Teletäglich

„Hart aber Fair“: Norbert Röttgens klares Bekenntnis zu Amerika – trotz Trump

„Hart aber Fair: Trump oder Biden – die freie Welt vor einer Jahrhundertwahl!“ ARD, Montag, 2.November 2020, 21.30 Uhr.

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, hat in der ARD-Talkshow „Hart aber Fair“ am Montag klar für die USA und ebenso klar gegen Donald Trump Stellung bezogen.

Wörtlich sagte der Politiker, der im Januar Parteivorsitzender werden möchte: „Für uns ist die Beziehung zu den USA eine ganz bedeutsame, eine einzigartige, eine nicht ersetzbare. Das ist mit unserer Nachkriegsgeschichte auf das engste verbunden. Wir wären heute kein freies Land ohne die USA!“

Corona lähmt Land und Leben, doch die Welt dreht sich weiter. In „Hart aber Fair“ kümmerte sich Frank Plasberg um das zweite Mega-Thema unserer Zeit: Die Wahl des Präsidenten ist umkämpft wie selten zuvor. Die Talk-Gäste:

Röttgen gibt 100 Prozent für Amerika, aber null für Trump.

Der „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni zeigte vor dem Talk seine ARD-Doku „Trump, meine amerikanische Familie und ich“. Er wurde aus Washington zugeschaltet.

George Weinberg, Aufsichtsrat der „Republicans Overseas Germany“, kämpft in deutschen Talkshows schon seit Jahren tapfer gegen die Übermacht der Trump-Kritiker.

Candice Kerestan, Chefin der „Republicans Overseas Germany“, studierte bis 2019 Politologie in Bonn.

Die Politologin Prof. Christiane Lemke lehrt in Hannover Internationale Beziehungen.

Der amerikanische Online-Journalist Matthew Karnitschnig warnt: „Deutschland ist besessen von seiner Abneigung gegen Trump!“

Zum Start schlug nicht Talkmaster Plasberg, sondern Zamperoni die Stimmgabel an: „Man muss für Trumps Anhänger kein Verständnis haben, aber man muss sie verstehen“, sagte er und setzte damit den Ton.

Informativste Positionsbestimmungen

In der Aufwärmphase kamen erst mal die Lobbyisten dran. „Ich glaube, dass Biden den Wahlkampf richtig gemacht hat“, meinte Unterstützerin Kerestan, aber: „Vielleicht hätte er etwas aggressiver sein können.“

Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass Trump wiedergewählt wird“, sagte Unterstützer Weinberg im Brustton der Überzeugung. Denn: „Biden hat überhaupt keinen Wahlkampf gemacht. Er hat sich in seinen Keller eingeschlossen.“

Der Talkmaster war sofort auf Betriebstemperatur: „Herr Biden hat niemanden angesteckt“, grätschte er den Republikaner ab. „Das kann man von Trump nicht behaupten!“

Unrühmlichste Beschreibung

Die anderen Gäste setzten ebenfalls sofort auf klare Kante. „Das ist ja nicht wie in Russland, oder in China“, machte Röttgen klar. „Wir können uns darauf verlassen, dass die amerikanische Demokratie funktioniert!

Die meisten Deutschen haben keine Ahnung, welche Politik Biden plant“, stellte Journalist Karnitschnig fest. „In Deutschland versteht man nicht, wie die Amerikaner Trump auf den Leim gehen konnten!“

Dann zog der Sohn eines Österreichers eine anrüchige Parallele: Für ihn sei der US-Präsident „eine schlechte Kopie von Jörg Haider“. Uff!

Sympathischster Zwischenruf

Die Professorin hatte eine Sammel-Klage vorbereitet: „Trump missachtet den Kongress, die öffentliche Meinung, Journalisten werden angegriffen…“

„Wir halten das aus“, beruhigte Karnitschnig sie aus dem Hintergrund.

Frappierendster Einspieler

 

Die ARD zeigte eine Szene, in der evangelikale Christen mit und für Trump beten. Lob des Predigers: Der Präsident sei „nicht perfekt, aber leidenschaftlich.“

„Für viele ist das ein Pakt mit dem Teufel“, erläuterte Karnitschnig, „weil Trump viele Dinge macht, sie sind seit Jahren verlangen.“ Die Berufung einer konservativen Juristin ins Oberste Gericht etwa wiege in den Augen der Gläubigen manche Verfehlung auf.

Kritischste Medienanalyse

Auch die ARD kriegte ihr Fett weg: „Wenn man in Deutschland fernsieht, hat man den Eindruck, dass das Land vor allem aus radikalen Christen und Waffennarren besteht“, lästerte der US-Journalist.

Für Röttgen bot der Einspieler über die US-Evangelikalen ein „Beispiel abstoßender Unvernunft“. Prompt nahm Weinberg den CDU-Politiker auf die Hörner: „Die CDU als christliche Partei sollte nicht gegen Religion sein! Gegen das Christentum! Gegen Leute, die in ihrem Leben die Religion brauchen!“

Zamperoni erklärte das Wahlverhalten vieler US-Bürger mit dem Begriff des „One-Issue-Voters“, dem ein bestimmtes Thema so wichtig sei, dass er dafür alles andere verdränge.

