„maischberger. die woche“. ARD, Mittwoch, 10.November 2021, 23.05 Uhr.
Die Intensivstationen laufen voll, die Ampel-Verhandlungen auf vollen Touren und unsere Politiker bei Lukaschenko voll gegen die Wand. Höchste Schwierigkeitsgrade für Sandra Maischbergers „Woche“-Talk!
Die Gäste:
Prof.Karl Lauterbach (58, SPD). Der womöglich nächste Gesundheitsminister hofft, „dass Joshua Kimmich sich noch für die Impfung entscheidet.“
Christine Aschenberg-Dugnus (62, FDP). Die Gesundheitspolitikerin will „mit Streetworkern, Influencern und den Menschen sprechen, die in den Communities etwas zu sagen haben“.
Swetlana Tichanowskaja (39). Die weißrussische Politikerin kämpft aus dem Exil für ihr geschundenes Land.
Melanie Amann (43). Die Journalistin („Spiegel“) rechnet mit Friedrich Merz als neuem CDU-Chef.
Helene Bubrowski (40). Die Journalistin (FAZ) hat gute Kontakte zu den grünen Ampelbastlern.
Jürgen Becker (62). Der TV-Kabarettist klöppelte seine „Mitternachtsspitzen“ von 1992-2020.
Alle haben viel zu sagen, aber leider nichts, was wir gern hören würden.
Zum Start ein Wutanfall
„Montgomery hat Recht: Es ist die ‚Tyrannei der Ungeimpften‘!“ zitiert Becker völlig humorlos den harten Spruch des Weltärztechefs am Montag bei Anne Will.
„Ich bin es einfach satt!“ ruft der Kabarettist hinterher und haut mit der Faust auf den Talk-Tresen. „Ich will eine Impfpflicht für alle!“
Rigidester Standpunkt
„Man darf Impfgegner sein“, gesteht Becker zu, „ich bin da sehr tolerant – nur: Im Moment geht das halt nicht! Das ist wie Segelfliegen: Ein tolles Hobby, aber wenn jetzt die Zahlen steigen, Windstärke acht, dann kann man das Hobby nicht ausführen!“
Sein Lösungsvorschlag: „Die müssen sich impfen lassen, und danach können sie wieder Impfgegner sein…“
Durchschlagendste Forderung
Der FAZ-Journalistin gefällt der „inflationäre Gebrauch von drastischen Vokabeln“ nicht. Die Kollegin vom „Spiegel“ will es „salomonisch machen“: „Ich teile den Brass auf die Ungeimpften, aber bei einer Impfpflicht gäbe es wirklich Mord und Totschlag.“
Becker macht trotzdem keine Gefangenen: Für Impfgegner schlägt er Strafen vor „wie bei der roten Ampel, drei Punkte in Flensburg und 1000 Euro!“
„Die Impfung ist das, was wir haben, um aus diesem Mist rauszukommen“, poltert er. Aber: „Es gibt ein paar Millionen Leute, die machen da nicht mit. Das ist pubertäres Verhalten! Ich erwarte da einfach einen Staat, der auch mal stark ist!“
Vertraulichste Mahnung
Die FDP-Gesundheitspolitikerin und der SPD-Gesundheitspolitiker erscheinen beide in Rot und Schwarz. „Fast im Partnerlook!“ kommentiert die Talkmasterin. „Die Farben sind schon angepasst. Mögen Sie sich jetzt auch?“
Aschenberg-Dugnus lobt die Stimmung: „Das ist ein positiver Geist.“
„Herr Lauterbach, duzen Sie sich jetzt?“ will Maischberger wissen.
„Sag‘ jetzt nichts Falsches, Karl!“ mahnt die Liberale. Heiterkeit im Saal!
