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Impf-Talk bei Maybrit Illner: Lauterbachs Zoff-Duell mit Braun wegen Impfungen im Pflegeheim

„Maybrit Illner: „Inzidenz steigt, Immunität sinkt – wieder Winter, wieder kein Plan?“ ZDF, Donnerstag, 4,November 2021, 22.15 Uhr.

Die vierte Virus-Welle überrollt das Land: Rekord-Infektionszahlen, überfüllte Intensivstationen, erbitterter Impf-Streit! Maybrit Illner gruselt sich.

Ihre Gäste:

Helge Braun (49, CDU). Der Kanzleramtsminister ächzt: „Ich hätte ich mir diesen Winter gerne erspart!“

Karl Lauterbach (58, SPD). Der Gesundheitspolitiker schlägt Alarm: „So gefährden wir Weihnachten!“

Prof.Christine Falk (55). Die Chefin der deutschen Immunologen warnt: „Wir haben zu viele Menschen, die nicht geimpft sind!“

Andreas Gassen (59). Der Chef der deutschen Kassenärzte fordert, die Politik solle „die Regeln nicht alle paar Wochen ändern“.

Stephan Pusch (53, CDU). Der Landrat aus dem 2020 besonders betroffenen Heinsberg wurde nach der Pandemie wiedergewählt, das sagt alles.

Michael Bewerunge (60). Der Journalist leitet das ZDF-Studio Tel Aviv.

Jetzt kommt die Booster-Impfung, gibt’s dazu eine Booster-Info?

Zum Start eine Beruhigungspille

„Der Impfstoff ist extrem wirksam“, freut sich die Immunologin. Allerdings: „Bei einigen wenigen Menschen nimmt der komplette Schutz ein bisschen früher ab.“

Der Delta-Variante darf man keinen Millimeter Raum lassen“, warnt sie deshalb, „sonst schafft sie es doch, durch diese Abwehr in den Nasen-Rachen-Raum zu kommen und Menschen zu infizieren.“

Und: „Wir haben ein immunologisches Gedächtnis, und das ist manchmal besser als das Gedächtnis im Köpfchen.“

Griffigster Vergleich

„Wir sollten versuchen, da ein bisschen Ruhe reinzubekommen“, rät Gassen, aus Düsseldorf zugeschaltet, zu den Infos über Infektionen auch noch nach dem Nadelstich. „Diese Menschen brauchen eine dritte Impfung, eine Auffrischungsimpfung, und das können wir auch leisten.“

Dazu zitiert der Mediziner, was die Immunologin „heute früh sehr schön im Ministergespräch erklärt“ habe: „Es ist nicht so, dass der Impfschutz wie bei einem Zeitschriften-Abo, wenn das ausläuft, am nächsten Tag verschwunden ist, sondern der wird dann graduell weniger.“

Zornigster Kommentar

Man kann die Uhr danach stellen, wann mehr Menschen sich infizieren werden“, sorgt sich Lauterbach. Irgendwann würden „alle doppelt Geimpften“ betroffen sein. Unterschied: „Die Jüngeren erkranken nicht so schwer, die Älteren erkranken sehr schwer!“

Kanzleramtsminister Braun ist über den mangelhaften Schutz der besonders gefährdeten Gruppen richtig sauer: „Das ist dieses Jahr noch ärgerlicher als im letzten!“ wettert er. „Dass das so schleppend beginnt, ist wirklich ein ganz großer Schaden. Das führt zu unnötigen Todesfällen!“

Empörteste Kritik

„Ich habe bis heute nicht verstanden, warum man eigentlich nicht in so einer nationalen Notlage sagt: Wir brauchen eine Art Bundeskrisenstab!“ wundert sich Landrat Pusch.

„Diese ganze Kakophonie von unterschiedlichen Stimmen von Ministerpräsidentenkonferenzen und dergleichen!“ ärgert er sich. „Das sind ja eigentlich keine Gremien, die in irgendeiner Sicht krisentauglich sind!“

Bedenklichste Analyse

Dem Kanzleramtsminister macht eher ein Vergleich der aktuellen Corona-Varianten Sorgen: „Die Anzeichen sind den ganzen Sommer über schon so, dass Delta uns mehr Probleme macht als der Wildtyp im letzten Jahr“, erklärt er.

Über Pläne, in Alten- und Pflegeheimen wieder mehr zu testen, sagt Braun: „Ich bin jetzt dafür, dass wir das gesetzlich vorschreiben!“

Klarste Ansage

Er sei „eigentlich davon ausgegangen, dass da getestet wird“, erklärt der Minister dazu, aber: „Teilweise ist die Situation zu leicht genommen worden. Deshalb müssen wir jetzt sehr schnell konsequent testen. Das wird vom Bund bezahlt. Und das Angebot einer Auffrischungsimpfung muss auch sehr zügig erfolgen!“

Deutlichste Kritik

„Es ist, glaube ich, auch ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn wir, wie Herr Braun es ankündigt, sagen, wir machen eine Testpflicht für Besucher im Pflegeheim, die vielleicht doppelt geimpft sind“, warnt der Kassenärztechef.

Denn: „Die Besucher müssen sich testen lassen, wenn sie ihre Angehörigen besuchen, und dann arbeitet vielleicht die Hälfte der Belegschaft ungeimpft. Das ist schwer auszuhalten!“

Anderseits dürfe man dem Pflegepersonal nicht etwa mit einer Impfpflicht drohen, weil, so Gassen, „dann vielleicht ein Teil gar nicht mehr zur Arbeit kommt.“ Uff!