Gretchenfrage des Abends

„Ich bin ein religiöser Mensch!“ bekannte Röttgen. „Ich versuche christliche Werte der privaten Lebensführung zu verfolgen, und das sind auch die entscheidenden Werte unserer Partei!“

Aber, so der Außenpolitiker mit erhobenen Händen: „Es ist doch etwas völlig anderes, wenn ich für meine politische Meinung göttliche Autorität anrufe!“

Denn: „Das ist eine Trennung, die wir in Europa seit der Aufklärung haben. Und in den USA hat man das auch, weitgehend. Ich respektiere den Glauben jedes einzelnen Menschen dort. Was ich kritisiere, ist die Gleichsetzung einer Meinung mit göttlichem Willen.“ Amen!

Dialog des Abends

Weinberg möchte Biden gern das Etikett „Sozialist“ ankleben: „Staatliches Gesundheitswesen! Staatliche Universitäten!“ wetterte er.

„Für die Amerikaner geht es darum, dass man nicht so sehr auf den Staat angewiesen ist“, erläuterte Zamperoni. „Deswegen löst alles, was als Bevormundung angesehen wird, so einen Reflex aus.“

Plasberg spitzte die Frage zu: „Herr Röttgen könnte also CDU wählen und würde in den Augen von Herrn Weinberg Sozialist sein?“

„Jetzt bin ich mal gespannt, was Sie sagen, Herr Zamperoni“, freute sich Röttgen. „Ob ich in der CDU bleiben kann, ohne Sozialist zu sein. Bitte!“

Doch der ARD-Moderator zog sich elegant aus der Affäre: „Sie könnten natürlich auch einer dieser One-Issue-Voter sein, dass Ihnen eine Sache wichtig ist, und Sie blenden alles andere aus!“ antwortete er und sammelte wohlverdiente Lacher ein.

Listigstes Kompliment

Es ist bezeichnend für die Reaktion in Deutschland und Europa auf diesen Wahlkampf, dass man überhaupt kein Verständnis hat für dieses politische Theater“, meinte Karnitschnig. „Doch das gehört in Amerika zur Realität.“

Denn, so der Journalist: „Es gibt dort nicht diesen großen öffentlich-rechtlichen Mediensektor, der wie eine Art Puffer funktioniert, wo die Kanten in den Debatten völlig abgeschliffen werden. Es geht dort ziemlich rau zu. Das ist man in Europa überhaupt nicht gewohnt.

Hm, rundgequatschte Ecken? Plasberg scheint nicht begeistert und geht auch nicht weiter darauf ein. „Noch zwei Mal schlafen, und dann wissen wir‘s“, sagte er stattdessen. Puh!

Ehrlichster Stoßseufzer

Der Lobbyist und die Lobbyistin beharkten sich dann mit Storys über Bidens Sohn und Trumps Familie, bis Plasberg die Reißleine zog: „Können wir uns diese Wahlkampfscharmützel sparen?“ ächzte er genervt.

Zur Frage, ob Trump eine Niederlage akzeptierten werde, erinnerte Karnitschnig an ein wenig beliebtes Beispiel aus 2016: „Hillary Clinton zweifelt das Ergebnis bis heute an!

Ehrlichste Selbstanalyse

Röttgen ist besonders weit davon entfernt, sich über Amerika zu erheben – im Gegenteil: „Es ist ja nicht so, dass wir keine Demokratieprobleme in Europa haben“, gab er zu. „Wir haben Fragmentierung, wir haben Populismus, wir haben Abwendung, wir haben auch Versagen von Parteien.“

Seine Begründung: „Ich glaube, dass diese irrsinnigen Veränderungen, die die Menschen erleben, die freien Gesellschaften durcheinanderbringen. Ich glaube, das das eine Krisensituation der westlichen Demokratien ist.“ Deshalb gebe es auch das autoritäre Gegenmodell.

Röttgens Sorge: „Worauf wir aufpassen müssen, ist, dass der Hass Einzug gehalten hat. Das fing schon unter Barack Obama an. Es gibt dann keine Mitte mehr, sondern nur noch Pole.“

„In Amerika würde ich Trump wählen, in Europa Biden“, bekannte eine Zuschauerin per Facebook.

Überraschungserfolg des Abends

Weinberg ärgerte sich tüchtig über die Kritik der Runde am amerikanischen Wahlsystem. „Sie kennen, Herr Dr. Röttgen, die Diskussionen im Bundestag, wo man die Wahlbezirke andern möchte“ konterte er. „Wieviel Fleiß und Tränen dort fließen!“

Der CDU-Mann wollte ihn abwürgen: „Herr Weinberg, das ist ein anderes Thema!“

Doch der Talkmaster eilte dem Amerikaner zu Hilfe: „Da machen Sie einen richtigen Punkt“, sagte er zu Weinberg. „Die Parteien kriegen es nicht hin, diesen aufgeblähten Bundestag!“

„Ich stimme Ihnen nicht zu“, wehrte sich Röttgen, doch der Kölner Plasberg setzt dem Bonner eine rheinische Weisheit entgegen: „Mer muss och jünne künne!“

Stärkstes Statement

„Deshalb interessieren uns für die USA“, erklärte der CDU-Mann zum Finale mit Schwung. „Wir interessieren uns auch für Polen und Großbritannien, weil wir gemeinsame Werte haben, und gemeinsame Aufgaben. Das ist unser Weltbild.“ Läuft!

Fazit: Statements ohne Shitstorm-Ängste, Diskussionsbeiträge ohne Meinungsblasenkatarrh und Fairness auch dort, wo es der ARD sonst gern mal wehtut: Das war ein Talk der Kategorie „Knatsch ohne Soße“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert