„Maischberger“. ARD, Mittwoch, 25.Mai 2022, 22.50 Uhr.
Pendeln, Heizen, Tanken: Alles teurer, deshalb gibt’s Staatsknete, verteilt u.a. vom Bundesarbeitsminister. Auch die Ukraine braucht dringend Geld, und dazu endlich Panzer und Raketenwerfer, sonst drohen jetzt verheerende Kesselschlachten. Viel Drama für Sandra Maischbergers Debattierclub! Die Gäste:
Hubertus Heil (49, SPD). Der Bundessozialminister will nicht nur Hilfspakete schnüren, sondern einen „dauerhaften Entlastungsmechanismus“ einbauen.
Claudia Major (55). Die Sicherheitsexpertin befürchtet in der Ukraine ein blutiges „Verdun-Szenario“.
Frederik Pleitgen (46). Der CNN-Reporter berichtete als einer der ersten vom Massaker in Butscha.
Hannes Jaenicke (62). Der Schauspieler ist Mitglied der Grünen.
Kristina Dunz (55). Die Journalistin (RND) tourte mit dem Bundeskanzler durch Afrika.
Nikolaus Blome (58). Der RTL-Politikchef twittert: „Solange nicht klar ist, was ‚siegen‘, ‚gewinnen‘ oder ‚nicht verlieren‘ ganz konkret bedeuten soll, könnte dieser lächerliche Streit um Worte echt mal Pause machen!“
Erprobte Wortführer der deutschen Fernseh-Streitkultur.
Ketzerischster Kommentar
Auch Maischbergers Runde ist entsetzt über die schrecklichen Bilder vom texanischen Amoklauf. Jänicke wettert einmal mehr gegen die amerikanische Waffenlobby, Dunz beklagt enttäuschte Hoffnungen auf Initiativen wie von Barack Obama.
Blome dagegen weist auf die typisch amerikanische Sichtweise hin: „Eine Waffe an sich ist nichts Schlechtes, nur eine Waffe in der Hand schlechter Menschen ist was Gefährliches.“ Seine illusionslose Einschätzung: „Das Problem ist deshalb nicht zu lösen, weil es gar nicht als so großes Problem wahrgenommen wird“. Peng!
Kernigste Kritik
Auch beim Thema Energie setzt der RTL-Politchef die Nadel an den Reizpunkt. Jaenicke findet es „nicht so schlimm, wenn die Spritpreise erstmal steigen.“ Die RND-Journalistin denkt immerhin auch an „die großen Teile der Bevölkerung, die sich weniger leisten können als wir.“
Blome dagegen operiert hart an der Wurzel: „Worüber man nicht reden möchte seitens der Grünen, ist Atomkraft“, tadelt er. Und die Idee von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, „Weniger Fleisch zu essen wäre ein Beitrag gegen Putin“, sei sogar „zynisches Trittbrettfahren“, denn die Kriegskasse des Kreml werde nicht leer, „wenn wir ein Schnitzel weniger essen.“ Rumms!
Ärgerlichste Abfuhr
Den Tankrabatt hält Jaenicke für „klimatechnisch völligen Schwachsinn“. Für Blome ist er „zu sehr Gießkanne“ mit „geschenkten Gewinnen“ für die Ölindustrie.
In einem ARD-Einspieler zum 9-Euro-Ticket rät FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, bei Überfüllung „mit einem Lächeln auf den nächsten Zug zu warten“. Dunz ist sauer: „Da weiß man, was man als Pendler davon hat, weil man nämlich Termine nicht einhalten kann!“
Dann geht der Zoff los
Beim „Tempolimit gegen russische Ölimporte“ muss Blome lachen: „Und damit besiegen wir Wladimir Putin“, spottet er. „Der zittert im Kreml vor dem deutschen Tempolimit!“
„Was dem Amerikaner die Waffe, ist dem Deutschen sein Tempolimit“, kontert Jaenicke.
„Oh!“, macht der RTL-Mann und denkt an die Toten von Texas: „Ein zynischer Vergleich!“
„Das Tempolimit ist für mich eine deutsche Neurose!“, keilt der Schauspieler zurück.
