister setzte wieder zu einer seiner sattsam bekannten Verteidigungsreden an: „Niemand wusste, welcher Hersteller als erster ein taugliches Impfserum auf den Markt bringt…“

Viel weiter kommt er diesmal aber nicht, denn Illner wollte sich die kostbare Sendezeit nicht mit den immer gleichen Erklärungen zutexten lassen: „Das haben wir hier schon ganz, ganz häufig diskutiert“, grätschte sie den Minister ab.

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Eine andere Info Altmaiers war dagegen willkommen, und auch sie betraf das Impfstoffdesaster: „Am Ende stellte sich heraus, dass es Nachbarstaten von uns waren, mit denen wir sehr eng befreundet sind, die einfach übersehen hatten, aus technischen Gründen, eine gewisse Frist, um die Bestellung abzugeben.“

Konsequenz, so der Minister: „Da steht man vor der Frage: Sagt man jetzt Ätsch, Ätsch, da habt ihr Pech gehabt? Oder sind wir solidarisch?“

Vernünftigste Vorschläge

Lindner legte Lösungsmöglichkeiten auf den Tisch: Nicht nur an Lockdown und Impfstoff denken, sondern auch wieder mehr an Luftfilter, Digitalisierung oder Einsatz der Bundeswehr. Neue Impfpriorisierung mit besserer Berücksichtigung der Behinderten, aber auch der Lehrer und Erzieher.

Dann gab’s Zoff

Lindner kritisierte die Einstellung des Gesundheitsministers, sie sei nicht zielstrebig genug. Altmaier verteidigte den Kabinettskollegen, und schon ging ein heftiger Schlagabtausch los. Altmaier: „Darf ich auch mal was sagen!“ – Lindner: „Ich war ja noch gar nicht fertig mit meinem Punkt!“ – Altmaier: „Dann ist die Sendung vorbei, wenn Sie fertig sind!“

Größtes Kompliment

Aus London wurde ZDF-Korrespondentin Zimmermann zugeschaltet. Dort sammelt Premierminister Boris Johnson jetzt durch seine schnellen Impfstoff-Käufe jede Menge Sympathiepunkte. „Das hätten die EU-Staaten auch können“, kritisierte die Journalistin nun.

„Das schaffen die Engländer“, lobt Cohn-Bendit mit Emphase. „Das haben sie im Zweiten Weltkrieg gezeigt. Sie können in Gefahr und höchster Not eine unheimliche Mobilisierung schaffen.“ Und mit Betonung: „Das ist British spirit!“

Politischster Gefühlsausbruch

„In Europa gibt es die größten Chemieunternehmen fast der Welt“, rief Cohn-Bendit danach in die Runde und hackte mit den Handkanten durch die Luft. „Wenn die EU, wenn der deutsche Wirtschaftsminister die alle an die Kandare nimmt, Lizenzproduktionen zu machen für Europa, dann soll BASF kein Glyphosat mehr produzieren, sondern Impfstoff!“

Heiterkeit in der Runde! Doch der Grüne blieb knochenernst und redete sich jetzt sogar in Rage: „Das ist nicht zum Lachen! Wir müssen jedes Jahr 350 Millionen Menschen impfen! Es ist Notstand! Und da müssen wir eine Notstandsgesetzgebung für die Produktion haben!

Hm – startete Cohn-Bendit nicht seine Karriere, als Studenten 1968 gegen Notstandsgesetze auf die Barrikaden gingen? Lange her!

Amüsantester Dialog

Altmaier rühmte die neuen Impfstoffe: „Das ist eine Riesen-Innovation, die ja in Deutschland mit entwickelt worden ist!“

Der alte Multikulti-Kämpfer Cohn-Bendit hob gleich zwei Finger: „Und zwar von Migranten!“ ruft er triumphierend. „Türkischen Migranten!“

Lindners Konter zielt auf einen anderen, noch sensibleren Punkt der Grünen: „Mit Gentechnik!“ sagt er fröhlich.

„Völlig richtig“, gab Cohn-Bendit nach kurzer Verblüffung zu, „aber das ist nicht die gleiche Gentechnik…“

Unbequemste Frage

Solange wir nicht die Welt geimpft haben, werden wir immer im Risiko sein“, warnte der Grüne noch.

Die Talkmasterin packte ein heißes Eisen an: die Zwangsproduktion von Impfstoff auf Befehl der Regierung. „Ist das eine gute Idee?“ wollte sie wissen.

Altmaiers Antwort: „Wenn wir feststellen, man könnte einen Impfstoff von Curevac, von Biontech, von wem auch immer in einer anderen Einrichtung produzieren, dann muss darüber gesprochen werden!“

Stärkste Drohung

„Wir haben dazu auch schon Vereinbarungen erzielt“, berichtete der Minister dazu. So kooperiere Curevac jetzt mit dem Chemiegiganten Bayer.

Altmaiers Drohung: „Wenn das irgendwo scheitern sollte, weil es keinen guten Willen gibt, dann wäre ich bereit, in einem solchen Fall auch über Zwang zu sprechen!“

Überraschendste Antwort

Aus Washington wurde Politologin Clüver Ashbrook zugeschaltet. Ob sie glaube, dass Trump „wenigstens in Sachen Impfstoff Gutes für sein Land getan hat?“ fragte die Talkmasterin.

Noch bevor die Politologin antworten konnte, sagte

Cohn-Bendit laut und deutlich: „Ja!“

Das musste auch Clüver Ashbrook zugeben. Für ein Trump-Lob reichte es aber trotzdem nicht: Zwar habe die Beschaffung der Impfstoffe geklappt, nicht aber die Verteilung…

Wichtigster Aufruf

Zum Schluss feuerte Cohn-Bendit den entscheidenden Appell ab: „Wir müssen in den nächsten Monaten so schnell wie möglich in Europa mehr produzieren!“ forderte er.

Die beiden anderen nickten, und der Grüne fügte hinzu: „Und, da hat Herr Lindner Recht, Lizenzen kann man nicht enteignen, aber Lizenzen kann man kaufen. Da müssen wir investieren…“

„Genau!“ sagte der FDP-Chef.

Zufrieden machte Cohn-Bendit den Sack zu: „Das zu beschleunigen ist die Aufgabe der Bundesregierung!“

Verblüffendster Treueschwur

„Da sind wir uns einig“, bestätigte Altmaier.

„Also sind wir uns hier zu dritt einig“, stimmte auch Lindner zu. „Machen wir das so!“

Jamaika lebt! „Die FDP, die Grünen, die CDU“, fasste Cohn-Bendit zusammen, „und die SPD macht eh alles mit!“

„Ich hätten nicht gewagt, es zu sagen“, jubelte die Talkmasterin, „aber es könnte eine historische Sendung werden.“ Hosianna!

Fazit: Herzhafte Breitseiten gegen parteigeistige Vorurteile, Flughöhe weit über jedem ideologischen Flachsinn, die bestens aufgelegte Runde fing jeden Ball, den die Talkmasterin warf: Das war ein Talk der Kategorie „Vier Sterne“.

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