Bedrohlichster Alarmruf
Dem kleinen Geplänkel folgt eine todernste Warnung: „Ich glaube, die Welle wird katastrophal werden“, fürchtet Lauterbach. „Die Delta-Variante ist sechs Mal so ansteckend. Wenn ich ein Drittel Ungeimpfte habe, dann erwischt es dieses Drittel ganz, ganz hart. Ultrahart!“
„Ich weiß, dass ich dafür wieder beschimpft werde“, fügt er hinzu. „Aber wir sehen dramatische Umstände, und da ist noch kein Ende in Sicht. Wir sind in einer absoluten Notlage! Die Lage ist nicht unter Kontrolle!“
Ein ARD-Einspieler zeigt jubelnde Zuschauer der ZDF-Show „Wetten, daß…?“ Maischbergers Sorge: 2500 Menschen in einem Studio. Thomas Gottschalk hat gesagt: Alle geimpft, genesen und/oder PCR-getestet, also 3G plus. Ist das dann safe?“
Deutlichste Bruchstelle
„Wenn Geimpfte, Genesene und PCR-Getestete zusammenkommen, dann ist das sehr sicher“, lobt Lauterbach. Gefährlich sei allerdings, wenn dabei nur Antigentests gemacht würden. Deshalb sei eine 2G-Regelung im Grunde sehr viel besser: Nur Geimpfte und Genesene und überhaupt keine Leute nur mit Tests. Ui!
„Nein!“ widerspricht Aschenberg-Dugnus. „Wir haben ja in letzter Zeit gesehen, dass 2G eine Scheinsicherheit gibt.“ In vielen Veranstaltungen nur mit Geimpften und Genesenen hatten sich Besucher gegenseitig angesteckt, weil Geimpfte das Virus weitergeben können. „Ich kann mir 3G eher eine Sicherheit erreichen als mit 2G“, behauptet sie. Uff!
Dann geht der Zoff los
„Wenn ich eine 3G-Veranstaltung habe, und da sind Ungeimpfte dabei, die sehe ich dann zwei Wochen später auf der Intensivstation!“ unkt der SPD-Mann. „Nur mit 3G kommen wir aus dieser harten Welle nicht heraus!“
„Also das ist natürlich eine eigene Meinung von dem Kollegen Lauterbach“, kontert die FDP-Frau. Sie selbst spreche mit Experten wie Hendrik Streeck und erfahre dabei, „dass es auch andere Einschätzungen gibt.“
Klarste Kante
Auch über das Auskunftsrecht der Arbeitgeber gibt es Streit. Soll der Chef nach der Corona-Impfung fragen dürfen? „Das wäre wünschenswert“, erklärt Aschenberg-Dugnus, aber: „Wir wollen das parlamentarisch regeln. Wir haben morgen die erste Lesung, Montag die Anhörung…“
Lauterbach ist schon jetzt klar, „dass es in der katastrophalen Situation, in der wir jetzt sind, dieses Auskunftsrecht geben muss!“
Und: „Es wird mir im Moment einfach zu viel Parteipolitik gemacht!“
Einprägsamstes Beispiel
Vor zehn Tagen hat sich Lauterbach mit der Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht über die Frage gefetzt, wie sicher Impfungen seien. Jetzt kartet er nach.
„Frau Wagenknecht hat einfach Unrecht!“ wettert er. „Was sie sagen kann, ist, das die Impfung nicht PERFEKT vor der Ansteckung schützt. Aber sie sagt: Die Impfung schützt NICHT vor der Ansteckung. Das ist ein Riesenunterschied!“
Sein Beispiel: „Ein Airbag schützt nicht vor dem Tod am Steuer. Aber er schützt sehr oft. Und so ist es auch mit der Impfung!“
Dramatischster Appell
Damit es nicht einen Weihnachtes-Lockdown gebe, fordert Lauterbach: „Wir müssen 2G sofort flächendeckend einführen! Und das Entscheidende ist: Das muss ganz streng kontrolliert werden.“
Sein drakonische Strafforderung: „Wenn ein Restaurant nicht kontrolliert und auffällt: Sechs Wochen Schließung!“
Die größte Sorge des Experten: „Wir können jetzt nicht so schnell impfen, wie die Leute den Impfschutz verlieren!“
Kabarettistischste Analyse
Becker bangt um die fünfte Jahreszeit: „Es ist für den Psychohaushalt des Rheinlandes eine Katastrophe, wenn der Karneval jetzt noch mal abgesagt wird!“ entsetzt er sich.
