„Maischberger“. ARD, Dienstag, 6.September 2022, 22.55 Uhr.
„Nein, meine Suppe ess ich nicht!“, krakeelt der Suppenkaspar im „Struwwelpeter“. So ähnlich schallt es nun auch aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Dabei hat sich Robert Habeck den Atomausstieg trotz Gas-Krieg selbst eingebrockt. Auslöffeln sollen das nun aber andere: Stromkunden, Handwerk, Industrie. Hat Talkmasterin Sandra Maischberger heute genug Energie für eine echt heiße Grillstufe? Die Gäste:
Robert Habeck (53, Grüne). Der Wirtschaftsminister verliert dramatisch an Glaubwürdigkeit, will sich mit faulen Tricks retten.
Christian Wulff (63, CDU). Der Altbundespräsident hofft: „Wenn Putin scheitert, wird das andere abschrecken.“
Petra Gerster (63). Die Ex-ZDF-Moderatorin („heute“) mahnt: „In der Ukraine wird auch unsere Freiheit verteidigt!“
Melanie Amann (44). Die Journalistin („Spiegel“) nimmt erst mal den Kanzler auf die Hörner: „Er ist mit einer großen Hybris angetreten: Ich bin der am besten vorbereitete Kanzler, den es jemals gab.“
Wolfram Weimer (57). Der Publizist („The European“) wettert: „Das neue Entlastungspaket ist eine Mogelpackung!“
Ein Politstar, ein Comebacker und drei Zwischenrufer an der Seitenlinie…
Zum Anpfiff eine Generalabrechnung
Publizist Weimer räumt gleich mal die halbe Regierungsmannschaft ab: „Das ist ein Umverteilungspaket, und zwar von der linken Tasche in die rechte Tasche“, bollert er los. „Der größte Übergewinner ist der Staat. Der Mittelstand hat blanke Angst.“
An meisten nervt ihn das trickreiche Abschieben der Atomkraft auf die Reservebank: „Jemand hat einen Blutsturz, und der Notarzt sagt: Ich hätte hier wunderbare Pflaster und Salben. Alles gute Sachen, aber es hilft in dieser Notsituation nicht!“
Schmählichster Superlativ
Die Talkmasterin geht passend zur Jahreszeit in Jägergrün auf die Pirsch nach politischen Peinlichkeiten. „Zwei der drei Atomkraftwerke werden nicht abgeschaltet, aber sie laufen auch nicht länger“, wundert sie sich. „Ist das ein besonders brillanter Kompromiss, den Robert Habeck da gefunden hat?“
„Ich finde, das ist ein fauler Kompromiss“, urteilt die „Spiegel“-Journalistin umstandslos. „Das ist so wie ein bisschen schwanger sein. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Das ist jetzt die teuerste Lösung beim geringsten Ertrag.“ Rumms!“
Verräterischster Versprecher
„Es ist vielleicht die politisch billigste Lösung aus der Sicht des Ministers“, schimpft Amann weiter. „Es ist wahnsinnig teuer, sie überhaupt weiter zu betreiben. Dann haben wir die Dinger noch für ein paar Monate sehr aufwendig am Leben gehalten, können sie aber nicht sofort hochfahren.“
„Die Atomenergie ist wirklich tot!“, behauptet Gerster mit deutscher Überzeugungswucht, ganz so, als ob der Rest der Industriewelt nicht total anderer Meinung wäre.
Dann aber entlarvt ein Patzer die ZDF-Lady: „Solange nicht klar ist, wo der Müll gelagert wird, ist es eine riskante Ideolog… – äh, Technologie“, sagt sie. Uff!
Emotionalste Erzählung
Habeck saß auch am 23. Februar, dem Vorabend des Krieges, bei Maischberger. Am Nachmittag hätten ihm, so schildert er jetzt, US-Geheimdienstler einen Umschlag übergeben, in dem für den nächsten Morgen der russische Einmarsch angekündigt war: „Lies das mal heute Nacht!“
„Ich habe das auf der Fahrt gelesen“, berichtet Habeck der Talkmasterin sichtlich bewegt, „und ich kann mich noch an den Kloß im Hals erinnern, als ich hier bei Ihnen saß.“
Sein Schmerz: „Während wir in Deutschland diese Debatte führen, sterben in der Ukraine täglich viele Soldaten und Zivilisten wegen des Größenwahnsinns von Putin!“
Klarste Erkenntnis
Nach der Groteske um die in Kanada reparierte Gasturbine, so der Minister, „war mir klar, dass das einzige, was bei Putin Gewissheit ist, die Lüge ist.“
„Alle Anstrengungen im Gasbereich, die wir unternehmen, alle Szenarien, wie wir rechnen“, stellt Habeck unmissverständlich fest, „gehen davon aus, dass Putin über Nord Stream kein Gas mehr liefert.“
Realistischste Prognose
„Es wird ein harter Winter“, kündigt der Minister dann mit ernster Miene an. „Es wird ohne Frage politisch anspruchsvoll werden, und es wird Zumutungen geben, mindestens preisliche Zumutungen für die deutsche Bevölkerung.“
„Aber wenn wir die Maßnahmen umsetzen, die wir identifiziert haben“, fügt Habeck hoffnungsvoll hinzu, „wenn es gelingt, die Verbräuche in Deutschland um zwanzig Prozent unter die Durchschnittsverbräuche zu drücken, dann haben wir mit den zusätzlichen Kapazitäten, die wir bis zum Jahreswechsel bauen, und den vollen Gasspeichern auch eine Chance.“
Seine Hoffnung: „Wenn wir diesen Winter überstehen, wird es danach leichter werden.“ Puh!