Schärfste Drohung

„Kontakt zu Patienten, wenn man nicht geimpft ist, dürfte es normalerweis überhaupt nicht geben“, fordert Lauterbach. „Wir brauchen eine verbindliche Regelung, dass in einer Pflegeeinrichtung jeder getestet sein muss, der dort arbeitet oder jemanden besucht.“

Seine knallharte Ansage: „Das muss dokumentiert werden, mit Unterschrift. Und wenn es Betrug gibt, dann würde das auch das Strafrecht zur Folge bringen.“ Rumms!

Alarmierendste Zahlen

„Wenn wir es nicht schaffen, auf über 75 Prozent doppelt Geimpfte in der Bevölkerung zu kommen, haben wir ein Risiko, dass die (Infektions-)Zahlen ansteigen“, warnt die Immunologin.

„Es gibt eine sehr gute Projektion, nach der die Inzidenz bis Januar insgesamt auf 250 bis 400 (Infizierte pro 100.000 Einwohner/Woche) steigen wird“, berichtet Lauterbach. Für die Gruppe der Ungeimpften bedeute das Inzidenzen von weit über 1000: „Die tragen das maximale Risiko!“

Trickreichste Attacke

Zur Debatte um die „Epidemische Lage von nationaler Tragweite“ erinnert Braun an den Brief, in dem Gesundheitsminister Jens Spahn der künftigen Regierung schrieb, Corona-Beschränkungen brauche man trotzdem auch weiterhin.

„Sie würden sie nicht auslaufen lassen?“ erkundigt sich die Talkmasterin.

„Das ist jetzt obsolet“, antwortet Braun, „weil die Ampelkoalitionäre entschieden haben, sie auslaufen zu lassen. Da bin ich Realist. Das muss ich wahrscheinlich hinnehmen. Ich finde das Symbol vollkommen falsch.“ Hm – kam das aber nicht von seinem Parteifreund Spahn?

Schlauestes Schwarzer-Peter-Spiel

„Sie müssen in der Kommunikation zwei Dinge beachten“, doziert der Kanzleramtschef mit erhobenem Zeigefinger. „Das eine ist, dass die Koalitionäre die ganze Zeit betonen, es sind nur noch milde Eingriffe nötig, es ist eine auslaufende Pandemie, das geht jetzt nur noch bis März und das sind nur noch nachlaufende Effekte.“

Sein gepfefferter Vorwurf: „Diese Kommunikation dieser künftigen Corona-Politik ist in der jetzigen Lage einfach falsch!“

Prompt schlägt die Zoff-Messung an

Lauterbach keilt sofort zurück: „Wir sind bei der Bewältigung dieser Krise immer gut gefahren, dass wir Corona-Politik nicht zu einer preiswerten Parteipolitik gemacht haben“, rüffelt der SPD-Politiker den CDU-Minister.

Denn, so der Gesundheitspolitiker weiter: „Als wir den einen oder anderen gemeinsamen Erlass gemacht haben, da sind wir von der Opposition nicht kritisiert worden. Die haben sich zurückgenommen, auch wenn sie manchmal anderer Meinung waren!“

Dialog des Abends

„Ich finde es schade, dass Sie jetzt sagen, die Ampel-Koalition ist schuld“, sagt Lauterbach Braun über den Tisch ins Auge. „Ich könnte jetzt zum Beispiel sagen, dass Jens Spahn mit seinem Vorpreschen uns unter Druck gesetzt hat. Aber ich sage das gar nicht.“

Heiterkeit in der Runde! „Aber Sie haben das gerade gesagt“, merkt die Talkmasterin an.

„Nein, das habe ich nicht gesagt“, grient Lauterbach. „Ich habe nur gesagt, was ich nicht sagen würde.“ Die anderen lachen sich schlapp über so viel Chuzpe.

Tröstlichste Botschaft

Schulschließungen werde die neue Regierung nicht machen, verspricht Lauterbach dann. Auch keinen zweiten Lockdown. Aber: „Wir werden den Ländern selbstverständlich alles geben, was sie benötigen, um hier wirklich richtig reingehen zu können.“

Aus Tel Aviv wird ZDF-Korrespondent Bewerunge zugebeamt und preist die israelischen Booster-Impfungen: „Die wirklich massive vierte Welle, wir sprechen von Inzidenzen, die wir in Deutschland noch gar nicht gesehen haben, von über 700, die hat man damit überstanden!“

Interessanteste Info

Die FDA hat gerade den neuen Impfstoff für die Fünf- bis Zwölfjährigen freigegeben“, schildert der Korrespondent Israels Corona-Politik.

Sein wichtigster Satz: „Man kann davon ausgehen, dass die Entscheidung über die Impfung sehr zeitnah fällt, denn das wird als entscheidender Schritt gesehen, um zu einer Herdenimmunität zu kommen.“ Masel tov!

Fazit

Das Zoff-o-Meter wurde zwar nicht ganz arbeitslos, doch die disziplinierten Diskutanten und die Softballfragen der Talkmasterin dimmten die Debatte in den Schonbereich herunter und merkelten die meisten Meinungsunterschiede weg. Das war ein Talk der Kategorie „Stil und Form“.

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