Peinlichste Frage
Der Arbeits-und Sozialminister erscheint, um das Entlastungspaket der Ampel zu verkaufen: „Wir wollen gezielt mittlere und untere Einkommen entlasten!“, lobt er. „Das kann das Leben im Sommer ein Stück einfacher machen.“
Doch die Talkmasterin fischt gleich mal ein dickes Haar aus der Suppe: „300 Euro Energiepauschale, das ist schön, aber 21 Millionen Rentner kriegen das nicht. Haben Sie die einfach übersehen?“ Aua!
Lahmste Ausrede
„Ich kenne die Kritik“, antwortet der Minister gelassen. „Ich könnte jetzt wortreich erklären, dass der Mechanismus so ist, dass das technisch nicht machbar war…“
„Wie bitte?“, staunt Maischberger.
„Es ist nicht so, dass in dem Gesamtpaket nicht Dinge sind, von denen Rentnerinnen und Rentner auch profitieren“, beeilt sich Heil zu versichern.
Zupackendste Kneifzange
Maischberger lässt nicht locker. „Warum das Energiegeld nicht?“, bohrt sie weiter.
Nun kommt der Minister ins Schleudern: „Das hat damit zu tun, nicht nur, dass die Koalition das so beschlossen hat“, druckst er herum, „sondern dass im Mechanismus es so ist, dass tatsächlich, dass wir über die Steuern den Arbeitgebern gesenkt wird und die das auszahlen. Deshalb war das kurzfristig nicht möglich.“ Heidewitzka!
„Das verstehe ich nicht“, gesteht die Talkmasterin. „Warum haben Sie den Menschen nicht einfach 300 Euro gegeben?“
„Na weil das kurzfristig so nicht möglich gewesen wäre“, behauptet Heil schon etwas genervt.
Peinlichstes Verhör
Maischberger ist immer noch nicht zufrieden: „Weil Sie sagen, es ist technisch nicht möglich: Die Rentenkassen! Es gibt Zahlungen, die die Rentner erreichen!“
Heil hebt beschwörend die Hände. „Dass das niemanden fröhlich macht, ist klar“, untertreibt er. „Aber ich will schon darauf hinweisen, dass im Gesamtpaket ganz, ganz viele Maßnahmen sind, die Rentnerinnen und Rentnern zugutekommen.“ Frohlocket!
„Ich bin jetzt bei der Energie“, erinnert Maischberger gnadenlos. So einfach will sie den Minister nicht davonkommen lassen.
Schwungvollstes Schwurbelmanöver
Jetzt büßt Heil für eine offenbar extrem schlechte Vorbereitung auf das Konfliktthema der Woche: „Man muss fairerweise bei dem Gesamtpaket gucken, mit welchen Instrumenten man wen erreicht kann“, verteidigt er sich im selbstsicheren Dozenten-Modus. „Man kann nicht mit einem Instrument in kurzer Zeit alle erreichen…“ Ächz!
Dann seilt sich Heil eilig in Richtung fester Boden ab: „Hinter dieser Säuernis von vielen steckt vor allem eins: Die Sorge, was passiert, wenn die Preise dauerhaft oben sind“, glaubt er. „Und daran arbeite ich.“ Hosianna!
Verzweifeltster Fluchtversuch
Geschafft? Noch nicht, denn Maischberger legt auf den letzten Metern noch mal das Kappmesser an die Rettungsleine: „Ich bleibe bei der Energie!“, beharrt sie, „und ich bestehe darauf, dass Sie jetzt vielleicht mal denen, die nicht von dieser Energiepauschale profitieren können, weil sie Rentner sind, sagen: Was kommt denn für sie im Bereich Energie?“
Hölle, Hölle, Hölle! In wachsender Erklärungsnot probiert es der Minister mit einem neuen Argument: „In dem Paket sind auch Dinge, die mit Energie zu tun haben, drin. Der Heizkostenzuschuss beispielsweise kommt zur Hälfte Rentnerinnen und Rentnern zugute.“ Puh!
