„Maybrit Illner: Teure Energie – entlasten, sparen, rationieren?“ ZDF, Donnerstag, 18.August 2022, 22.25 Uhr.
Deutschlands Politiker im Gas-Chaos: Die einen stehen auf der Leitung, die anderen haben den Knall nicht gehört, und der brave Bürger zahlt die Zeche. Maybrit Illners Gäste:
Omid Nouripour (47, Grüne). Der Parteichef setzt lieber auf klimakillende Kohle als auf klimaschützende Kernkraft.
Jens Spahn (42, CDU). Der Parteivize piesackt rotgrüne Ideologen seit Wochen mit dem Rat, Atommeiler länger laufen zu lassen. Provozierender Tabubruch!
Janine Wissler (41, Linke). Die Parteichefin kontert jede neue Ideen mit den immer gleichen alten Argumenten.
Arndt G. Kirchhoff (67). Der Unternehmer mahnt: „Niemandem ist geholfen, wenn er es warm, aber keine Arbeit mehr hat!“
Klaus Müller (51, Grüne). Der Chef der Bundesnetzagentur wehrt sich mit aller Kraft gegen eine Atom-Wende: „Wir nutzen jetzt Kohlekraftwerke, so bitter das ist.“
Eckart von Hirschhausen (54). Der ARD-Entertainer eckte mit dem Zeigefinger-Vorschlag an, die Stromrechnungen von Nachbarn moralisch zu vergleichen.
Starre Leitlinien von einst gegen flexible Lösungsvorschläge von heute. Das Zoff-o-Meter ist gespannt: Gibt es neue Zwischentöne?
Nebligste Ankündigung
Der Grüne-Chef darf die Anklageschrift verlesen: „Die fossile Abhängigkeit von Russland ist gewaltig!“, schimpft er, „und dass die russische Seite damit Spiele spielt und versucht, uns zu spalten, ist sichtbar!“
Sein flaues Plädoyer: „Wir werden als Staat nicht die gesamte Inflation, die vorher schon da war, auffangen können, aber wir werden sehr viel mehr tun müssen, damit die Leute diesen Winter gut durchkommen.“ Uff!
Boshaftester Vorwurf
Illner, anlassgerecht in leuchtendem Alarmrot, macht schmale Lippen: „Die Frage, die sich viele stellen, ist, warum Sie diese Umlage eigentlich nur auf die Gaskunden konzentrieren? Welcher Bürger kann was dafür, dass er einen Gasversorger hat?“
„Sie meinen, warum es nicht steuerlich finanziert wird?“, erkundigt sich Nouripour. „Das ist eine gute Frage!“
Vor allem gefällt ihm daran, dass er gleich mal dem liberalen Koalitionspartner ans Bein pinkeln kann: „Entlastungen stoßen uns auf die Frage, was denn mit der Schuldenbremse sei. Nicht nur Christian Lindner, es sind auch andere, die der Meinung sind, dass, völlig egal, wie die Lage ist, die Schuldenbremse bleiben muss.“ Ächz! Die Ampel! Schon wieder ein Kurzschluss!
Schwungvollster Vorwurf
Spahn kommt aus Münster auf den Monitor und feudelt erst mal durch: „Aus dieser Gasumlage ist eine Chaosumlage geworden“, wettert er. „Die Regierung legt ihr internes Chaos auf die Bürger um!“
Nouripour schießt wie leidend die Augen und zieht spöttisch die Brauen hoch, doch der CDU-Vize lässt sich mit mimischen Mätzchen nicht ausbremsen: „Mit der Senkung der Mehrwertsteuer entlastet man die gleiche Gruppe um den gleichen Betrag. Dann hätte man es auch gleich aus dem Bundeshaushalt finanzieren können.“ Rumms!
Schneidigstes Angebot
„Wir bauen eine Wahnsinnsbürokratie auf“, kritisiert Spahn das neue Gas-Gesetz, hat aber „einen konkreten Vorschlag“ dazu und lässt schon in der siebten Talk-Minute die Oppositionskatze aus dem Sack:
„Wenn die handwerklichen Fehler dieser Umlage behoben werden“, beginnt er, „wenn kleine und mittlere Einkommen gezielt entlastet werden und wenn wir die Knappheit beim Strom mit Blick auf Kernenergie beseitigen, beenden wir dieses Durcheinander.“ Heidewitzka! Da ist es ja, das böse K-Wort!
Schlimmster Schwurbelanfall
Die Talkmasterin ist voll dabei: „Selbst Grüne wie der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz finden, dass die (Mehrwertsteuer-)Entscheidung des Bundeskanzlers in die ökonomisch falsche Richtung geht“, referiert Illner, „sondern man sollte gezielt Bedürftige entlasten. Das ist nahezu deckungsgleich mit dem, was Herr Spahn sagt.“ Ui!
Nouripour schmeckt das überhaupt nicht, aber er kann den Parteifreund auch nicht gut in die Pfanne hauen und pfeffert lieber Fülltext raus: „Wir fliegen alle auf Sicht, und deshalb geht es auch darum, dass wir jeden Tag von neuem schauen, was gebraucht wird und was nicht gebraucht wird…“ Aha.
Sachdienlichster Einordnung
Linke-Wissler waltet ihres Parteiamtes, prangert wie Spahn „soziale Unausgewogenheit“ an und fordert erneut eine „Übergewinnsteuer“ für Krisengewinnler.