Denn: „Das Oktoberfest in München konnte man problemlos absagen. Das besteht ja nur aus Saufen, Kotzen und Lederhose. Der Karneval in Köln ist ganz anders. Der hat gar keine Lederhosen!“
Aktuellste News
FAZ- Bubrowski will kurz vor dem Talk gehört haben, dass die Grünen „nicht mehr mit aller Vehemenz auf dem Finanzministerium beharren“.
Ihre Erklärung: „Hintergrund ist offenbar, das Christian Lindner das Finanzministerium mit einer solchen Vehemenz fordert, dass, wenn die FDP es nicht bekäme, er schon gedemütigt in die Koalition ginge.“ Ach du meine Güte…
Spannendste Vorhersage
Die Grünen würden nun außer dem Außenministerium nur die „klassischen Transformationsministerien“ wollen, also „Landwirtschaft, Verkehr, Klima“, schwadroniert die Journalistin weiter. „Damit geben sie ein Stück weit den Anspruch auf, den sie sehr klar formuliert haben: den Ausgriff in andere Milieus…“
Knalligste Analyse
Becker hat die SPD-Chefin zur Gewinnerin der Woche erklärt. „Wenn Frau Esken den Mund aufmacht, hat die SPD sofort drei Prozent weniger“, witzelt er. „Man hört ihr einfach nicht gerne zu. Die hat Recht, aber ich will es nicht von ihr hören!“
Sein Eindruck: „Das kommt von Jogi Löw, dass der schwäbische Dialekt einfach verbraucht ist!“
Aber, so der Kabarettist: „Das Tolle ist, dass sie es trotzdem geschafft hat. Die SPD hat trotzdem gewonnen!“
Strengstes Urteil
Der Union verpasst der Kabarettist eine Klatsche: „Die CDU verlor die meisten Wähler gar nicht an die Sozialdemokraten, sondern an die Bestatter!“ spottet er. „Was sie jetzt bräuchte, wäre ein Wahlrecht für Verstorbene. Daher kommt übrigens der Begriff ‚Wahlurne‘.“ Riesengelächter und Beifall im Publikum!
Bewegendste Erklärung
Swetlana Tichanowskaja stellt den Talk wieder auf Ernst. „Ich verstehe, dass ich eine Zielscheibe bin“, sagt sie über den belorussischen Diktator Lukaschenka und seine mörderischen Schergen. „Ich habe Angst um meinen Mann, um meine Kinder, um viele Tausend Menschen.“
Ihr erschütterndes Statement: „Meine Kinder sehnen sich nach ihrem Vater. In Belarus sind Tausende Familien zerschlagen. Wir haben Familien, wo Vater und Mutter im Knast sitzen, und die Großmutter muss auf die Kinder aufpassen.“
Deprimierendste Schilderung
„In Belarus kann jeder sofort ins Gefängnis geworfen werden“, berichtet die tapfere Oppositionspolitikerin, sogar schon für „das Tragen von T-Shirts mit unseren nationalen Farben.“
Und: „Die Polizei macht schreckliche Dinge. Man kann einem einen Sack über den Kopf ziehen vor den Augen der Kinder. Grausam!“
Hoffnungsvollste Erwartung
„Unser Widerstand bleibt“, verspricht sie. „Er ist nicht offen, aber unsere Arbeiter vereinigen sich. Wir führen Kontakte im Regime, die auf unserer Seite sind. Wir bekommen Videos, die die Grausamkeit des Regimes entlarven.“
„Wir würden uns wünschen, dass die Unterstützung für Belarus Priorität bei der Außenpolitik der neuen Bundesregierung bekommt“, sagt sie zu Schluss. Und zur Flüchtlingskrise rät sie: „Man muss jetzt Stärke zeigen!“
Fazit
Exakte Bewertungen, gescheite Analysen, wuchtige Argumente: Das war ein Talk der Kategorie „Presslufthammer“.