Letzte Ausfahrt
Danach möchte Heil endlich über seine Pläne für die kommenden Probleme reden: „Höhere CO2-Preise. Energiehunger von anderen Ländern. Ausgleich für untere und mittlere Einkommen, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, und, ja, „Rentnerinnen und Rentner.“ In Kurzfassung: „Wenn die Preise dauerhaft hoch bleiben, brauchen wir einen sozialen Ausgleich.“
Doch wieder klappt es nicht: „Was denn für einen Ausgleich?“, fragt Maischberger trocken. „Ich warte die ganze Zeit darauf, das Sie mir sagen: Worauf können sich die Rentner jetzt bei der Energie freuen!“
Und noch eine Enttäuschung
Der Minister greift nach dem letzten Strohhalm: „Im Sommer die Abschaffung der EEG-Umlage“, erwidert er. „Auch davon profitieren Rentnerinnen und Rentner!“
„Aber alle anderen auch“, funkt ihm die Talkmasterin dazwischen und hat ihm damit schon wieder die Tour vermasselt.
„Es geht ja nicht darum, dass man für jeden was hat, sondern dass es für jeden richtig eingesetzt ist“, predigt der Minister in die ratlosen Gesichter seiner Zuhörer. Ja nee, is klar!
Auffälligster Widerspruch
Zum Schluss geht es um Lebensmittelpreise. „Warum haben Sie nicht einfach das Kilo Mehl 30 Cent günstiger gemacht, wie den Liter Benzin?“, will Maischberger wissen.
Heils misstrauische Antwort: „Wir können nicht sicher sein, dass die Lebensmittelkonzerne diese Preissenkung auch weitergeben.“
„Siehe Ölkonzerne“, wirft die Talkmasterin ein. Vorsicht, Falle! Doch der Minister merkt es nicht: „Ich will, dass wir die Hilfen auf diejenigen konzentrierten die jetzt wirklich Schwierigkeiten haben“, mahnt er stattdessen.
Prompt lässt Maischberger das Fangeisen zuschnappen: „Aber warum ist es Ihnen offensichtlich wichtig, dass alle Menschen preiswert tanken, aber nicht preiswert essen? Das verstehe ich nicht.“ Und da ist sie nicht die einzige, denn jetzt gibt es lebhaften Beifall. Über den weiteren Verlauf der Grill-Stunde den Mantel der sozialdemokratischen Nächstenliebe
Lustigstes Frage-und-Antwortspiel
Als kleine Wiedergutmachung kriegt Heil noch ein paar Ergänzungsthemen. Schröders Rückzug von Putins Rosneft? „Viel zu spät. Reicht nicht aus.“ Parteiausschluss des Altkanzlers? „Ich bin einfach nur traurig, wie er sich benommen hat, wie er sich verhält.“ Dass Christine Lambrecht immer noch Verteidigungsministerin sei? „Das ist eine gute Sache!“
Heils Credo: Mein Prinzip ist es, keine Erwartungen zu wecken, die ich nicht erfüllen kann.“
Emotionalste Schilderung
Zum Schluss wird es wieder ernst: CNN-Reporter Pleitgen beschreibt sein Entsetzen in Butscha. „Viele Leichen absolut übel zugerichtet“, berichtet er sichtlich erschüttert. „Die Menschen absolut traumatisiert. Im Garten eine Leiche, Arme und Beine verbunden, voller Blutergüsse, Hose heruntergezogen, Sack überm Kopf, Patronenhülse daneben.“
Ernüchterndster Lagebericht
„Wir sehen, dass Russland wirklich einen Vernichtungskrieg führt“, warnt Sicherheitsexpertin Major. „Die Taktik ist die Zerstörung der gesamten Region.“ Aber: „Wir haben eine Möglichkeit, den Verlauf des Krieges mitzubestimmen“ – durch Waffenlieferungen und Sanktionen. Für die nächsten Monate sagt die Expertin einen „Sequenzkrieg“ voraus: Angriff, Pause, Angriff, Pause. Ihre erschreckende Prognose: „Zu hoffen, dass Russland sich jetzt auf den Donbass und die Landbrücke zur Krim beschränken würde, halte ich für illusorisch.“
Fazit
Erhellende Politdebatte: Knallfrosch-Fragen im Modus Kettenexplosion, Antworten wie aus dem Banalitätenstadl. Danach das ganze Grauen des russischen Krieges in grausam scharfen Konturen. Das war eine Talkshow der Kategorie „Wachkommando“.