Unternehmer Kirchhoff setzt lieber auf Harmonie: „Wir sind dankbar, dass unsere politisch Verantwortlichen handeln und gerne bereit, zu diskutieren, was ist der beste Weg?“
Illner steckt das staatstragende Statement flugs in die passende Schublade: „Das ist jetzt der Text für die Pressemitteilung!“, höhnt sie.
Energischste Absage
Auch Nouripour will all jenen ans Börsenleder, die „durch Nichtstun einfach herumsitzen und Geldscheine zählen.“ Sein Versprechen: „Das ist etwas, was wir in den nächsten Tagen noch einmal in der Koalition diskutieren werden. Die Übergewinnsteuer ist sicher eine der sinnvollsten Maßnahmen, um zu finanzieren.“
Widerspruch! „Das ist eine populistische Diskussion, die überhaupt nichts in unserer Zeit verloren hat!“, schmettert ihn der Unternehmer ab. „Was ist denn ein Übergewinn? Wer definiert das? Bei Pharma müssen Sie große Gewinne haben, damit Sie überhaupt die Investitionen finanzieren können. Ich glaube auch nicht, dass das verfassungsmäßig machbar ist.“ Basta!
Prompt springt das Zoff-o-Meter an
„Wie haben viele Länder in der EU, die das bereits umgesetzt haben“, behauptet Wissler.
„Unlogisch!“ funkt Kirchhof dazwischen. „Sollen jetzt die Unternehmen, die die Arbeitsplätze für die Bürger stellen, ihren Laden zumachen?“
„Es geht um sehr hohe Gewinne“, beharrt die Linke.
„Was ist ein hoher Gewinn?“, erbost sich der Unternehmer. Dann reden beide minutenlang gleichzeitig aufeinander ein. Puh! Klassenkrampf!
Emotionalste Analyse
Bundesnetz-Müller, aus Bonn zugeschaltet, will den kalten Winter mit einem „Dreiklang“ abmildern: „Indem wir zusätzliches Gas bekommen, indem wir einspeichern und indem wir einsparen“, doziert er. „Dann kommen wir mit ein bisschen Glück ohne eine Mangellage durch.“ Allerdings: „Wir müssen nicht einen, sondern die nächste zwei Winter bestehen!“
Wissler verteidigt ihren Plan, publikumswirksame „Montagsdemonstrationen“ gegen die Ampel zu schalten. Ihre Begründung: „Wir brauchen gesellschaftlichen Druck. Wir reden hier von Menschen, die in Tränen ausbrechen, wenn sie ihre Wocheneinkäufe machen!“
Trockenste Wortmeldung
Ebenfalls aus Bonn schaltet sich Entertainer von Hirschhausen ein. „Wir sollten dringend darüber reden: Wie haben die Bürger im Winter eine warme Bude?“, gesteht er der Runde er. „Aber im Moment haben wir ein völlig anderes Problem: Dass es viel zu heiß ist!“
Dann hält er sein Handy in die Kamera: „Dieses Foto habe ich hier gemacht, im Rhein“, berichtet er. „Im Moment sitzt man da mitten im Flussbett und könnte heulen über diese Hungersteine, die da plötzlich sichtbar werden über einem Rinnsal.“ Schluck!
Unwillkommenste Erinnerung
„Was ist der größte Killer? Luftverschmutzung!“, donnert der Entertainer dann in die Runde. „Alle Verbrennungsvorgänge von fossiler Energie gehen immer mit Luftverschmutzung einher!“ Und wer nickt da besonders eifrig? Kohleneuverstromer Nouripour!
Spahn legt noch mal den Wahrheitsfinger in die Wunde: „Warum sind wir in dieser Situation? Weil wir gleichzeitig aus Kohle und Atomenergie aussteigen!“, stellt der CDU-Vize gnadenlos fest.
Letztes Gefecht
Illner riecht den Braten und will CDU-Vize mit einem Hinweis auf die CDU-Kanzlerin aus dem Takt bringen: „Wir sind noch einmal bei Angela Merkel!“ Doch Spahn bleibt auf Kurs: „Der Konsens war: Wir brauchen als Brückentechnologie Gas“, erinnert er. „Im Koalitionsvertrag vom Dezember stehen 40 bis 50 neue Gaskraftwerke!“
Nouripour verzieht schmerzerfüllt das Gesicht, schüttelt den Kopf und ringt wie betend die Hände, doch die komödiantische Einlage bleibt wirkungslos: „Für die Grundlast werden wir Kraftwerke brauchen“, macht Spahn unbeeindruckt klar.
Gretchenfrage des Abends
Zum Schluss bringt Spahn die Diskussion präzise auf den Punkt „Sollen das Gaskraftwerke sein, sollen das Kohlekraftwerke sein oder sollen das Kernkraftwerke sein?“, fragt er.
Seine Meinung: „Ich wäre sehr dafür, dass wir in der akuten Krise alle Grundlastkraftwerke nutzen. Die Regierung sollte auch die Kernkraftwerke wieder ans Netz nehmen.“ Amen!
Zitat des Abends „Es gibt halt mal schrille Zwischentöne hier und da, aber wir haben bisher immer geliefert.“ Omid Nouripour über die Ampel
Fazit
Schlumpfiger Reigen mit Schlagwörtern und Totschlagwörtern, viel grüne Erziehungslyrik, Heißlüfter auf Hochtouren, die ganze Debatte sinnvoll wie eine Blinddarmtransplantation: Das war eine Talkshow der Kategorie „Noch’n Gedicht“.