Dann springt das Zoff-o-Meter an
Von der Diskussion um längere Laufzeiten für Kernkraftwerke ist Habeck inzwischen sichtlich genervt: „Die Leichtfertigkeit oder auch manchmal die Wankelmütigkeit, die bei der Haltung zur Atomkraft bei einigen zu beobachten ist, finde ich irritierend“, poltert er los.
Sein Ärger: „Natürlich zwingt die Not dieses Jahres zu Schritten und Entscheidungen, die nicht im Koalitionsvertrag stehen…“
Misslaunigster Dialog
Maischberger hakt sofort ein: „Wer ist wankelmütig? Wen meinen Sie?“
„Das wissen die schon ganz genau, die ich meine!“, erbost sich der Minister.
„Aber ich nicht“, beharrt die Talkmasterin. „Jetzt wüsste ich das auch ganz gerne.“
Doch um eine klare Antwort will sich der Minister dann doch lieber drücken: „Sie haben ja auch morgen weitere Gäste, dann werden Sie es herausfinden“, murrt er.
„Sie meinen Markus Söder“, lächelt Maischberger, „der gesagt hat: Sie riskieren den Blackout, aus ideologischen Gründen.“
Aggressivste Milchmädchenrechnung
„Ich will hier gar nicht über Markus Söder reden“, behauptet Habeck, tut es aber natürlich doch und kickt den Schwarzen Peter schwungvoll über den Weißwurstäquator.
Seine steile These: „Wir haben kein Energieproblem im Norden. Die Leute sagen: Wieso bauen wir eigentlich Stromleitungen für den Süden? Behalten wir das Zeug doch hier, dann kommen die Fabriken zu uns, und wir sind das Baden-Württemberg oder das Bayern der Zukunft!“
Energischste Abwehrschlacht
Dann hebt Habeck dramatisch gleich beide Zeigefinger. „Wir führen eigentlich die falsche Debatte“, ruft er beschwörend. „Die Atomkraftwerke lösen unser Problem überhaupt nicht. Die können ein kleiner Teil der Lösung sein…“
Die Stromlücke könne nur ein „Maßnahmenbündel“ schließen, beteuert der Minister und lässt sich zielsicher in die alte Fahrrinne treiben: Energie sparen, weitere Quellen hinzunehmen, und „die Netze müssen noch mal schnell gemonitored werden.“ Ächz!
Gefährlichste Koalitionsklippe
Die Talkmasterin hat sich ein As in den Ärmel gesteckt: „Sie müssen nicht mit Herrn Söder regieren, aber mit Herrn Lindner sehr wohl, und der hat gesagt, was Sie vorschlagen, findet er nicht gut.“ Aua!
„Tja“, sagt Habeck kühl und winkt ab: „Das habe ich zur Kenntnis genommen. Christian Lindner hat Recht: Wir müssen am Energiesystem was ändern. Aber die Atomkraftwerke spielen dabei eine minimale, eine marginale Rolle.“
Grimmigste Gegenattacke
„Das sind Atomkraftwerke!“, grollt der Minister dann. „Das ist kein Spielzeug! Es sind Atomkraftwerke, die darauf konditioniert wurden, Ende des Jahres den Leistungsbetrieb einzustellen!“
Den störrischen Finanzminister will Habeck mit vermeintlichen Kompetenzvorrechten ausbremsen: „Ich bin ja als Minister verantwortlich für die Energiesicherheit in Deutschland“, betont er und setzt ein bürokratisches Zauberwort ein: Sein Stresstest sei „eine fachpolitische Vorlage“. Fachpolitisch! Da geht nix drüber.
Heftigster Wink mit dem Zaunpfahl
„Entweder muss das Energiesicherungsgesetz geändert werden, oder man kann es auch über das Atomgesetz machen“, doziert der Minister zum Schluss in schlecht verhohlenem Triumphgefühl. „Wenn es keine Mehrheit dafür gibt, wird das Gesetz nicht geändert, und dann endet der Laufzeitbetrieb Ende des Jahres.“
„Aha!“, bemerkt Maischberger. „Also Sie sagen Herrn Lindner: Entweder stimmst du mir zu, dann darfst du noch ein bisschen weiterlaufen, und wenn du nichts machst, laufen die einfach aus.“
Habecks eisige Antwort: „Das ist die gesetzliche Grundlage in Deutschland.“
Entschlossenste Ansage
Altbundespräsident Wulff erinnert zum Schluss an die beispiellosen Verdienste des verstorbenen Sowjetchefs Michail Gorbatschow um die Wiedervereinigung Deutschlands: „Er war der Überzeugung, dass Völker ihr Selbstbestimmungsrecht haben müssen. Putin hätte schießen lassen!“
Dann ballt der CDU-Politiker die Faust: „Wir müssen jetzt mit allen unseren Möglichkeiten die Ukrainer unterstützen!“
Seine Friedensidee sei, „dass man einen Kreis von vier, fünf Leuten schafft, US-Präsident Biden, die neue britische Premierministerin, die EU, Xi Jinping in Peking, um wirklich mal Verhandlungen zu machen mit einem konkreten Ergebnis.“ Toi toi toi…
Zitat des Abends
„Das Jahr 2022 wird in den Geschichtsbüchern eine zentrale Bedeutung haben wie 1945 und 1989.“ Christian Wulff
Fazit
Entlarvendes Rechtfertigungs-Rudern zwischen Schwimmkurs und Märchenstunde, statt Richtungsweisung auf neuen Wegen nur eine Rutschpartie auf altem Schnee: Das war eine Talkshow der Kategorie „Kaiser ohne Kleider“.